Hohenroth/Siegen-Wittgenstein. . Nach Stürmen und Trockenheit kommt jetzt eine Borkenkäferplage, prophezeit Diethard Altrogge. Forstwirte in Südwestfalen sind in großer Sorge.

Der Wald spielt für Südwestfalen eine große Rolle - für die Wirtschaft, den Naturschutz, aber auch im Tourismus und als Erholungsraum. Nachdem der Pfälzer Wald inzwischen durch eine Autobahn zerschnitten wird, ist Südwestfalen und speziell Siegen-Wittgenstein das größte unzerschnittene, zusammenhängende Waldgebiet in Deutschland. Wir haben mit dem Leiter des Regionalforstamtes Siegen-Wittgenstein, Dietha

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d Altrogge über den Wald als Wirtschaftsraum, seine große Bedeutung für den Klimaschutz oder die Gesundheit gesprochen. Erfahren haben wir aber auch von großen Gefahren, die dem Wald und dem Forst drohen und wie wir sie beseitigen könnten.

Viele Menschen lieben den Wald, er ist ein mystisch verklärter Ort oder eben auch ein Erholungsraum. Das zeigt uns der neueste Trend, des Waldbadens gerade sehr gut. Was halten Sie davon?

http://Unterwegs_auf_dem_Seelenpfad{esc#214525423}[news]Diethard Altrogge: Sehr viel. Wir wissen heute, dass 28 Prozent aller Erkrankungen, die zu einer Berufsunfähigkeit führen, psychischer Natur sind. Und wir wissen auch, dass die Farbe Grün eine beruhigenden und entspannende Wirkung auf den Menschen hat. Der Trend des Waldbadens kommt aus Japan zu uns. Und Wissenschaftler in Japan und Nordamerika haben auch herausgefunden, welche gesund machende Wirkungen Wälder auf den Menschen entfalten. Dabei ist zum Beispiel herausgekommen, dass Bäume Stoffe, sogenannte Phytonzide, produzieren. Diese regen im Körper die Bildung von sog. Killerzellen an, die kranke Zellen, insbesondere Krebszellen bekämpfen.

Der Leiter des Regionalforstamtes Siegen-Wittgenstein, Diethard Altrogge mit seiner Hündin Leila, in einer Naturwaldzelle nahe dem Forsthaus Hohenroth. Hier stehen Douglasien, Weißtanne, Fichte, Buche und Eberesche einträchtig neben einander. Das ist das Idealbild eines Forstes, der auch Klimaschwankungen, Trockenheit und Borkenkäfer trotzen kann.
Der Leiter des Regionalforstamtes Siegen-Wittgenstein, Diethard Altrogge mit seiner Hündin Leila, in einer Naturwaldzelle nahe dem Forsthaus Hohenroth. Hier stehen Douglasien, Weißtanne, Fichte, Buche und Eberesche einträchtig neben einander. Das ist das Idealbild eines Forstes, der auch Klimaschwankungen, Trockenheit und Borkenkäfer trotzen kann. © Lars-Peter Dickel

Die meisten unserer Waldflächen sind von Menschen gemacht und forstwirtschaftlichen Ursprungs. Ist da Naturschutz nicht ein klassischer Gegensatz zur Waldnutzung?

Naturschutz und Forstwirtschaft schließen sich nur auf den ersten Blick aus. Das erkennt man ja schon daran, dass das Wort Wald weich klingt und das Wort Forst scharf. Aber ganz im Ernst: In jedem Wirtschaftswald gibt es auch Flächen, auf denen wir Naturschutz betreiben oder sogar den Wald sich selbst überlassen. Allein im Bereich des Regionalforstamtes Siegen-Wittgenstein sind das 20 Prozent der gesamten Waldfläche, also ein Fünftel. Das sind Naturschutzflächen, FFH-Gebiete oder Wildnisbereiche.

Der Wald ist für uns Menschen auch aus ökologischer Sicht wichtig. Haben naturbelassene Wälder eine stärkere Wirkung auf die CO2-Bilanz als ein Wirtschaftswald?

Ganz klar: Nein! Wenn ein Baum wächst, speichert er Kohlendioxid. Wenn er dann in der Natur stirbt und verrottet, wird dieses CO2 wieder frei. Anders ist dies bei Holz aus einem forstwirtschaftlich genutzten Wald, das zum Beispiel zu Möbeln verarbeitet wird. Hier bleibt die Speicherwirkung des Holzes erhalten.

Es kommt sogar noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: NRW ist ein Holz-Importland. Für jeden Hektar Wald, den wir hier unter Schutz stellen oder Stilllegen, wird an anderer Stelle das 20-Fache abgeholzt. Außerdem ist Holz ein wichtiger Werkstoff, der andere, schädlichere Materialen wie Aluminium oder Kunststoffe ersetzen kann. Damit trägt ein Wirtschaftswald auch zur Verbesserung der CO2-Bilanz und zum Umweltschutz bei.

http://Forstamt-_Siegerländer_Wälder_vor_Wildschäden_schützen{esc#215215577}[news]Ein ähnlich gegensätzlich klingendes Begriffspaar wie Wald und Naturschutz bilden Jagd und Naturschutz. Wie kann man Jagd und Naturschutz unter einen Hut bringen?

Viele Jäger sind auch Naturschützer. Ich selbst und viele meiner Kollegen und Kolleginnen sind auch begeisterte Jäger. Allerdings hat die Jagd selbst nichts mit Naturschutz zu tun. Es gibt vor dem Hintergrund des im Grundgesetz und Tierschutzgesetz verankerten Tierschutzes auch nur drei Gründe, warum ein Tier ohne vernünftigen Grund getötet werden darf: weil es krank ist, zur Nahrungsbeschaffung und für das Gleichgewicht und Wohl der Lebensgemeinschaften im Wald und in der Landwirtschaft. Die im Forstamt teilweise unverantwortlich überhöhten Wildbestände dienen allein der Jagd und einem immer noch völlig übertriebenen Trophäenkult!

Das Gegenbild eines idealen Forstes: Ein Fichtenbestand, der durch mangelnde Durchforstung und vor allem durch Schälschäden wegen eines zu großen Rotwildbestandes massiv geschädigt ist. Die geschälten Bäume können die Schadstellen nicht mehr überwallen, werden krank und stürzen um.
Das Gegenbild eines idealen Forstes: Ein Fichtenbestand, der durch mangelnde Durchforstung und vor allem durch Schälschäden wegen eines zu großen Rotwildbestandes massiv geschädigt ist. Die geschälten Bäume können die Schadstellen nicht mehr überwallen, werden krank und stürzen um. © Lars-Peter Dickel

Wald und Wild gehören landläufig zusammen. Dennoch gibt es auch hier Spannungsfelder. Wie erklären Sie den Grundsatz Wald vor Wild?

Wald und Wild gehören zusammen! Die Frage ist, wann ist das Verhältnis ausgewogen? Wenn es zu viel Wild gibt, schadet es dem Wald. Allein im Bereich des Forstamtes sorgt eine stellenweise zu starke Rotwilddichte jährlich für 1,5 bis 2 Millionen Euro Schäl- und Verbissschäden, ohne die Schäden durch Entmischung der Wälder oder deren Destabilisierung mit einzurechnen. Deshalb ist es wichtig, die Bestände zu regulieren. Dabei kommt es auch auf eine Bejagung an, die das Wild nicht ständig stresst und in den Wald zurückdrängt, weil nämlich dann genau dort die Schäden entstehen.

Die Stürme des Winters und des Frühjahrs aber auch die Trockenheit und die Schäden durch Borkenkäfer sorgen bei Förstern und Waldbesitzern für Probleme. Wie können sie auf diese Folgen des Klimawandels einstellen?

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Das eine sind die großen Trockenheitsschäden in den Fichtenbeständen und das andere eine bereits laufende und noch bevorstehende Borkenkäfer-Kalamität, wie es sie in einem solchen Ausmaß zuletzt 1948 gegeben hat. Wir haben nach dem Sturm Friederike immer noch viel nicht aufgearbeitetes Holz in den Wäldern liegen. Die Sägewerke haben aber gerade ihre Lager voll und viel zu tun. Und das, was 2007 nach Kyrill wegen des Regens und der Kälte noch funktioniert hat, gelingt wegen der Trockenheit und Hitze nicht mehr. Damals hatten wir die Bäume noch an der Wurzel im Wald liegen gelassen, sie blieben vital.

Und jetzt kommt der Käfer...

http://Häufiger_Stürme_und_Trockenheit{esc#215169345}[infobox]Ja. Es gibt bereits Prognosen aus dem Harz und auch Ostwestfalen, die sagen, wir werden große fichtenfreie Flächen bekommen .

Welche Baumarten werden vor dem Hintergrund dieser Wetterphänomene wichtiger als künftiger Brotbaum der Waldbauern?

Wir sollten nicht mehr auf die Fichte im Reinbestand setzten! Nach wie vor Ja zur Fichte, Aber in Mischung mit Weißtanne, Douglasie, Edelkastanie, Birke oder Eberesche könnten das sein. Außerdem ist es wichtig, dem Wald eine andere Struktur zu geben, weg von den Monokulturen. Dann ist er weniger anfällig für Stürme oder den Borkenkäfer und er ist bewirtschaftet auch artenreicher. Aber um das zu erreichen, müssen vielerorts die Wildbestände radikal abgesenkt werden.

http://Trockenheit_führt_zu_Ernteausfällen_in_Siegen-Wittgenstein{esc#214813545}[news]Neben der Nutzung durch Forstwirte und Jäger ist der Wald auch ein wichtiger Erholungsraum. Aber Wanderer oder Mountainbiker, die nicht auf den Wegen bleiben und Müll bergen ein großes Konfliktpotenzial. Wie können Sie diesen Interessenausgleich zwischen Tourismus und Waldbesitzern moderieren?

Dieser Konflikt wird sich in Zukunft noch zuspitzen. Dafür gibt es nur eine Lösung: Waldbesitzer, Förster, Jäger, Mountainbiker und Wanderer müssen miteinander sprechen. Das Miteinander kann nur funktionieren, wenn Wanderer und Fahrradfahrer informiert sind. Die Freizeitnutzung muss auf bestimmten wegen kanalisiert werden.