Wittgenstein. . Peter Schlösser (76) muss 28 Notdienste im Jahr übernehmen. Und die Kassenzahnärztliche Vereinigung hat kein Mittel gegen Überbelastung

  • Nur sechs statt 12,5 Zahnärzte: Versorgungsgrad in Bad Berleburg mit nur 48 Prozent eklatant niedrig
  • Peter Schlösser: „Wenn sich nichts ändert, wird die medizinische Versorgung hier vor die Wand gefahren“
  • Blick ins Heilberufsgesetz: „Die Notdienstordnung sieht keine Befreiung aufgrund des Alters vor“

Die zahnärztliche Versorgungslücke in Wittgenstein ist eklatant, besonders in Bad Berleburg: Hier liegt der Versorgungsgrad bei 48 Prozent. Nur Wilnsdorf kann diesen Negativ-Rekord mit 45 Prozent unterbieten. Diese chronische Unterversorgung schlägt sich nicht nur in langen Wartelisten für Patienten nieder, sondern auch in der Überbelastung der Zahnärzte. Einer von ihnen ist Peter Schlösser, der mit 76 Jahren noch fünf Mal pro Woche in seiner Berleburger Praxis steht – plus Notdienste, zu denen jeder niedergelassene Zahnarzt laut Heilberufsgesetz verpflichtet ist.

M wie medizinische Versorgung

In Ballungsräumen sei der Notdienst auch nicht problematisch, meint Schlösser. Im Bezirk Dortmund mit 307 teilnehmenden Zahnärzten muss ein Zahnarzt durchschnittlich ein bis zwei Mal im Jahr einen Notdienst übernehmen. Der Bezirk Wittgenstein kommt auf gerade mal 15 teilnehmende Zahnärzte. Das bedeutet: Ein Wittgen­steiner Zahnarzt ist zwangsläufig so gut wie alle zwei Wochen für den Notdienst eingetragen. Eine akute Belastungssituation, die vor dem Zusammenbruch steht: „Wenn sich an der Situation nichts ändert, wird die medizinische Versorgung hier vor die Wand gefahren“, sagt Peter Schlösser.

A wie Aufwachsen

Seit 1975 betreibt Peter Schlösser seine Zahnarztpraxis in der Mühlwiese, hat sie selbst entworfen und mit aufgebaut. Er hat Kinder aufwachsen sehen – und behandelt mittlerweile deren Kinder. „Das gibt man nicht so einfach ab“, sagt Schlösser. Er liebt seinen Beruf, schätzt die persönlichen Gespräche mit seinen Patienten. „Solange ich noch gut gucken kann, eine ruhige Hand habe und mein Kopf noch in Ordnung ist, mache ich weiter.“

N wie Nachfolger

Seit Jahren suche er zwar nach einem Nachfolger für seine Praxis, doch erfolglos. Spätestens beim Thema „Notdienste“ seien auswärtige Zahnärzte abgeschreckt – und würden sich lieber einen Bezirk aussuchen, in dem sie nicht alle zwei Wochen den Notdienst übernehmen müssen.

„Auch wenn Wittgenstein mit Natur punkten kann und Kinder hier wohl behütet aufwachsen können, ist die Aussicht auf so viele Notdienste immer ein Totschlag-Argument“ so Schlösser.

G wie grundsätzliche Regelung

Als sich Schlösser 1975 mit seiner Praxis selbstständig gemacht hatte, waren Notdienste noch auf Wochenende und Feiertage beschränkt. Mittlerweile ist es aber so geregelt, dass Notdienste für je eine Woche gelten – von Freitag, 13 Uhr, bis zum nächsten Freitag um 8 Uhr. Auch das habe zu zusätzlicher Belastung geführt.

E wie Einspruch

Seit mittlerweile sieben Jahren kämpft Peter Schlösser dafür, dass sich an der Notdienst-Regelung in Wittgenstein etwas ändert. Ein Schriftstück, das er selbst vor Jahren aufgesetzt hat und das sowohl die 15 Wittgensteiner Zahnärzte als auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe in Münster (KZVWL) und die Bezirksstelle in Olpe unterschrieben haben, scheint nicht mehr zu gelten. Darin war unter anderem festgelegt: „Bei chronischer schwerer Krankheit und ab dem 70. Lebensjahr wird der Zahnarzt/Zahnärztin vom Notdienst freigestellt.“ Zur Erinnerung: Peter Schlösser ist 76 Jahre alt und muss für 2018 insgesamt 28 Notdienste übernehmen. Mehrmals hatte er dagegen Einspruch eingelegt – und jedes Mal wurde dieser abgelehnt.

L wie Landesverband

Die KZVWL beruft sich strikt auf das Heilberufsgesetz: „Die Notdienstordnung sieht keine Befreiung aufgrund des Alters vor. Solange der Zahnarzt an der Versorgung teilnimmt, ist er auch verpflichtet, sich am Notdienst zu beteiligen“, so Ann-Kathrin Kiesel, Sprecherin der KZVWL. Auch Schlössers Vorschlag, die Notdienst-Bezirke zusammenzuziehen, stößt bei der KZVWL nicht auf große Resonanz: „In Bad Berleburg gibt es dazu keine Bestrebungen der verantwortlichen Notfalldienst-Beauftragten vor Ort.“ Die Situation scheint festgefahren. Die Zukunft: ungewiss.