Wittgenstein/Sauerland. Für den Wisent-Verein gilt der Unfall am Montagabend als Wildunfall. Doch die Entscheidung ob herrenlos oder nicht trifft der Bundesgerichtshof.

Nach dem Unfall mit einem Wisent auf der Almert am Montagabend bezieht der Wisent-Verein Stellung: „Wir sind erleichtert, dass es zu keinen Verletzungen und größeren Schäden gekommen ist“, sagt Klaus Brenner vom Wisent-Vorstand. Dieser hat in der Zwischenzeit Kontakt mit seinem Versicherungsunternehmen aufgenommen und den Schaden gemeldet. Der Verein hat entsprechend des öffentlich-rechtlichen Vertrags seinerzeit eine Versicherung als Tierhalter abgeschlossen.

Auch interessant

picture-169004016.jpg
Von Lars-Peter Dickel und Ute Tolksdorf

Unabhängig davon ist der Verein heute der Auffassung, dass es sich bei den freilebenden Wisenten inzwischen um herrenlose Tiere handelt. Dieser Punkt ist jedoch rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Der Streit beschäftigt derzeit den Bundesgerichtshof. Freilebende Wisente sind in Westeuropa einzigartig.

Besucher zeigen sich zum Teil respektlos gegenüber den Wildtieren

In den vergangenen Tagen haben sich die frei lebenden Wisente wiederholt im Bereich „Auf der Almert“ in Schmallenberg aufgehalten. Dort habe der Wisent-Verein beobachtet, dass Besucher, Wanderer und Schaulustige ein Verhalten an den Tag legen, „dass Wildtieren gegenüber höchst unangemessen ist und dem Projekt insgesamt schaden kann“, so die offizielle Stellungnahme in einer Pressemitteilung.

So sind Menschen beispielsweise dabei gesehen worden, wie sie einen Schneemann zwischen wilden Wisenten errichten, wie Fotos mit der Herde aufgenommen werden und sogar versucht worden ist, die Tiere mit Brötchen anzulocken. Außerdem sollen Schaulustige auch gefragt haben, ob die Kinder die Wisente nicht einmal streicheln können. Das bestätigt die Vermutung des Trägervereins: Menschen halten keinen Abstand zu den Wisenten und beunruhigten die grundsätzlich scheuen Tiere durch ihre Annäherungsversuche. Der Wisent-Verein appelliert deshalb an die Besucher, Respekt gegenüber den Wisenten zu zeigen.

Abstand_Wisente-01.jpg

Außerdem sei es verantwortungslos, das Privatgelände der Landwirte ohne Befugnis zu betreten – auch darum wird es heute bei einer Pressekonferenz „Auf der Almert“ gehen, zu dem der Landwirtschaftliche Kreisverband Hochsauerland kurzfristig eingeladen hat. „Wir sind der festen Überzeugung, dass auch große Wildtiere wie der Wisent, ihren Platz in unserer Landschaft haben. Dazu gehören aber eine entsprechende Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, die Eigenheiten der Tiere zu akzeptieren. Dann kann das Miteinander von Wisent und Mensch gelingen“, sagt Klaus Brenner.

Der Wisent-Verein möchte im Bereich „Auf der Almert“ Infoschilder anbringen, die ausdrücklich darauf hinweisen: „Mindestens 50 Meter Abstand.“ Dabei hofft der Verein auf die unbürokratische Mithilfe aller Beteiligten und die Genehmigung der Grundeigentümer.

Herde schützt schwächere Tiere

Kaja Heising
Kaja Heising © Wisentprojekt

Kaja Heising, Wissenschaftliche Koordinatorin des Wisent-Projektes erklärt: „Wisente sind Fluchttiere. Sie zeigen aber ein anderes Fluchtverhalten als das, was wir zum Beispiel von Rehen gewöhnt sind. Auf Grund seiner Körpermasse, ist es für den Wisent zu energieaufwendig, bei jedem Anzeichen für Gefahr sofort die Flucht zu ergreifen. Darum wägen Wisente bei Störungen erst ab, ob sie vor einer potenziellen Gefahrenquelle ausweichen müssen.

Dazu stellt sich die Herde in einer Wagenburg auf: Dabei rücken die Tiere eng zusammen: Die Kleinen und Schwachen kommen in die Mitte oder nach hinten, während die Stärkeren außen oder vorne stehen, um ankommende Gefahren gegebenenfalls abwehren zu können. Wegen dieses natürlichen Verhaltens wird der Wisent fälschlicherweise oft als nicht scheu eingeschätzt. Wenn aber sogar diese selbst gebaute Schutzmauer nicht hilft, dann flieht auch ein Wisent trotz seines schweren Gewichtes.“