Wingeshausen. . Frauen und Männer in ihrer Branche sind aktuell sehr gefragt. Sie begleiten die Bürger und Verwaltungen in Städten und Dörfer auf dem Weg in die Zukunft.
Frauen und Männer in ihrer Branche sind aktuell sehr gefragt. Sie begleiten die Bürger und Verwaltungen in Städten und Dörfer auf dem Weg in die Zukunft und helfen bei Konzepten, die die Geldtöpfe in Brüssel, Berlin oder Düsseldorf öffnen. Sie kennen sich mit den inzwischen überall auftauchenden Abkürzungen IKEK, Leader und Co. aus. Vera Lauber ist Raumplanerin. Wir wollen von der in Wingeshausen lebenden Diplom Ingenieurin wissen, was sich hinter diesem Berufsbild verbirgt, was ein Dorf attraktiv macht und warum sie, anders als so viele Akademiker, nach dem Studium zurückgekommen ist.
Frau Lauber, wie sind sie eigentlich Raumplanerin geworden?
Vera Lauber: Ich habe Raumplanung in Dortmund studiert. Als ich studiert habe war das noch ein Ingenieurstudiengang an der Universität, heute kann man an der TU Dortmund einen Bachelor und Master abschließen. Damals nach der Schule suchte ich eine Schnittstelle zwischen Architektur, Umweltschutz und meiner kreativen Ader. Durch eine Freundin aus meiner Kindergartenzeit kam ich auf Raumplanung. Ein Glücksfall.
Sie sind selbstständig, Ihre eigene Chefin, und im Moment boomt die Raumplaner-Branche. Wie halten Sie die Balance zwischen Leben und Arbeiten?
Das ist manchmal gar nicht so einfach. Besonders der Start in die Selbstständigkeit war eine große Herausforderung und leider ist einiges dabei auf der Strecke geblieben. Nach dem Leader-Hype 2014/2015 habe ich mich ganz bewusst wieder mehr meinem Privatleben und meiner Gesundheit zugewendet. Heute nutze ich jede Freiheit, die mir meine Selbständigkeit bietet. Ich kann überwiegend arbeiten wann und wo und mit wem ich möchte – außer natürlich, wenn es Termine in den Dörfern, Städten und Regionen gibt. Diese Selbstbestimmtheit motiviert mich sehr.
Sie haben ein weiteres Standbein als LandArt-Künstlerin. Wo treffen sich Ihre beiden Berufe?
Das stimmt. LandArt ist seit Jahren meine Leidenschaft und mein Ausgleich. Draußen sein in der Natur und gleichzeitig der eigenen Kreativität und Intuition freien Lauf zu lassen, ist ein erfrischender Kontrast zu manchen Formalitäten in der Planerwelt. Und doch gibt es einige Schnittmengen. Für mich sind Planung und Kunst immer ein Prozess, der mit dem Menschen zu tun hat. Man beginnt mit einer Idee, die sich beim „Schaffen“ weiterentwickelt. Arbeitet man in einer Gruppe zusammen, bereichern sich die gegenseitigen Impulse.
Viele junge Akademiker kehren nach dem Studium eben nicht in ihre Heimat zurück. Was hat Sie nach Wittgenstein zurück gelockt?
Durch die Selbständigkeit bin ich jetzt räumlich viel flexibler. Dazu kommt, dass Raumplanung auch im ländlichen Raum von NRW einen viel höheren Stellenwert hat als noch vor vier Jahren. Daher habe ich den Schritt gewagt. Als junge Erwachsene wollte ich auf jeden Fall erstmal weg. Ich war viel unterwegs, habe studiert, war in Tansania und Kanada und hatte beruflich bedingt verschiedene Wohnorte in Deutschland. Durch einige prägende Ereignisse in meinem Leben habe ich einen anderen Blick auf meine „alte“ Heimat und meine Familie bekommen. Diesen hätte ich wahrscheinlich nicht, wäre ich in meiner Jugend hier geblieben. Und ich gebe zu, ein bisschen ist die Rückkehr auch in mehrfacher Hinsicht ein Selbstexperiment.
Wenn Sie Entwicklungskonzepte für Kommunen oder Dörfer entwerfen, sind Landflucht und Überalterung ganz häufig bestimmende Thema. Was macht ein attraktive Ortschaft aus, damit beides kein Problem ist?
Für mich ist es wichtig, Familie, Freunde, Job und Natur unter einen Hut zu bekommen. Ein guter Internet- und Telefonanschluss sind technisch unbedingt notwendig, ansonsten Treffpunkte und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.
In Ihrem Beruf haben Sie häufig mit sperrigen Abkürzungen wie ILEK, GIEK oder IKEK zu tun. Warum gibt es keine griffigen aber verständlichen Ausdrücke dafür?
Oft werden die Begriffe technokratisch aus Förderrichtlinien abgeleitet, teils sogar aus anderen Sprachen übersetzt, da europäische Fördertöpfe dahinter stecken. Ich finde es gut, wenn man besser verständliche und ansprechende Ausdrücke entwickelt. Daher spreche ich vor Ort häufig von Dorf-, Stadt- oder Regionalentwicklungskonzepten. Formell müssen dann manchmal die Begriffe doch in der Öffentlichkeitsarbeit und im Bericht auftauchen.
Auf welches Ihrer Projekt sind Sie besonders stolz?
Auf alle! Aber ein Projekt ist mir besonders aufgrund der Einbindung von Kindern und Jugendlichen im Gedächtnis geblieben: Die Regionale Entwicklungsstrategie Niederrhein: natürlich lebendig! In der Region haben wir es hinbekommen, dass ein 16-jähriger Schülervertreter in das Leader-Entscheidungsgremium eingebunden ist. Er darf darüber mitentscheiden, welche Projekte Fördergelder erhalten.