Siegen/Bad Laasphe. Tag 3 im Prozess gegen einen 64-Jährigen, der seine Nichten missbraucht haben soll. Im Landgericht Siegen sagen Entlastungszeugen aus.
Tag Drei der Hauptverhandlung gegen einen 64-Jährigen, der in der Zeit von 1998 bis 2010 zwei seiner seinerzeit minderjährigen Nichten in insgesamt 56 Fällen missbraucht haben soll. Für die mutmaßlichen Opfer und deren Mutter ist er der gemeine Onkel, dessen bloße Anwesenheit schon für körperliches Unbehagen sorgt. Seine Lebensgefährtin und deren Kinder hingegen beschreiben ihn als guten Menschen mit positiver Ausstrahlung, „Vaterfigur und Vertrauensperson“.
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Verteidiger Dirk Löber zieht an diesem Mittwoch einmal mehr alle Register. Zunächst gibt er im Namen seines Mandanten eine Erklärung ab, stellt die Aussagen der bisherigen Zeugen komplett in Frage, respektive sieht dadurch die Anklage überhaupt nicht untermauert. Gerade die Einlassungen der jüngeren Nichte und deren Mutter hätten aus seiner Sicht keine vernünftige Eingrenzung der angeblichen Taten ermöglicht, sich zudem auch widersprochen. Während die Schwester des Angeklagten behaupte, dieser sei im angeblichen Tatzeitraum ständig in Bad Laasphe gewesen, im Sommer, im Herbst, zu Weihnachten und über Ostern, habe ihre Tochter die Anwesenheit des Onkels auf die Sommermonate beschränkt.
Konkrete Fragen des Anwalts
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Als er die auf seinen Antrag hin geladenen Zeugen vernimmt, wird der Anwalt sehr konkret. „Ist der Angeklagte Ihnen zu nahe gekommen? Hat er sich immer korrekt verhalten?“, will er von den Kindern der Lebensgefährtin seines Mandanten wissen. Der 24-jährige Sohn und die dreieinhalb Jahre jüngere Tochter verneinen dies energisch. „Es hat sich nichts geändert“, versichert die junge Frau auf die Frage des Gerichts, ob die Vorwürfe gegen den Mann Einfluss auf das Verhältnis zu ihm gehabt haben.
Er sei immer da gewesen, erinnern sich die beiden Zeugen an ihren „Ersatzvater“, mit dem sie stets über alle Probleme hätten sprechen können. „Das passt überhaupt nicht zu ihm“, hat vorher schon ihre Mutter erklärt. Die Kinder und sie seien geschockt und entsetzt gewesen, als ihnen der Angeklagte die Anklage berichtet habe, wenngleich es nie um Einzelheiten gegangen sei. „Wie eine Todesnachricht“, habe sie das empfunden, beschreibt die 52-Jährige, die den Angeklagten als Lebensgefährten und Teil ihrer Familie betrachtet.
2004 hätten sie sich in Spanien kennengelernt, seit Sommer 2005 lebe er regelmäßig über längere Zeiträume bei ihnen. In Bad Laasphe bei der Schwester sei er immer nur kurze Zeit gewesen, schon wegen des schwierigen Verhältnisses zu seinem Schwager. Die Beziehung ihres Lebensgefährten zu seinen Eltern sei nicht sehr eng gewesen, weil die anderen Schwestern dort im Haus gelebt und vor allem die Älteste ihn buchstäblich vergrault hätte.
Hörensagen
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Die Frau bestätigt die negativen Einschätzungen des Angeklagten zu dessen Verwandten, allerdings nahezu vollständig nur aufgrund seiner Erzählungen. Was sie aus eigener Anschauung beschreiben kann, ist die Fröhlichkeit, der Spaß, die Energie, die er in der Beziehung zu ihren Kindern eingebracht habe: „Deshalb kommt er auch so gut mit Kindern aus!“ Sie habe sich damals von ihrem Mann getrennt. Der Angeklagte sei ihr immer eine wichtige Stütze gewesen. Vor allem in den ersten vier Jahren der Beziehung sei er sehr oft bei ihnen gewesen. Was zur Genugtuung des Verteidigers eine ganze Reihe der Vorwürfe gegen seinen Mandanten praktisch unmöglich machen würde.
Ermittler belastet Angeklagten
Weiterer Prozessverlauf
Am heutigen Donnerstag wird die ältere Nichte des Angeklagten vernommen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
In der kommenden Woche wird der Prozess dann voraussichtlich mit den Plädoyers am Montag ab 9.30 Uhr und dann am Dienstag ab 9.30 Uhr mit der Urteilsverkündung und -begründung.
Der leitende Ermittlungsbeamte hält dagegen die Aussagen der mutmaßlichen Opfer und deren Mutter nach wie vor für glaubhaft. Die ältere Nichte habe ausführlich und selbstständig berichtet, ihre Schwester dagegen den Eindruck gemacht, sich noch nicht ernsthaft mit der Thematik auseinandergesetzt zu haben. „Sie hat Zettel geschrieben und uns gegeben und wohl gedacht, damit sei die Vernehmung zu Ende“, berichtet der Beamte. Die Zeugin habe nur widerwillig ausgesagt, wohl mit der ganzen Geschichte nichts zu tun haben wollen. Der Polizist fand es eigenartig, dass sich auf dem Tablet des Angeklagten neben Fotos der mutmaßlichen Opfer auch zahlreiche Werbebilder von Kindern in Badezeugen oder auch von Strampelanzügen gefunden hätten: „Wer als Erwachsener in einer Beziehung lebt, hat so etwas gewöhnlich nicht.“ Dazu kämen einige verdächtige Internetadressen.
Der Angeklagte wurde nach längerer Suche Mitte Oktober 2018 in Hamburg verhaftet. Wenige Wochen zuvor hat er einem alten Freund und Weggefährten vom Tod seiner Eltern und den folgenden Erbstreitigkeiten berichtet. Wie schon die Lebensgefährtin des Mannes bringt dieser Zeuge die Missbrauchsvorwürfe mit diesem Familienzwist in Verbindung. Der Angeklagte habe sich ausgegrenzt und von seinen Schwestern unfair behandelt gefühlt. Von irgendwelchen Neigungen zu jungen Mädchen und Kindern will der Mann bei seinem Freund nie etwas bemerkt haben. Trotzdem hat er mit dessen Lebensgefährtin nach der Verhaftung Kontakt aufgenommen, wie sie ihn einschätzt, „weil ich selbst eine siebenjährige Tochter habe, und er auch mit ihr allein war.“
Der gelernte Sozialpädagoge hat das Mädchen schließlich auch selbst vorsichtig gefragt, aber nichts Verdächtiges bei ihm gefunden, hatte den Angeklagten zeitweise auch bei sich aufgenommen. Jetzt lebt dieser wieder bei seiner Lebensgefährtin und ihrer Familie in Hessen, mit der er auch schon überlegt habe, alt zu werden, berichtet der Zeuge noch.