Wittgenstein/Biedenkopf. Cathrin Jäkel aus Biedenkopf ist Ernährungscoach und unterstützt Menschen dabei, sich gesünder zu ernähren. Sie gibt Tipps, wie Abnehmen gelingt.
Die Abnehmindustrie ist ein Milliardengeschäft. Dabei ist die Formel – theoretisch – ganz einfach: Weniger Kalorien zu sich nehmen als man verbraucht. Das funktioniert am besten mit ausreichend Bewegung und einer gesunden Ernährung. Praktisch ist das oft aber nur schwer umsetzbar. Fehlende Motivation, über Jahre praktizierte Rituale und der innere Schweinehund kommen so gut wie immer dazwischen. Doch auch daran kann man arbeiten – mit Cathrin Jäkel zum Beispiel. Die gebürtige Berleburgerin ist zertifizierte Diätassistentin und bietet als Ernährungscoach Unterstützung, um ein gesundes Verhalten zum und mit dem Essen zu entwickeln. Sie erklärt, woran das langfristige Abnehmen scheitert und wie man Essensrituale durchbrechen kann.
Frau Jäkel, wie sieht ein normaler Essenstag bei Ihnen aus?
Cathrin Jäkel: Morgens esse ich eigentlich ein bis zwei Scheiben Vollkornbrot, entweder mit Kochschinken oder mit unser selbst gemachten Wildschwein-Wurst im Glas. Manchmal esse ich auch Käse, Camembert zum Beispiel, mit Erdbeermarmelade oben drauf. Wenn Käse, dann aber auf jeden Fall in der Vollfett-Variante, der fettreduzierte schmeckt mir nicht. Mittags essen wir dann oft Wildfleisch, beispielsweise Rehkeule, mit Bandnudeln und Salat. Oder auch ein vegetarisches Curry mit Gemüse. Abends esse ich nicht mehr so viel, vielleicht noch eine Scheibe Brot oder einen Joghurt. Und den ganzen Tag über snacke ich Obst.
Das hört sich sehr diszipliniert an. Waren Sie das schon immer beim Essen?
Nein, genetisch gesehen bin ich auch eher ein dicker Mensch. Als Teenager war ich sogar ziemlich mopsig und wurde gehänselt. Da habe ich zum ersten Mal angefangen, mich mit dem Thema Abnehmen zu beschäftigen. Zu der Zeit habe ich ganz viel Sport gemacht und nur wenig gegessen. Das ist dann fast ins Gegenteil umgeschlagen. Mit Anfang 20 bin ich das Abnehmen dann noch mal angegangen und war erfolgreicher. Da konnte ich auch schon das theoretische Wissen anwenden, das ich mir in meiner Ausbildung als Köchin und später an der Diätassistentenschule Birkelbach angeeignet habe. Ich kann verstehen, dass die Umstellung und das Durchhalten schwer sind. Abnehmen ist nichts für Ungeduldige.
Liegt das Problem nicht auch darin, dass wir uns manchmal gar nicht mehr bewusst sind, was wir alles über den Tag verteilt essen? Dass Essen einfach eine Gewohnheit ist?
Das stimmt. In jedem Büro stehen irgendwo Süßigkeiten oder Kekse und weil sie da stehen, greift man eben zu. Es ist eine doofe Gewohnheit. In solchen Fällen hilft es, ein Ernährungstagebuch zu führen. Und da wirklich alles ‘reinzuschreiben, was man am Tag gegessen und getrunken hat. Vom Milchkaffee morgens bis zum Bonbon zwischendurch. Das ist ein gutes Mittel, um sich darüber bewusst zu werden, was man tatsächlich zu sich genommen hat. Oft hat man nämlich nur die drei Mahlzeiten auf dem Schirm.
zur Person
Cathrin Jäkel ist 1967 in Bad Berleburg geboren, ist Mutter von vier Kindern und lebt mittlerweile mit ihrem Mann in Biedenkopf.
Vor ihrer Selbstständigkeit als Ernährungsberaterin war Jäkel auch drei Jahre als Lehrerin für Hauswirtschaftslehre an der damaligen Hauptschule in Bad Laasphe tätig und vier Jahre als Integrationshelferin an einer Grundschule.
Jäkel und ihr Mann sind beide Jäger. Derzeit bauen sie die Beratungspraxis aus, in der sie später auch ihren Wildhandel betreiben möchten. Auch Koch-Events sollen dann für Interessierte hier stattfinden.
Mehr Infos unter www.ernaehrungsberatung-jaekel.de, per E-Mail an welcome@ernaehrungsberatung-jaekel.de oder unter Tel. 0151/46529197.
Wenn man jetzt nicht umständlich Kalorien zählen will, wie kann man sich und sein Essverhalten am besten kontrollieren, damit man nicht zu viel zu sich nimmt?
Die Hand ist ein sehr gutes Maß. Was in eine Hand passt, entspricht einer Portion – und die ist bei jedem natürlich unterschiedlich groß. Die ausgestreckte Handfläche entspricht zum Beispiel der Größe eines Steaks, eine Portion Kartoffeln passt in meine Handkuhle. Wichtig ist: Langsam essen. Unser Gehirn braucht ein wenig Zeit, um zu verstehen, dass wir satt sind. Wenn das Sättigungsgefühl am Ende der Mahlzeit noch nicht eingesetzt hat, dann am besten noch mal 15 bis 20 Minuten warten. Wenn man sich an diese Portionsgrößen hält, ist man in der Regel dann nämlich wirklich satt.
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Es gibt Situationen, da hat man das Gefühl, man braucht jetzt etwas Süßes. Weil man sich vielleicht ärgert oder traurig ist. Wie geht man damit um?
Gegen ein Stück Schokolade spricht auch nichts. Es sollte aber eben nicht gleich die ganze Tafel Schokolade sein. Da sollte man sich schon mal hinterfragen, warum man das jetzt macht. Manche essen aus Frust oder um sich zu trösten. Man kann versuchen diese Rituale aufzubrechen, indem man Gegenrituale schafft. Wenn man sich zum Beispiel über etwas ärgert und automatisch zur Schokolade greift, kann man die Wut auch anders kanalisieren. Indem man beispielsweise an einem Stressball herumknetet. Wenn dieses Ritual „Essen bei Frust“ aber zu sehr in der Psyche festgesetzt ist, brauchen Menschen oft Hilfe, um die Gründe dafür aus ihrem Unterbewusstsein freizuschaufeln. Da setze ich dann mit meinem Ernährungscoaching an.
Sie bieten sowohl Ernährungsberatung als auch Ernährungscoaching an. Worin liegt da der Unterschied?
Bei der Beratung fragen wir vor allem nach dem „Was“: Was esse ich über den Tag verteilt? Was kann ich daran ändern? Bei dem Ernährungscoaching geht es vor allem um das „Warum“: Warum bin ich übergewichtig? Warum ist mein Essverhalten so? Dementsprechend ist ein Coaching zeitintensiver und viel persönlicher – oft fließen in diesen Stunden auch Tränen. Nicht selten erfährt der Übergewichtige auf dieser Suche sehr viel über sich selbst, alte Verletzungen werden sichtbar. Und die Tatsache, dass das alte Heilmittel – Essen – wegfallen soll, setzt Verlustängste frei. Einer Klientin von mir wurde dabei zum Beispiel bewusst, dass sie immer noch das kleine, dicke Kind in ihr füttert, das getröstet werden möchte. Aber dieses Kind gibt es eben nicht mehr.
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Werden die Kosten für eine Beratung bzw. ein Coaching von der Krankenkasse übernommen?
Um eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen zu können, stellt meist schon der Hausarzt eine Überweisung aus. Die kann ich mit den Krankenkassen abrechnen, so dass der Klient meist nur eine Selbstbeteiligung von etwa 20 Prozent hat, das variiert von Kasse zu Kasse. In der ersten Sitzung wird dann erst mal eine Anamnese – also eine Bestandsaufnahme – gemacht. In den drei bis vier Folgeterminen analysieren wir dann das Essverhalten und erstellen einen Ernährungsplan mit Beispiel-Rezepten.
Das Ernährungscoaching wird bis jetzt noch nicht von der Krankenkasse übernommen. Eine Sitzung kostet 60 Euro, die meisten Coachings dauern etwa ein Jahr. Hier erstelle ich detaillierte 14-Tage-Ernährungspläne mit Rezepten, Einkaufslisten, gehe auch mal mit den Kunden einkaufen oder koche mit ihnen zusammen.
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Wer nimmt Ihre Beratung bzw. Ihr Coaching in Anspruch? Sind es überwiegend Frauen oder Männer und in welchem Alter?
Es kommen deutlich mehr Frauen zu mir in die Praxis, ich würde sagen, das Verhältnis ist 80:20. Manchmal ist es aber auch so, dass die Männer der Frauen später miteinsteigen. Vielleicht weil sie merken, dass ich ihnen gar nichts verbieten möchte, auch nicht ihr Feierabend-Bier. Das kann man alles gut in den Plan integrieren.
Das Alter meiner Klienten reicht tatsächlich der Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit und Einführung der Beikost im Säuglingsalter, über die Pubertät bis ins hohe Alter. Es gibt auch noch 85-Jährige, die gerne etwas gesünder leben möchten, weil sie merken, dass sie abgebaut haben. Ich berate seit Kurzem aber auch junge Frauen mit Kinderwunsch. Häufig ist Übergewicht – das oft mit dem PCO-Syndrom (Der Körper bildet zu viele Eibläschen, so dass der Eisprung selten stattfindet, Anm. d. Red.) einhergeht – nämlich auch ein Grund, warum es mit der Schwangerschaft nicht klappt. Auf die Idee hat mich meine Tochter gebracht, dieses Thema auch in meine Beratung zu integrieren.
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Und wie kam Ihre Tochter darauf?
Meine Tochter ist 26 und hat selbst seit drei, vier Jahren den Wunsch, Mutter zu werden. Sie selbst hat mit Übergewicht und dem PCO-Syndrom zu kämpfen und hat viel recherchiert. Auf Instagram zeigte sie mir, wie viele junge Frauen davon betroffen sind. In meiner Beratung geht es erst mal um den Ist-Zustand: Was ist die derzeitige Ernährungssituation? Wo sind Fehler, welche Alternativen gibt es, wie ist der tatsächliche Energiebedarf? Mit Hilfe eines Ernährungsplanes, der die Zusammensetzung der wichtigsten Vitamine und Spurenelemente sowie die notwendige Energiemenge berücksichtigt, kann das Gewicht auf gesunde und ausgewogene Art reduziert werden. Damit wird die Chance auf eine Empfängnis deutlich erhöht. Die Frau kümmert sich um sich und ihren Körper, in dem ihr Baby heranwachsen wird. Wir nennen das „das Nest bereiten“. Ein Nest, in dem sich Mutter und Kind wohlfühlen.