San Antonio/Bad Laasphe. Die Bad Laaspherin Lisa Achatzi radelt für den guten Zweck durch Südamerika. 5300 Euro konnte sie bereits für die SOS-Kinderdörfer sammeln.

Es fühlte sich an wie ein Sieg auf halber Strecke. Gleich zweimal knackte Lisa Achatzi eine beeindruckende Marke: Einmal sprang der Kilometerzähler ihres Fahrrads auf 5000, ein paar Tage später trafen über Weihnachten so viele Spenden über ihre Homepage „wheelsoffortune.org“ ein, dass inzwischen über 5300 Euro für SOS-Kinderdörfer zusammengetragen wurden. Beide 5000er Meilensteine sorgten bei Achatzi für große Freude, Bestätigung und neuen Ansporn. Psychologisch sind solche Momente immens wichtig, die Tage im Sattel sind nicht immer Spaß und Abenteuer, sondern werden bis August auch nicht kürzer werden.

Bad Laaspherin kämpft mit Gegenwind auf 3200 Meter in Chile

Für die Zeit über Weihnachten hatte sich Achatzi den chilenischen Küstenort Valparaíso ausgewählt. Von Argentinien kommend, war der Weg dorthin zwar ein verhältnismäßig kurzer, aber auch heftiger. „Schuld“ daran hatte besonders der Pass „Internacional Los Libertadores“, der in 3200 Metern Höhe liegt, 10 Kilometer lang ist und mit 65 Serpentinen das Nervenkostüm auf die Probe stellt. Das lag laut Achatzi weniger an den vielen Kurven, sondern vielmehr an dem offenen Gelände ohne Bäume: „Es war extrem windig, obendrein meist Gegenwind, der in Serpentinen zu einer echten Herausforderung wurde.“

Der Pass „Internacional Los Libertadores“ liegt in 3200 Metern Höhe. Zehn Kilometer kämpft Lisa Achatzi hier mit schwerem Gegenwind.
Der Pass „Internacional Los Libertadores“ liegt in 3200 Metern Höhe. Zehn Kilometer kämpft Lisa Achatzi hier mit schwerem Gegenwind. © WP | Lisa Achatzi

In Valparaíso angekommen, sieht es in der Gegend ihres Hostels nicht so aus, wie es die verheißungsvollen Bilder des Internets versprechen. „Valparaíso liefert einiges. Aber um ehrlich zu sein, werde ich meine Kamera und mein Handy hier nicht auspacken. Bin in einer ziemlich fiesen Ecke. Weiß gerade nicht, was ich machen soll“, schreibt Achatzi einen Tag vor Heiligabend. Der Tonfall der Bad Laaspherin, die Weihnachten mit all den harmonischen Facetten so liebt, ist in den folgenden Nachrichten dementsprechend. Die Familie 12.000 Kilometer entfernt, kein Schnee, kein Weihnachtsbaum und ein Stadtviertel, das Tristesse und Gefahr vereint.

33.000 Menschen leben in Slums in Valparaíso

Achatzi wird es zu viel. Die Straßen sind voll von dubiosen Gestalten, überall liegt Müll herum, verbrannte Autos und Häuser, zur Ruhe kommen – unmöglich. Sie checkt ihre Recherche, die sie dorthin brachte und bemerkt ihre Fehlschlüsse. Valparaíso ist ein Paradebeispiel für Arm versus Reich. Wie schön die Fassade mit Strandleben glänzt, so sehr bröckelt sie in den Hinterhöfen abseits des Zentrums.

Achatzi: „Es ist absurd und ekelerregend. Trotz vieler Touristen ist die Stadt arm, das Geld läuft in falsche Kanäle. 33.000 Menschen leben hier in Slums. Dabei heißt es, dass es eine der schönsten Städte Südamerikas sein soll.“ Sie entscheidet sich für ein anderes Hostel, der Weg dorthin ist gesäumt von Obdachlosen.

Für den guten Zweck

19.000 Kilometer lang ist Lisa Achatzis Route. Auf ihrer Tour besucht sie SOS-Kinderdörfer, für ihre Idee namens „Wheels of Fortune“ konnte sie schon 600 Euro an Spenden sammeln.

Zwei Mal im Monat berichtet unsere Zeitung von ihrer Reise, per Sprach-Nachrichten schildert die aus Bad Laasphe stammende Weltreisende ihre Eindrücke und Erlebnisse.

Bad Laaspherin Lisa Achatzi hinterfragt sich auf ihrer Reise selbst

In ihrer neuen Bleibe muss Achatzi erstmal durchatmen. Nicht unbedingt, weil sie sich nun sicherer fühlt, sondern weil sie sich selbstkritisch hinterfragt: „Es ist einfach pervers, weil es hier so viele arme Menschen gibt und auf der anderen Straßenseite die Touristen unbehelligt ihren Urlaub genießen. Und ich bin ein Teil davon.“

Ihre Schilderungen erinnern an die von Machu Picchu, wo sie die Auswirkungen von Massentourismus beschrieb, gleichzeitig aber auch einsah, selbst Teil des Problems zu sein. Was bedeutet Reisen? Wie reise ich? Welchen Fußabdruck hinterlasse ich? Achatzi treiben diese Fragen bei ihren Planungen an – aber auch um.

Kichererbsen statt Affenschwanz an Heiligabend

Heiligabend verbringt Achatzi mit anderen Gästen im Hostel. Weil vegane Gerichte auf dem Speiseplan fehlen, mixt sie sich einen Teller aus Reis, Salat und Kichererbsen. Als traditionelles Weihnachtsgetränk steht „Cola de Mono“ (dt. Affenschwanz) auf dem Tisch, ein aus Pisco, Kaffee, Milch und Zimt gemixter Cocktail. Doch weil auch dieser nicht vegan ist, lässt Achatzi die Finger davon. Heiligabend an der chilenischen Küste

Generell ist vielen Einheimischen nicht nach ausgiebigem Feiern zumute, die Meldung über einen Waldbrand macht die Runde. Später stellt sich heraus, dass 150 Häuser zerstört wurden und die Ursache wohl Brandstiftung sei.

Einmal mehr werden Achatzi die eigenen Privilegien klar, aber auch der Sinn ihrer Reise. „Mich hat es sehr bewegt, wie viel Spenden über Weihnachten eintrafen. Viele meinten dabei, dass sie das Geld, was sie in diesen Tagen geschenkt bekommen hätten, nicht bräuchten. Das hilft den Kindern sehr, denen die familiäre Basis völlig fehlt. Jede und jeder braucht eine Familie“, sagt Achatzi. Auch deswegen habe sie sich für SOS-Kinderdörfer entschieden.

Auch interessant