Siegen/Bad Laasphe. Der Prozess am Landgericht Siegen geht weiter. Der Verteidiger regt inzwischen die Einstellung an, Kammer und Staatsanwältin sind jedoch dagegen.
Erwartungsgemäß hat die 1. Große Strafkammer am Mittwoch drei Anträge der Verteidigung im Laaspher Missbrauchsverfahren zurückgewiesen. Der vierte Antrag wird danach von Anwalt Dirk Löber auf Anregung des Gerichts für erledigt erklärt. Kaum überraschend ist die Sache damit aber nicht beendet. Der Verteidiger stellt seine vor einer Woche von einem Kollegen verlesenen Anträge nach einer längeren Pause noch einmal. Mit modifiziertem Wortlaut. Und regt später noch ein Rechtsgespräch an.
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Am 15. August hatte die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach bereits angedeutet, dass die Kammer keinen Bedarf habe, die beiden mutmaßlich geschädigten Nichten des Angeklagten auf ihre jeweilige Glaubwürdigkeit hin begutachten zu lassen. Das wird an diesem Mittwoch konkret ausgeführt. Beide Zeuginnen machten einen gefestigten Eindruck; die eine studiere, die andere habe einen normalen Beruf. Das vom Anwalt als möglich behauptete Übertragen von Parallelerleben auf seinen Mandanten gehe ausschließlich auf dessen Behauptung zurück, den verstorbenen Vater der Nichten bei einem sexuellen Übergriff zum Nachteil der Jüngeren ertappt zu haben. Das sei von ihm erst in diesem Verfahren vorgebracht worden. Weitere Anhaltspunkte dafür gebe es nicht.
Beweisstücke können schon einmal abhanden kommen
Ebenso weist das Gericht die erneute Vernehmung von Polizisten zu der Tatsache zurück, dass ein Konvolut von 30 Karten und Briefen der älteren Nichte im Wohnmobil des Angeklagten sichergestellt worden sei. Wenn einer der Beamten dies ausschließe, sei aus Sicht der Kammer davon auszugehen, dass die Kollegen keine weiteren Erkenntnisse hätten.
Briefe bekommen eine zentrale Rolle
Zentral ist die Behauptung des Anwalts, es habe ein Konvolut von insgesamt 30 Karten und Briefen der älteren Nichte gegeben, das im Wohnmobil des Angeklagten sichergestellt worden sein soll. Unklar ist aktuell, ob diese Beweisstücke verloren gegangen oder womöglich gar nicht vorhanden sind.
Für den Anwalt geht es um die Glaubwürdigkeit der älteren Nichte, die im Zeugenstand eindeutig behauptet habe, 2002 einen „Cut“ in der Beziehung zu ihrem Onkel vollzogen zu haben. Wer so etwas tue, schreibe nicht weiterhin regelmäßig und berichte dabei über intime Familienverhältnisse.
Gerade setzt Löber an, findet diese Unterstellung rechtsfehlerhaft. Ob diese beiden Beamten tatsächlich nichts wüssten, lasse sich nur durch eine Vernehmung klären. Das Gericht gibt diesem neuen Antrag statt und lädt die beiden für den späteren Nachmittag. Zugleich wird Löber darauf hingewiesen, dass sein Vorbringen letztlich unterstelle, die Polizei habe die nicht bei den Akten befindliche Korrespondenz unterschlagen. Das wolle er ausdrücklich nicht damit zum Ausdruck bringen, widerspricht der Lüdenscheider Anwalt. Jeder wisse aber, dass solche Beweisstücke schon einmal abhanden kommen könnten. Richterin Dreisbach und auch Staatsanwältin Katharina Burchert weisen hingegen auf die bereits verlesenen Schreiben hin, die zum Teil durchaus nach 2002 entstanden seien. Von einem endgültigen Abbruch aller Beziehungen habe die Zeugin aus ihrer Sicht nicht berichtet.
Berleburger Beamten sagen übereinstimmend aus
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Im Gegensatz zur Anklagevertreterin hält der Verteidiger auch eine nochmalige Vernehmung der Lebensgefährtin des Onkels für unerlässlich. Die hatte vor einigen Wochen berichtet, der Angeklagte habe von unangenehmen Vorfällen zwischen der jüngeren Nichte und deren Vater erzählt. Nunmehr soll diese Zeugin noch einmal unterstreichen, dies bereits vor der Anzeige gegen den Mandanten gewusst zu haben und auch, dass es ähnliche Dinge zu Lasten der anderen Nichte gegeben habe. „Ich weiß sehr wohl, dass es den Beweiswert schmälert“, geht Dirk Löber auf Zweifel ein, die den Wert einer solchen Nachvernehmung betreffen. Dennoch will er davon nicht ablassen, um zu beweisen, dass es keine völlig neuen Behauptungen des Angeklagten gewesen seien.
Die Anträge sollen am kommenden Montag beschieden werden. Am Nachmittag werden aber noch die Berleburger Beamten gehört, die das Wohnmobil nach der Verhaftung des Angeklagten in Hamburg durchsucht haben. Beide sagen übereinstimmend aus, kein Briefbündel oder einzelne Schriftstücke gefunden zu haben. Wobei sie sich ständig gegenseitig im Blick gehabt und alle relevanten Gegenstände gemeinsam begutachtet hätten. Danach kommt der Anwalt recht überraschend mit seinem Gesprächsangebot: „Ich bin einer, der redet.“
Noch ein Verbrechen? Oder schon ein Vergehen?
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Schon am Vormittag war von der Kammer die Einstellung einzelner Vorwürfe in Aussicht gestellt worden. Beim mutmaßlichen Vorfall auf Rhodos komme nach der zuletzt gehörten weniger konkreten Aussage der Nichte eine Verjährung in Betracht. Darauf Bezug nehmend, möchte Löber wissen, „ob wir uns noch im Verbrechen, oder schon im Vergehen befinden“, regt eine Einstellung des Verfahrens an. „Aus prozessökonomischen Gründen, ohne ein Zugeständnis zu machen“, schränkt er ein. „Wir sind immer zum Gespräch bereit“, entgegnet Elfriede Dreisbach. Darüber habe sich die Kammer aber noch keine Meinung gebildet. Eine Einstellung komme auch nicht in Betracht. Die Staatsanwältin schüttelt dazu heftig den Kopf.
Am Montag geht es also weiter, möglicherweise noch mit Anträgen. Ungeachtet dessen plant das Gericht aber mit den Plädoyers und dann auch dem Urteil.