Birkelbach. Thomas Kutschaty, Fraktionsvorsitzender der SPD NRW, besucht das CJD und lässt sich von Problemen der sozialen Einrichtung und Kinder berichten.
Er ist auf „Respekt-Tour“ und möchte mehr über die Menschen in NRW erfahren, die unverzichtbar für das Wohl der Bürger sind – deshalb machte Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion NRW und der SPD Essen, beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD) in Birkelbach Station, ließ sich die Einrichtung zeigen und machte Notiz von den Problemen, von denen Einrichtungsleiter Wolfgang Langenohl berichtete.
„Diese Einrichtung ist ein Paradebeispiel für solche Menschen, die ungemein wichtig sind und verdient Respekt“, sagt der SPD-Politiker am Dienstag in Birkelbach bei der Besichtigung. „Ich möchte die Arbeit und Probleme kennenlernen und schauen, wo die Politik noch Hilfestellung geben kann. Es ist unser hohes Ziel, Einrichtungen wie das CJD zu unterstützen und zu schauen wo der Schuh drückt“, fügt Kutschaty hinzu.
Und der Schuh drückt in der Tat, denn die Belegungssituation macht Wolfgang Langenohl Sorgen. „Der Bereich der stationären Betreuung von Kindern stagniert deutlich“, gibt der Einrichtungsleiter zu verstehen. „Wir haben mit Jugendämtern aus ganz Deutschland zu tun. Eine professionelle und hochqualitative ambulante Betreuung ist uns sehr wichtig“, sagt Langenohl. Gleichwohl nehme die Kindeswohlgefährdung gerade auch im Raum Wittgenstein derzeit zu – die Zahlen der stationären Aufnahmen spiegeln das jedoch nicht wider. Grund dafür sei die Maßgabe der deutschlandweiten Jugendämter, neue Fälle der Kindeswohlgefährdung zunächst immer erst einmal ambulant zu betreuen.
Nicht voll besetzte Gruppen von Auflösung bedroht
„Das wird definitiv so von den Jugendämtern so kommuniziert“, bestätigt Langenohls Stellvertreterin Isabell Ginsberg, die im CJD Birkelbach eine Traumagruppe, bestehend ausschließlich aus Jungs, betreut. Zuständig sind dabei Jugendämter deutschlandweit.
Die stationären Gruppen leiden zusätzlich unter der Maßgabe, denn wenn die nicht voll besetzt sind, besteht das Risiko der Auflösung, da dann die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. „Wenn eine Wohngruppe nur zu 50 Prozent belegt ist, muss ich sie schon fast schließen, weil sie sie nicht mehr rentiert“, erklärt Langenohl, denn der Träger trage sich nur durch Aufnahmen. „Es ist schon fast ein Kunstwerk, sich hier zu halten, während die stationären Aufnahmen zurück gehen“, betonte Langenohl.
Umstände ähneln sich meistens
Die Umstände, die die Kinder und Jugendlichen in die Betreuung bringen, ähneln sich fast immer, gibt Ginsberg auf Nachfrage von Kutschaty zu verstehen. „Es gibt auf jeden Fall eine Tendenz: Häusliche Gewalt, Drogen- und
Alkoholmissbrauch, Arbeitslosigkeit, Jugendkriminalität und auch oft schon eine Jugendhilfeerfahrung der Eltern, die in vielen Fällen jung sind – es sind häufig die sozial schwachen Elternhäuser“, erklärt Ginsberg.
Bis zu ihrem 18. Lebensjahr können die Jugendlichen, je nach Fall, in der Betreuung bleiben – in den Intensivgruppen seien Langzeitbewohner gar die Regel: „Die Jugendlichen werden hier groß. Ich habe in meiner Gruppe einen Jungen, der länger bei mir war als bei seiner Mutter.“
Jedoch sei mit 18 Jahren eine Grenze erreicht und die Jugendlichen müssten die Gruppe verlassen. Nur in Einzelfällen und je nach Bedarf könne auf maximal 21 Jahre erhöht werden.
Aus der Betreuung in ein Flüchtlingsheim
Auch dies führt für einige Bewohner zu Problemen, so berichtet Wolfgang Langenohl zum Beispiel von einem Flüchtling, der minderjährig aus dem Rheinland in die Einrichtung kam und mit Abschluss des 18. Lebensjahres nun das CJD verlassen und in einer Flüchtlingsunterkunft leben soll – so entschied das zuständige Jugendamt.
Das Heranwachsen ist auch mit einem anderen Problem behaftet – sobald die Jugendlichen anfangen, Geld zu verdienen, sei es bei einem Ferienjob oder durchs Zeitungen austragen, müssen sie 75 Prozent ihres Verdienstes an das Jugendamt abgeben. „Wie soll ich das pädagogisch vermitteln, wenn ich den Jungs in meiner Gruppe immer wieder sage, dass sie etwas tun müssen, wenn sie etwas erreichen wollen – und ihnen dann ein großer Teil des Geldes abgenommen wird, wenn sie etwas tun“, bemängelte Ginsberg die Situation.
Motivation wird „platt getreten“
„Das ist auch psychologisch völlig falsch, wenn ein junger Mensch etwas machen will und dann noch dafür bestraft wird“, schloss sich Karl Ludwig Völkel, ehemaliger Bürgermeister Erndtebrücks, der Kritik an.
Auch Henning Gronau, derzeitiger Bürgermeister, stieß in dieselbe Kerbe: „Man könnte das vielleicht so regeln, dass diese Menschen erst dann etwas abgeben, wenn sie im Leben stehen und mehr Geld verdienen. Wenn ihnen schon beim ersten Ferienjob das Geld abgenommen wird, dann wird ja schon das erste Pflänzchen der Motivation platt getreten.“
Fachkräftemangel begünstigt durch befristete Arbeitsverhältnisse
Demotiviert werden auch die Fachkräfte, die in der Betreuung zum Einsatz kommen, denn die Anzahl der Stellen sind an die Fallzahlen gekoppelt – Arbeitsverträge für Projektstellen sind daher befristet. „Da ist es dann ganz logisch, dass sie sich anderweitig umsehen und der erste unbefristete Job, der sich bietet, wird auch angenommen. Dadurch fehlt die Kontinuität in der Betreuung, die auch ein großer Faktor ist, um Vertrauen aufzubauen“, sieht Gronau den Grund für den Fachkräftemangel in der sozialpädagogischen Betreuung unter anderem in dieser Sache. Jedoch seien nicht alle Arbeitsplätze befristet
Problematisch sei laut Wolfgang Langenohl auch, dass Qualifikationen wie zum Beispiel die der Heilerziehungspfleger in NRW nicht anerkannt werden und deshalb solche Fachkräfte – „obwohl sie sofort bei uns arbeiten könnten“ – beim CJD Birkelbach nicht angestellt werden könnten. „Da gehen wir mal dran“, versprach Kutschaty und fügte hinzu: „Auch die Problematik mit den befristeten Arbeitsverträgen haben wir auf dem Schirm. Wir werden an dieser Stelle nicht locker lassen.“
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