Erndtebrück. In einem Brief ans zuständige Ministerium in Düsseldorf hat Henning Gronau noch viele Fragen zum Entwurf des neuen Kommunalabgabengesetzes NRW.
„Ein großes Risiko für die Kommunen“ und weiterhin KAG-Beiträge für Anlieger in existenzbedrohenden Höhen – das bedeutet aus Sicht der Gemeinde Erndtebrück der Entwurf von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, zur Novellierung des Kommunalabgabengesetzes NRW. In einem Brief an die Ministerin stellt Erndtebrücks Bürgermeister Henning Gronau dazu eine Reihe von Fragen – und betont im Namen der Gemeinde einmal mehr, „dass wir eine Abschaffung der Straßenbaubeiträge für die nachhaltigere Lösung halten“. Nachfolgend der Brief des Bürgermeisters im Wortlaut.
„Sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach,
die Vorschläge zur Novellierung des KAG NRW seitens der Landesregierung haben einige Fragen aufgeworfen, die für die Gemeinde Erndtebrück relevant sind und um deren Beantwortung ich bitte.
Die neuen Beitragssätze
Gemäß der bisher veröffentlichten Eckdaten sind Kommunen zukünftig gehalten, statt der bisherigen Beitragssätze der Mustersatzung (z.B. Anliegerstraßen 50-80 %) eine neue Staffelung der Beitragssätze heranzuziehen, um das Förderprogramm nutzen zu können. Hierbei sieht die neue Staffelung einen Beitragssatz für Anliegerstraßen von 40 % vor. Erlauben Sie mir die Anmerkung, dass auch dieser Beitragssatz noch zu existenzbedrohenden Beitragshöhen führen kann.
Die Förderung des Einnahme-Ausfalls für die Kommunen
Unabhängig davon stellt sich für Kommunen jedoch die Frage, wie sich die Förderung des Einnahmeausfalls berechnet. Dies kann nach unserer Interpretation nur die Lücke zwischen 40 % (zukünftiger Beitragssatz) und 80 % (bisheriger Beitragshöchstsatz) sein. Wir bitten diesbezüglich um Ihre Bestätigung.
Der Zugriff auf die Fördermittel
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Zudem stellt sich die Frage, ob alle Städte und Gemeinden in NRW gleichermaßen berechtigt sind auf die in Aussicht gestellten Fördermittel zuzugreifen, oder ob es Anforderungen, z.B. an die jeweilige Haushaltssituation, geben wird?
Weiterhin schreiben Sie unter Buchstabe B e) des Gesetzentwurfes, dass die Auflegung des Förderprogramms von jährlich 65 Mio. € unter dem Vorbehalt des Beschlusses des Landtags steht. Was passiert mit der Förderung, wenn die Summe im Zuge der Beratungen über den Landeshaushalt 2020 oder zukünftige Haushalte nicht eingestellt wird? Auch hier bitten wir um eine Information.
Das Risiko der Kommunen bei der Vorfinanzierung
Die nun vorgeschlagene Lösung birgt ein großes Risiko für die Kommunen in sich, da diese die Maßnahmen bis zur Auszahlung der Förderung vorfinanzieren müssen. Daraus entsteht Zinsaufwand, der bei der weiteren Ausgestaltung der vorgeschlagenen Variante bedacht werden muss.
Zusätzlich wird die Gewährung voraussetzungsloser Ratenzahlungen von den Kommunen vorfinanziert werden müssen. Dies erhöht die Verschuldung der Kommunen bis zur vollständigen Rückzahlung.
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Viel entscheidender ist jedoch, dass eine Kommune bereits bei Beginn einer Maßnahme sicher sein muss, dass ein Antrag (gemäß Presseberichterstattung ist erst nach Abschluss der Maßnahme die Beantragung möglich) auch zum Erfolg führt.
Die Planungssicherheit
Dabei stellt sich insbesondere auch die Frage, wie die Landesregierung die Finanzierung sicherstellen wird, wenn mit der Abrechnung einer Maßnahme erst in der nächsten Legislaturperiode zu rechnen ist. Denn wenn die Kommunen nun ihre Ausbauprogramme aufstellen, anschließend die Bürger über mehrere Runden beteiligen bis ein zufriedenstellender Entwurf abgestimmt werden kann, eine Planung erstellt wurde und es schließlich zur Ausschreibung und Bauausführung der Maßnahme kommt, würde die Abrechnung vieler Maßnahmen zwangsläufig erst in der nächste Legislaturperiode erfolgen. Um Planungssicherheit zu haben, muss der Förderantrag unseres Erachtens daher vor Baubeginn gestellt und bewilligt werden.
Der begrenzte Fördertopf
Eine entscheidende Frage ist auch, was passiert, wenn die bereitgestellten Fördermittel in Höhe von 65 Mio. € vollständig abgerufen wurden, aber noch förderfähige Baumaßnahmen zur Abrechnung anstehen? Auch hier bitten wir um Information bezüglich Ihrer Planungen.
Anregung: Ausbau-Standards überdenken, um Anlieger-Kosten zu senken
Stichwort: Konnexitätsprinzip
Im Verhältnis der Länder zu ihren Kommunen (Gemeinden und Gemeindeverbänden) ist das Konnexitätsprinzip (teils auch „Konnexitätsgebot“ genannt) ein Rechtssatz, der gerichtlich durchsetzbare Ansprüche der Kommunen gegen die Länder begründet.
Wenn ein Land seinen Kommunen eine bestimmte Aufgabe überträgt (andere Formulierung: sie zur Wahrnehmung verpflichtet) und dies zu einer wesentlichen Mehrbelastung führt, muss das Land gleichzeitig für Ausgleich sorgen, indem es Bestimmungen über die Deckung der Kosten trifft oder selbst finanziellen Ausgleich zahlt. Kurz und populär wurde dies auch ausgedrückt: „Wer bestellt, soll bezahlen.“
Im Dialog mit den Anliegern wird für uns deutlich, dass der Umfang eines regelkonformen Vollausbaus oft nicht gewünscht wird. Neben den Beitragssätzen sind die Baukosten der wesentliche Faktor für die spätere Beitragshöhe. Wäre es daher nicht sinnvoll auch die Ausbaustandards zu überdenken, damit unnötige Kosten für die Anlieger gar nicht erst entstehen? Muss z.B. eine ländlich gelegene Anliegerstraße zwingend eine Straßenbeleuchtung erhalten, um den technischen Regelwerken zu entsprechen, selbst wenn es dort bisher keine oder nur einzelne Leuchten gab und die Anlieger auch keine Straßenbeleuchtung für notwendig halten?
Zur Kenntnis nehmen wir, dass der Gesetzentwurf so strukturiert ist, dass, nach Ihren Ausführungen, keine Konnexitätsrelevanz gegeben ist.
Erneuter Hinweis: Abschaffung der Beiträge nachhaltiger
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Unabhängig von diesen Fragen, die sich aus der angedachten Novellierung ergeben, möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass wir eine Abschaffung der Straßenbaubeiträge für die nachhaltigere Lösung halten.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und einen konstruktiven Dialog zu diesem Thema.
Ergänzend haben wir diesen Fragenkatalog auch der örtlichen Landtagsabgeordneten Anke Fuchs-Dreisbach zur Verfügung gestellt.“