Wittgenstein. Der Pflegebedarfsplan 2017 für Siegen-Wittgenstein liegt auf Eis. Auch, weil Bad Berleburg noch Fragen hat. Aber es zeichnen sich Lösungen ab.
- Festgelegtes Verhältnis Pflegebedürftiger zur Gesamtbevölkerung einer der Knackpunkte
- Chef der SPD-Kreistagsfraktion favorisiert gemeinsamen Sozialraum Wittgenstein
- Kreisverwaltung will bis Ende September nach denkbaren Kompromiss-Vorschlägen suchen
Wieviele Pflegeplätze in Seniorenheimen braucht die Region Wittgenstein wirklich, brauchen die Städte Bad Berleburg und Bad Laasphe, die Gemeinde Erndtebrück? Über diese Frage wird derzeit hinter den Kulissen offenbar intensiv politisch diskutiert. Jedenfalls liegt der Pflegebedarfsplan 2017 für den Kreis Siegen-Wittgenstein, der eigentlich ab Anfang Juli für ein Jahr gelten sollte, momentan auf Eis. Eine Lösung könnte die Festlegung des Bedarfs auf eine komplette Region, also einen „Sozialraum“ bringen. Das regt beispielsweise Michael Sittler aus Bad Berleburg an, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion.
Der Kreistag
Rückblende: Der Kreistag Siegen-Wittgenstein hatte das Thema auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause im Bad Laaspher Haus des Gastes von der Tagesordnung genommen – mit Verweis auf noch nötigen Beratungsbedarf in den Fraktionen. Nach Informationen unserer Zeitung wünscht man sich zum Beispiel in der Stadt Bad Berleburg prinzipiell eine Gleichbehandlung mit den Wittgensteiner Nachbarkommunen, wenn es um das festgelegte Verhältnis Pflegebedürftiger zur Gesamtbevölkerung gehe, die statistisch gesehen stationär versorgt werden müssten.
Bad Berleburg: 5,6 Prozent Bedürftige
Im Pflegebedarfsplan des Kreises Siegen-Wittgenstein für 2017 zeigt sich, dass Bad Berleburg mit 5,6 Prozent und Bad Laasphe mit 4,2 Prozent den kreisweit höchsten Anteil Pflegebedürftiger bezogen auf die Gesamteinwohnerzahl haben. Zum Vergleich: In Erndtebrück sind es „nur“ 2,6 Prozent.
Allerdings nimmt in allen drei Kommunen nur ein Bruchteil der Bedürftigen auch tatsächlich eine stationäre Pflege in Anspruch.
Pflegeplätze aufgestockt
Beispiel Erndtebrück: Hier möchte die AWO als Träger wie berichtet die Zahl der Pflegeplätze in einem erweiterten Seniorenzentrum an der Struthstraße von 72 auf 80 aufstocken – obwohl laut Bedarfsplan-Prognose bis 2020 in der Edergemeinde geschätzt nur etwa 70 benötigt werden.
Pflegeplätze gestrichen
Beispiel Bad Laasphe: Hier hat die AWO sein Seniorenzentrum an der Pfingstweide mit immerhin 95 Pflegeplätzen Ende März dichtgemacht. Und ein fast fertiggestelltes Pflegeheim auf dem Gelände der „Emmaburg“ mit etwa 50 Plätzen hat gar nicht erst eröffnet, weil die Investorin aus Kasachstan kurz zuvor die Notbremse gezogen hat. Deshalb fehlen in der Lahnstadt laut Bedarfsplan bis 2020 mehr als 50 Pflegeplätze. Warum dieses Ungleichgewicht also nicht dadurch ausgleichen, dass man den Bedarf für den „Sozialraum“ Wittgenstein insgesamt festlegt?
Die Sozialräume
Auf diese Weise sei womöglich auch das Problem „Kurzzeitpflege“ besser in den Griff zu bekommen, meint Sittler. Denn genau hier mangele es in ganz Wittgenstein an geeigneten und vor allem zuverlässig verfügbaren Plätzen. Er werde jedenfalls in seiner SPD-Fraktion für den Bedarf bezogen auf Sozialräume im Kreis Siegen-Wittgenstein werben, kündigt Sittler im Gespräch mit unserer Zeitung an. Solche Sozialräume könnte nach seiner Auffassung neben den beiden großen Städten Siegen und Kreuztal das restliche Siegerland sein – und eben Wittgenstein als Ganzes.
Leben und Wohnen im Alter
In seiner Heimatstadt Bad Berleburg sei das Motto „Leben und Wohnen im Alter“ in der Vergangenheit „massiv gelebt“ worden, sagt Michael Sittler. Anders ausgedrückt: Die Stadt habe ganz bewusst nicht für die stationäre Pflege im Seniorenheim geworben, sondern die ambulante, häusliche Pflege in den Vordergrund gestellt. Das dürfe nun aber nicht bedeuten, so Sittler, dass der Kreis hier bei der Bedarfsberechnung andere Maßstäbe anlege als bei anderen Kommunen.
Der Plan als Basis
Nach dem Alten- und Pflegegesetz NRW können Kreise den Bedarfsplan als „Grundlage für die bedarfsabhängige Förderung zusätzlicher stationärer Pflegeeinrichtungen“ für ihre Region verbindlich machen. Das heißt: Investoren und soziale Träger, die in der Regel reichlich Geld in den Neu- oder Umbau von Pflege-Einrichtungen stecken, werden nur im Rahmen des festgelegten Bedarfs finanziell von der öffentlichen Hand unterstützt.
Eine Kann-Bestimmung also. Umgekehrt sei es deshalb aber eben auch denkbar, so Sittler, dass der Kreis überhaupt keinen Pflegebedarfsplan aufstelle. Dann aber sei das Pflegeplatz-Angebot vermutlich schnell „dem freien Spiel der Kräfte“ ausgeliefert, gebe es für Träger von Einrichtungen und Investoren keinen verbindlichen Rahmen mehr. Der Kreis müsse dieses Platz-Angebot jedoch steuern können, ist Sittler überzeugt, um etwa Wildwuchs entgegenzuwirken.
Der Beschluss
Der SPD-Politiker geht davon aus, dass der Kreistag Siegen-Wittgenstein die vor der Sommerpause zurückgestellten Bedarfsplanung in der nächsten Sitzung Ende September verabschieden wird. Bis dahin wolle auch die Kreisverwaltung nach einer Kompromiss-Lösung suchen. Sittler: „Und ich bin zuversichtlich, dass es gelingt.“