Bad Berleburg/Hamm. . Der Rechtsstreit ist mit dem Urteil nicht beigelegt. Die Tiere sind streng geschützt und frei, aber der Verein muss auch die Waldbauern schützen.
- Bernd Fuhrmann: Das Urteil ist ein wichtiges und positives Signal“
- Paul Breuer: „Die Zeit spielt für die Wisente“
- Hubertus Dohle: „Es ist frustrierend, weil es juristisch immer komplizierter wird“
Vier Jahre nach ihrer Auswilderung ist die Wisentherde im Rothaargebirge als wild lebend, herrenlos und damit besonders schützenswert anzusehen. Diese Überzeugung hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm am Montag bei seinem Urteil im Wisent-Streit vertreten – und letztlich das Bundesnaturschutzgesetz über das Landesjagdgesetz gestellt. Und aus eben jenem Naturschutzrecht ergebe sich eine „grundsätzliche Duldungspflicht der Kläger“. Mit anderen Worten: Die beiden Waldbauern aus Schmallenberg-Oberkirchen, die gegen den Trägerverein der Wisent-Welt Wittgenstein geklagt haben, müssen hinnehmen, dass die stämmigen Tiere ihre Grundstücke betreten und Schälschäden insbesondere an Buchen verursachen.
Erste Wisente vor vier Jahren ausgewildert
Am 11. April 2013 wurde eine achtköpfige Wisent-Gruppe in die Freiheit entlassen.
Dem Trägerverein zufolge ist die Wisent-Herde aktuell auf rund 20 Tiere angewachsen.
Allerdings: Den beiden Klägern drohten „erhebliche forstwirtschaftliche Schäden“, so der 5. Zivilsenat. In diesem Fall lasse das Bundesnaturschutzgesetz die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das Verbot zu, „wild lebende Tiere besonders geschützter Arten nachzustellen, zu fangen, zu verletzen oder zu töten“.
Geeignete Maßnahmen ergreifen
Für die OLG-Richter, so Gerichtssprecher Christian Nubbemeyer, sind das Nachstellen und Fangen der Wisente die einzigen geeigneten Maßnahmen, um Schäden an den Privatwäldern zu verhindern.
Der Senat hat in seinem gestrigen Urteil den Trägerverein dazu verurteilt, eben solche Maßnahmen zu ergreifen.
Ausnahmegenehmigung fürs Nachstellen und Fangen
Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, 1. Vorsitzender des Trägervereins, sieht in dem Urteil ein „wichtiges und positives Signal“ für das Wisent-Projekt. Das OLG habe zwar das Urteil des Landgerichts Arnsberg als Vor-Instanz dahingehend bestätigt, dass man eben jene geeignete Maßnahmen ergreifen müsse, um die Wisente von den Grundstücken der Kläger fernzuhalten. Allerdings hätten die OLG-Richter dies mit der Einschränkung verbunden, dass es für ein „Nachstellen und Fangen“ der Tiere eine Ausnahmegenehmigung seitens des Kreises Siegen-Wittgenstein als Untere Landschaftsbehörde bedürfe.
„Gemeint bei dieser artenschutzrechtlichen Genehmigung ist alles“, so Fuhrmann, „was den Fortbestand des Projekts beziehungsweise die freilebende Herde insgesamt betrifft: Einzäunung, Entnahme der Herde aus ihrem Lebensraum oder sogar Abschuss der Tiere.“ Für diese Genehmigung gibt es hohe Hürden.
Entschädigung nur während der Vertragslaufzeit
Nach Auffassung von Stephan Hertel, Anwalt des Trägervereins, ist man nach dem Urteil weiter frei in der Gestaltung der Maßnahmen, „um die Wisente in Freiheit zu behalten“. Dem Vereinsvorsitzenden Fuhrmann zufolge werde man die von Dr. Michael Petrak von Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in einem Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen weiter umsetzen. Sie zielen darauf ab, Teile des Streifgebietes besonders attraktiv für die Tiere zu machen und besondere Äsungsflächen zu schaffen. Bei Kühhude sind entsprechende Areale bereits geschaffen worden.
Die Kläger, so Fuhrmann weiter, seien mit der Forderung gescheitert, den Trägerverein zur dauerhaften Entschädigung von Schälschäden zu verurteilen. „Die Entschädigung läuft nur für die Dauer der Laufzeit des Vertrages zwischen Verein und Land NRW.“ Sprich: bis zum Ende der Freisetzungsphase.
Streitwert wird angehoben
Nach Fuhrmanns Angaben wird der Streitwert in den beiden Rechtsfällen deutlich angehoben. Vielleicht schränkt das auf Klägerseite den Willen zur Revision ein.
Im Falle einer Revision muss sich der Bundesgerichtshof mit der Sache beschäftigen. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil könnte weiter viel Zeit ins Land gehen. „Die Zeit spielt für die Wisente“, sagt Paul Breuer, ehemaliger 2. Vorsitzender des Trägervereins. „Man kann die Waldbauern nur dazu aufrufen, an den Verhandlungstisch zu kommen.“ Und weiter: „Sie müssen erkennen, dass sie jetzt noch ordentliche Ergebnisse erzielen können.“
Schmallenberger Seite spricht von „Unentschieden“
Auf Schmallenberger Seite sprach man nach dem Urteil zwar von einem „Unentschieden“ (Anwalt Friedrich Freiherr von Weichs), Zufriedenheit allerdings hört sich anders an. „Das Gericht hat vieles offen gelassen“, so Waldbauer Hubertus Dohle. „Es ist frustrierend, weil es juristisch immer komplizierter wird.“