Erndtebrück. Der Siegerländer Eisenbahn-Fan Dr. Richard Vogel verwirklicht sich Traumvom eigenen Bahnhof – in Brandenburg statt in Wittgenstein
- Der Fan: „Voraussetzungen nicht mehr gegeben, um historische Züge ab Siegen verkehren zu lassen“
- Denkmalschützer machen laut Vogel oft „nur Vorschriften“, unterstützen „nur im bescheidenen Umfang“
- Ideale Anbindung in Zernsdorf an die Regionalbahn 36 der Niederbarnimer Eisenbahn
Ideen, wie man den leer stehenden Erndtebrücker Bahnhof wiederbeleben könnte, hätte der Eisenbahn-Fan Dr. Richard Vogel ja: Im Gebäude entstehen attraktive Event-Gastronomie und Räume für kulturelle Veranstaltungen. Und für die Gäste oder auch ganze Gesellschaften aus dem Siegerland geht es ab Siegen – Südwestfälisches Eisenbahnmuseum, Ringlokschuppen – per Sonderzug hinter der Dampflok hin. Vor drei Jahren hätte der gebürtige Siegerländer die Wittgensteiner Immobilie ja vielleicht noch für einen symbolischen Preis gekauft, doch: Seinen Traum vom eigenen Bahnhof hat er inzwischen anderswo verwirklicht – in Zernsdorf, einem Stadtteil von Königs Wusterhausen, Landkreis Dahme-Spreewald, Brandenburg, wenige Kilometer südöstlich der Bundeshauptstadt Berlin gelegen.
Problem Denkmalschutz
Sicher: „Ich hätte ja schon Interesse“, bekennt Vogel im Gespräch mit unserer Zeitung, nachdem er davon erfahren hat, dass der Bahnhof im Kernort wieder zum Verkauf steht. Aber: „Es ist zu viel geschehen in der letzten Zeit“, sagt er – und das Objekt in Erndtebrück „liegt mir inzwischen ein bisschen fern. Außerdem sind die Voraussetzungen nicht mehr gegeben, um historische Züge ab Siegen verkehren zu lassen. Die Eisenbahnfreunde Betzdorf haben nämlich inzwischen ihre Fahrzeuge verkauft“.
Mit der Bahnflächen-Entwicklungsgesellschaft (BEG) und der Gemeinde Erndtebrück, die das Gebäude seit kurzem gemeinsam vermarkten, seien „die Zuständigkeiten jetzt geklärt“, resümiert Vogel. Allerdings: „Ich finde es wichtig für Erndtebrück, dass das Bahnhofsgebäude erhalten wird, glaube aber kaum, dass sich etwas bewegt, wenn nicht das Gebäude als Ganzes oder in Teilen abgerissen werden darf.“ Dabei sieht Vogel das Problem vor allem beim Denkmalschutz: Während das ungenutzte Gebäude in seiner Substanz immer weiter verfalle, machten die Denkmalschützer „nur Vorschriften“. Unterstützung von ihnen gebe es dagegen „nur im bescheidenen Umfang“, weiß Vogel aus eigener leidvoller Erfahrung. „Es wäre zu wünschen, dass endlich Gemeinde, Kreis, Bahn und Denkmalschutz-Behörden mit potentiellen Interessenten an einem Strang ziehen – möglichst in die gleiche Richtung“, kommentiert Vogel die aktuelle Situation auf seiner Website www.siegerlandbahn.de.
Weniger Chancen für Güterverkehr
Und Vogel sieht noch einen anderen Grund, warum sein Konzept in Erndtebrück vermutlich keine Chance hätte: „Weil die Bahn radikal saniert“, sagt er mit Blick auf die laufende Modernisierung der Gleise und Bahnsteige, weil sie Nebengleise entferne, damit „Kahlschlag“ betreibe. In Zeiten elektronischer Stellwerke, wie es derzeit auch für die Strecke Erndtebrück – Kreuztal entstehe, sei eben kein Platz mehr für Dampflok-Nostalgie, bedauert der Hobby-Eisenbahner.
Biologe beobachtet die Entwicklung
Dr. Richard Vogel ist gebürtiger Siegener. Der 65-jährige Biologe lebt seit rund 40 Jahren in Berlin, ist als Eigner und Geschäftsführer des „Berlin Toxicology Office“ für Chemikalien- und Produkt-Sicherheit tätig.
Die Geschichte der Eisenbahn in Siegerland und Wittgenstein ist aber nach wie vor ein großes Hobby Vogels – weshalb er die Entwicklung in Erndtebrück auch aus der Ferne mit großem Interesse verfolgt.
Internet:
www.zernsdorf-bahn.de, www.siegerlandbahn.de
Er warnt aber auch davor, dass eine Strecke mit zurückgebauten Nebengleisen – etwa, um Fläche zu schaffen für einen Park-and-Ride-Platz, der gerade hinter dem Bahnhof gebaut wird – kaum noch Chancen für kurzfristige Nutzungen durch den Güterverkehr erlaube. Davon wisse die heutige Kreisbahn Siegen-Wittgenstein GmbH (KSW), sicherlich aber auch das Erndtebrücker Eisenwerk (EEW) ein Lied zu singen.
Eigenes Büro im alten Stellwerk
Unterdessen hat sich Vogel, der nun schon seit vier Jahrzehnten im Osten lebt, im Zernsdorfer Bahnhof häuslich eingerichtet. Seit Mai 2015 wohnt er mit Familie hier und hat im alten Stellwerk sein Büro. Im November 2014 hatte er das Gebäude gekauft – „nach vierjährigen Verhandlungen mit DB Immobilien“. Und während wir miteinander sprechen, fährt gerade die Regionalbahn 36 der Niederbarnimer Eisenbahn aus Frankfurt/Oder nach Königs Wusterhausen ein.
100 000 Eurowaren seinerzeit der Kaufpreis für das Bahnhofsgebäude. Die sei es aber auch wert gewesen, findet Vogel. „Die Bausubstanz ist sehr gut und eine Gasheizung war schon vorhanden.“ Sicher: Die komplette Haustechnik erneuern, neue Fenster einbauen – „da ist man schnell bei einer Viertelmillion, die das alles kostet“, rechnet der Bahnhofsbesitzer nach der Sanierung zusammen. Aber: „Das konnte ich aufbringen. Hier gab’s auch noch viel Land dazu, das ich teilweise weiterverkauft habe.“
Der Region etwas zurückgeben
Und was sagen die Zernsdorfer, dass sich ein Wessi ihres Bahnhofs angenommen hat? „Die Leute hier sind alle froh und glücklich“, hat Vogel festgestellt. „Die sagen: Es sieht ja aus wie früher.“ Wenn er da der Region offensichtlich etwas geben könne, sei auch er zufrieden. Und nicht selten „kommen auch Freunde aus dem Siegerland hierher“.
Soweit, so gut. Aber ganz offensichtlich kann Vogel die Finger einfach nicht von Bahnhöfen lassen. „Ich bin gerade noch an einem Nachbarbahnhof dran“, schwärmt er. In Beeskow, Kreisstadt des Landkreises Oder-Spree, etwa 40 Kilometer weiter östlich. Der werde gerade versteigert. Und wieder ein Projekt für den Biologen, der ohne Eisenbahn wohl nicht leben kann.