Siegen/Bad Berleburg. . Anklagevertreter Moritz Faßbender hält den Mann dreimal der gefährlichen Körperverletzung für schuldig.
Der Berleburger, der am 25. Januar 2017 und am Karfreitag vor einem Jahr völlig ausrastete, im ersten Fall eine Frau verprügelte und sich dann mit zwei Bekannten schlug, hat sich nach Überzeugung von Staatsanwalt Moritz Faßbender dreimal der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Dazu kommt eine Nötigung, weil die schwer verletzte Frau es hinnehmen musste, dass der Angeklagte ihren Fernseher als Pfand mitnahm. Anlass dafür war allerdings eine rechtmäßige Forderung aufgrund alter Schulden, der den weiteren Vorwurf des Raubes entfallen ließ. Insgesamt fordert Faßbender fünf Jahre Gefängnis sowie die Einweisung in eine Drogenentziehungseinrichtung für zwei Jahre.
Eindeutiges Gutachten
Nach dem Gutachten des Psychiaters Dr. Thomas Schlömer leidet der Angeklagte unter einer gemischten Persönlichkeitsstörung aus dem paranoiden und emotionalen Bereich, die durch seine Alkohol- und Drogensucht verstärkt wird und dringend behandelt werden muss. Der Wittgensteiner werde immer dann aggressiv, wenn er zu viel getrunken habe und möglicherweise noch zusätzlich unter Drogen stehe. Daraus resultiert für den Sachverständigen auch eine eingeschränkte Schuldfähigkeit zu den Tatzeiten, denen immer Konsum voranging, die der Staatsanwalt allerdings nicht als Strafminderungsgrund gelten lassen will. Aufgrund der Schwere der Taten, der völligen Nichtigkeit der Anlässe, etwa beim zweiten Vorfall die harmlose SMS mit dem Inhalt „Na, Du Hirsch“, und der Häufung der belastenden Merkmale, komme die Minderung für ihn nicht in Betracht.
Der Angeklagte habe jeweils behauptet, sich eigentlich nur gewehrt zu haben und bezüglich der ersten Tat nur wenige Schläge zugegeben. Tatsächlich aber sei der schwere Beckenbruch des Opfers für ihn nur durch Tritte zu erklären. Außerdem besagten die Aussagen der Frau und eines Zeugen etwas anderes. Im zweiten Fall habe der Angeklagte ein Plastikrohr als verdeckte Waffe mitgenommen und einem der Männer viermal damit an den Kopf geschlagen. Da sei nur dem Glück zu danken, dass es nicht zu schlimmeren Folgen gekommen sei. Ein am Freitagmorgen abgespieltes und von Dolmetscherin Helena Hammer übersetztes Telefongespräch zwischen dem Angeklagten und einem der anderen Männer habe zudem klar nachgewiesen, wer der Aggressor gewesen sei, fasst der Staatsanwalt zusammen.
Verteidiger Andreas Trode sieht die Prügelei der drei Männer am Karfreitag 2017 als einen Vorfall, nicht als zwei gefährliche Körperverletzungen, wie sein Vorredner. Das sei eine richtige Schlägerei gewesen, in der sein Mandant das Gefühl gehabt habe, sich gegen zwei Männer wehren zu müssen. Dabei könne von unterschiedlichen Vorsätzen keine Rede sein. Die drei hätten sich letztlich gegenseitig „irgendwelche Dinge angetan, die wir Juristen dann als gefährliche Körperverletzung bezeichnen“. Immerhin habe der Angeklagte von einem „Schlag auf die Schulter“ eines seiner Gegner auch gleich eine Schädelverletzung davongetragen, gibt Trode zu bedenken.
Verteidiger zweifelt Gutachten an
Ob der Beckenbruch der Frau im Januar tatsächlich auf einen Tritt zurückgehe, lasse sich seiner Ansicht nach nicht so genau festmachen. Trotzdem sei der Mandant natürlich verantwortlich. Von einer Nötigung will Trode aber nichts wissen. Gar nicht konform geht der Verteidiger vor allem mit der Weigerung Faßbenders, die Mindeststrafe trotz eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht zu senken. Die für so etwas geltenden Voraussetzungen besonderer Schuld seien hier nicht gegeben. Der Iserlohner Anwalt kommt danach auf zweimal gefährliche Körperverletzung, vier Jahre Haft und ebenfalls die Zwangsentziehungskur, wenngleich er Zweifel an der Diagnose des Psychiaters deutlich macht. Er sehe allenfalls Persönlichkeitsakzentuierungen, aber noch keine krankhafte Störung bei seinem Mandanten.
Urteilsverkündung am Mittwoch
Der Angeklagte selbst, der am Morgen noch die Umstände seiner langen und gewalttätigen Trennung von seiner Frau geschildert hat (davor gab es nicht eine Verurteilung), die auch dazu führte, dass er seine Tochter nicht sehen darf, entschuldigt sich im letzten Wort. „Ich schäme mich für alles, was wir hier hören mussten“, sagt er, nicht zuletzt in Richtung seiner Eltern. Die hätten ihn wohl besser strenger erziehen sollen, findet er und sieht auch die bisher gegen ihn erlassenen Strafen als zu lasch. Der Mann nimmt inzwischen in der Haft an einem Anti-Aggressions-Training teil. „Ich bin jetzt über 40 Jahre alt und möchte ein anderes Leben“, hat er vorher schon bekannt. „Ich glaube, dass wäre uns allen ganz recht“, antwortet Richterin Elfriede Dreisbach, die das Urteil am kommenden Mittwoch verkünden will.