Wittgenstein. . Aktuelle Abschusszahlen liegen klar hinter den Erwartungen. Experten vor Ort vermuten mehrere Gründe dafür – und fragen sich: Wo sind die Sauen?

Mit über 60.000 erlegten Stücken Schwarzwild ist in der vorigen Jagdsaison NRW-weit ein Rekord erzielt worden. Drohende Seuchen und Wildschäden sowie der Wegfall der Trichinen-Gebühr haben die Zahl der erlegten Wildschweine in die Höhe schnellen lassen. In der aktuellen Jagdsaison bleiben die Ergebnisse allerdings hinter den Erwartungen zurück. Haben Eber, Bache und ihre Frischlinge neue, sichere Dickungen gefunden, wenn zur Sau-Jagd geblasen wird?

Auch wenige Tiere schaden viel

Das glauben die Jäger nicht. Allen voran Henning Setzer, Chef der Unteren Jagdbehörde beim Kreis Siegen-Wittgenstein und selbst passionierter Waidmann. „Die mir bislang bekannten Zahlen weisen darauf hin, dass es eine deutliche Reduzierung der Strecke beim Schwarzwild gibt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir bei den Abschusszahlen hinterher liegen.“ Einen konkreten Grund für diese Tatsache sieht Setzer bislang nicht: „Einige schieben es auf den heißen Sommer – aber alle Vermutungen sind doch haltlos.“

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Fest stehe, dass das Rekordergebnis von 5700 Abschüssen im Jagdjahr 2017 in der laufenden Periode bis zum Stichtag 1. April 2019 nicht erreicht werde. Der Kreis-Dezernent bezweifelt sogar, „dass wir auf die 3000 kommen“. Was die von den Sauen angerichteten Schäden auf Feldern und Wiesen betrifft, weiß Setzer, dass die vom Wild umgepflügten Stellen unübersehbar sind. Aber, so sagt er: „Auch ganz wenige Sauen können so viel Schaden anrichten wie ein ganzes Dutzend.“ Die Tiere durch Kirrungen von den Weiden fernzuhalten, hält Henning Setzer aktuell für kein geeignetes Mittel. „Wir haben eine starke Eichen- und Buchenmast, da findet das Wild genug Nahrung.“

Trend bestätigt sich auch für Bad Laasphe

Der Bad Laaspher Hegeringsleiter Martin Kindig bestätigt den Trend für das südliche Wittgenstein. „Land auf Land ab höre ich, dass die Strecken-Ergebnisse der ganzen Drückjagden beim Schwarzwild absolut rückläufig sind.“ Kindig hat mehrere Beispiele parat: „In der Wildnis bei Heiligenborn, wo sonst 10 bis 20 Sauen erlegt werden, waren es diesmal drei. Bei unseren Jagden im Bereich Ditzrod haben wir sonst 40 bis 50 Sauen; bei der ersten Jagd waren es 28, bei der zweiten nur neun. Wir werden eine dritte Drückjagd machen müssen....“

Dirk Landsmann, Leiter Hegering Bad Berleburg, über erstaunlich niedrige Abschusszahlen: „Es ist irgendwie verhext.“
Dirk Landsmann, Leiter Hegering Bad Berleburg, über erstaunlich niedrige Abschusszahlen: „Es ist irgendwie verhext.“ © WP

„Es ist irgendwie verhext“, sagt der Bad Berleburger Hegeringsleiter Dirk Landsmann. „Was ich aus unseren Reihen von den bisherigen Drückjagden höre, sind die Abschusszahlen eindeutig hinter den Erwartungen. Wir fragen uns: Wo sind die Sauen?“ Landsmann verweist darauf, dass „sie sehr nachtaktiv sind und bis zu 40 Kilometer Strecke laufen können“.

Wildmeister Rath: Ein Ausnahmejahr

Die extreme Buchen- und Eichelmast habe dafür gesorgt, dass das Schwarzwild „nicht so viel unterwegs ist wie in den früheren Jahren“, glaubt der kommissarische Leiter des Erndtebrücker Hegerings, Karl-Friedrich Müller. Weil die Schäden da sind, die Sauen aber nicht, haben sich die Jäger aus Balde, Rinthe und Leimstruth zu Revier übergreifenden Drückjagden zusammengetan. Als „hochanständig von der Berleburger Rentkammer“ empfindet Müller einen Anruf aus dem Schloss: „Wir wollen von Müsse und Aue durchdrücken. Schließt euch an!“ Das haben sich die Waidmänner in Birkelbach nicht zweimal sagen lassen. Bei allen Bemühungen, die Zahl der Wildschweine – auch mit Blick auf die sich in Europa ausbreitende afrikanische Schweinepest – zu dezimieren, appelliert Karl-Friedrich Müller: „Die Jagd muss auch beim Schwarzwild waidmännisch bleiben.“

Das unterschreibt auch der Wildmeister Patrick Rath. Allerdings sieht er in Wittgenstein insgesamt „noch deutlichen Aufklärungsbedarf dafür, wie Gesellschaftsjagden revierübergreifend ge­staltet werden“. Was die Schwarzwild-Strecken der fürstlichen Jagden betrifft, nennt er keine Abschusszahlen, schätzt aber, dass „nur ein Drittel dem der großen Strecke des Vorjahres“ erlegt worden sei. „Wir haben ein Ausnahmejahr“. Es bleibe abzuwarten, so Rath, was die verbliebenen Tiere reproduzieren.

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