Erndtebrück. Die Gemeinde will die Wohnstraße „Oberdorf“ im Kernort 2018 ausbauen. Zu teuer, sagen die Anlieger – sie planen den Kauf und eine Sanierung

Anwohner im „Oberdorf“ im Erndtebrücker Kern­ort meinen es offenbar wirklich ernst: Wenn die Gemeindeverwaltung mitspielt, wollen sie wie im Gesellschaftsspiel „Monopoly“ ihre Straße kaufen – und dann in Eigenregie sanieren. Das sei allemal günstiger, als sich über Anlieger-Beiträge am geplanten Ausbau zu beteiligen.

So rechnen die Anwohner

„Ich mache da keine Scherze“, sagt der Erndtebrücker Unternehmer Michael Schnell (42), der gleich zwei Grundstücke am „Oberdorf“ besitzt. Und zur Not „würde ich die Straße auch alleine kaufen“. Bei veranschlagten Baukosten, die sich nach Angaben der Gemeindeverwaltung inzwischen auf rund 82 000 statt der bisher genannten 75 000 Euro summierten, hat er für sich einen Beitrag von rund 20 000 Euro ausgerechnet. Denn die Straße ist mit insgesamt fünf Anliegern eher kurz, der Beitragsaufwand für die einzelnen Grundstückseigentümer also eher hoch. 65 Prozent der Baukosten will sich die Gemeinde über das Kommunalabgabengesetz (KAG) von den Anliegern zurückholen. Üblich in Erndtebrück für den Ausbau von Wohnstraßen.

Eine politische Entscheidung

Eine Fläche verkaufen – das könne eine Stadt oder Gemeinde zivilrechtlich im Grunde immer, sagt Jurist Frank Henk, in der Bad Berleburger Rechtsanwaltspraxis Beitzel Meister Bald Henk auch für Verwaltungsrecht zuständig. „Die Frage aber ist, ob sie das darf, ob sie öffentliches Eigentum entwidmen kann“. Hier komme kommunales Haushaltsrecht ins Spiel. Vor allem aber der Gemeinderat, denn: „In meinen Augen ist das in erster Linie eine politische Entscheidung.“

Preis finden über Bodenrichtwerte

Wer legt den Preis für so eine Straße fest? „Den Preis bestimmen würden Angebot und Nachfrage“, meint Henk. Und für unbebaute Grundstücke gebe es ja auch ganz konkrete Bodenrichtwerte – „da müsste man einen Preis finden“.

Auf die Anlieger als Käufer dagegen sieht der Jurist „eine Reihe von Folge-Problemen“ zukommen. So müssten die Anwohner wohl eine Gesellschaft gründen, um die Straße als gemeinschaftlich genutztes Eigentum zu verwalten, bis hin zum Winterdienst.

Stichwort Leitungsrechte

Und zum Beispiel die Ver- und Entsorger absichern, „die ihre Leitungen da durchgelegt haben“ – Stichwort Leitungsrechte. „Also, generell machbar wär’s“, lautet Henks Fazit. Er warnt allerdings vor den entstehenden Folge-Kosten für die laufende Unterhaltung – eine Frage, die sich immer stelle, wenn einer Mehrzahl von Personen gemeinsam etwas gehöre.

Aber „dann kann man die Straße ja auch gleich den Anliegern verkaufen“, meint Schnell. Der Handwerker geht bei einer Länge von 50 Metern Fahrbahn mit einer Breite von drei bis 3,50 Metern Breite von rund 200 Quadratmetern Fläche aus. Und von einem aktuellen Bauland-Preis vor Ort von 70 Euro pro Quadratmeter. Macht unterm Strich 14 000 Euro, die zumindest Schnell als Kaufsumme zu zahlen bereit wäre.

Ein Hintergedanke

Im Grunde gehe es ihm ja um jene 45 Prozent KAG-Beitrag für das „Oberdorf“, wie es jetzt für den Kombi-Ausbau 2018 von Weiherstraße und Talstraße vorgesehen sei, bekennt Schnell – obwohl zumindest erstere ja auch nur eine Wohnstraße und keine Durchgangsstraße sei. Hintergrund: Politik und Verwaltung möchten den Anwohnern entgegenkommen, weil beide Straßen vor einiger Zeit als Umleitungsstrecke viel Lkw-Verkehr aufnehmen mussten – mit gravierenden Folgen für den Fahrbahn-Belag. Und: Die Straße „Backes Ecke“ sei genauso alt wie das „Oberdorf“, sagt Schnell. Warum werde da nicht ausgebaut, fragt er sich, sondern nur punktuell saniert? Reiche die Sanierung nicht auch fürs „Oberdorf“?

Bedingungen für den Kauf

Um „die eingetragene Baulast auf der Fläche“ des „Oberdorfes“ müsse sich die Gemeinde allerdings vor dem Verkauf kümmern, so Schnell. Ebenso um die Versorgungsleitungen, die hier verlegt und ebenfalls erneuerungsbedürftig seien. Das alles mindere natürlich den Wert des Grundstücks. Die rund 23 000 Euro Kosten für die reine Erneuerung der Leitungen überlasse er gerne der Gemeinde, die dazu ohnehin verpflichtet sei. Außerdem müsse es im Kaufvertrag einen Passus geben, findet Schnell, dass deren Unterhaltung auch weiterhin bei der Gemeinde liege, ebenso der Winterdienst.

Die weitere Unterhaltung

Ansonsten: „Eigentum verpflichtet“, ist sich der Unternehmer bewusst, dass die Anwohner nach einem Kauf auch für die weitere Unterhaltung ihrer neuen Privatstraße verantwortlich wären. Dann müsse man für die Verwaltung der Straßenfläche wohl eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gründen und für Anwohner, die nicht mitkaufen wollen, Wegerechte festlegen.

Kanalisation? Gebe es unter der Straße ohnehin nicht, so Schnell. Vielmehr fließe das Abwasser der Privatgrundstücke über Pulverwaldstraße und Bergstraße ab.

Ausgebaute Bürgersteige? Im „Oberdorf“ ebenfalls Fehlanzeige. Und die Anwohner wollten sie auch gar nicht, sagt Schnell – sondern ihre Flächen entlang der Fahrbahn lieber in ihrem Privatbesitz behalten. Platz für Bürgersteige, wie beim Ausbau vorgesehen, gibt es laut Schnell also gar nicht.

Ideen für die Sanierung

Und wie sähe schließlich die „Sanierung“ in Eigenregie der Anwohner aus? 14 000 Euro Kaufpreis plus notwendige Notar-Kosten für die Formalitäten zur Übernahme – da müsse man natürlich noch etwa 10 000 Euro für die Sanierung hinzurechnen, meint Schnell. Fürs Abfräsen der schadhaften Fahrbahndecke und eine neue Asphaltschicht. Fertig.

Was Schnell als Anwohner nervt: Das „Oberdorf“ sei bei Autofahrern als Abkürzung zwischen Pulverwald- und Bergstraße beliebt – nicht zuletzt, um dem Durchgangsverkehr auf der B 62 mit seinen beiden Kreiseln im Kernort zu entgehen. Werde die Wohnstraße jedoch privatisiert, „könnten wir Anlieger die Straße theoretisch auch zumachen“. Doch soweit müsse es ja nicht kommen.

Reaktion aus dem Rathaus

Die Verwaltung werde das Kauf-Interesse der Anlieger jetzt erst einmal intern prüfen, sagt Bürgermeister Henning Gronau. Mit ersten Ergebnissen wolle die Gemeinde dann auf die betreffenden Anlieger zukommen. Das werde sicherlich dauern, schätzt Unternehmer Schnell. Und ein denkbares Resultat hat er auch schon vor Augen: „Ich schätze nicht, dass man sich im Rathaus auf einen Verkauf einlässt.“ Denn dann würde sich auch die Verkehrsbelastung schnell verlagern – vom „Oberdorf“ hinüber zum Kirchplatz.