Wittgenstein. . Pro Kilogramm Milch sollen Bauern 0,36 Cent mehr bekommen. Warum das langristig nichts bringt, das Modell der Gewinnglättung aber helfen könnte.

  • 67 Milchbauern in Wittgenstein potenziell betroffen
  • Gewinnglättung: Durchschnittswert für den steuerrelevanten Gewinn
  • Afflerbach: Ohne Zuschüsse würden alle Betriebe Verluste schreiben

Es klingt wie das Weihnachtsgeschenk für die krisengeschüttelten Milchbauern schlechthin: In Berlin hat der Bundesrat noch vor Weihnachten das Milchsondermaßnahmengesetz beschlossen. Das sieht weitere finanzielle Beihilfen für Milcherzeuger, eine steuerwirksame Gewinnglättung und Darlehensbürgschaften für die Bauern vor. Insgesamt fließen 116 Millionen Euro aus EU-Mitteln in die deutsche Landwirtschaft.

Aber wieviel davon wird in Wittgenstein ankommen? Wir haben mit dem Steuerberater und Inhaber einer Landwirtschaftlichen Buchungsstelle, Reinhard Afflerbach aus Bad Berleburg, und Kreislandwirt Lothar Menn aus Erndtebrück gesprochen.

Bagatellgrenze liegt bei 30.000 Kilogramm Milch pro Jahr

In Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück gibt es immerhin 67 Milchbauern. Auch wenn dies mehrheitlich Nebenerwerbslandwirte sind, produziert ein Großteil von ihnen mehr als die für die Unterstützung relevante Bagatellgrenze von 30.000 Kilogramm Milch pro Jahr, könnte also in den Genuss von zusätzlichem Milchgeld, Steuererleichterungen und Kreditbürgschaften kommen.

Zuschuss bedeutet für Musterbetrieb nur Zubrot

In einer Musterrechnung zeigt sich schnell, wie wenig sich eine Beihilfe von 0,36 Cent pro Kilogramm Milch auf die Wirtschaftlichkeit des Produktes auswirken würde.

Ein Milchviehbetrieb mit etwa 100 Kühen erzeugt pro Jahr eine Million Kilogramm Milch. Multipliziert mit den 0,36 Cent ergeben sich 3600 Euro Beihilfe pro Jahr.

Entscheidender ist der tatsächliche Milchpreis: Der ist laut Landwirtschaftskammer in Meschede von November auf Dezember 2016 wieder gestiegen. Je nach Milchabnehmer können dies 1,9 bis 3,6 Cent pro Kilogramm sein.

Von den zusätzlichen 0,36 Cent pro Kilogramm Milch hält Milchbauer und Kreislandwirt Lothar Menn wenig. Von der so genannten Gewinnglättung ist er aber überzeugt: „Das ist eine echte Hilfe. Dafür haben wir Landwirte schon seit Jahren gekämpft“, sagt Menn, der nicht nur als Kreislandwirt, sondern auch als SPD-Kommunalpolitiker für seine Berufskollegen kämpft.

Was bedeutet der Begriff „Gewinnglättung“? In der Landwirtschaft sind die Unterschiede zwischen ertragreichen und ertragsschwachen Jahren besonders spürbar. Das neue Gesetz sieht vor, den Gewinn eines Betriebes über drei Jahre zusammenzuziehen und einen Durchschnittswert für den steuerrelevanten Gewinn zu bilden. Das könnte tatsächlich helfen.

Milchpreis sank in wenigen Monat um 17 Cent 

In 2014 hatten nicht nur Milchbauern in Wittgenstein ein gutes Jahr. Der Milchpreis lag damals um 35 Cent. Doch nur wenige Monate später im Juni rutschte er auf einen Tiefstwert von 22,8 Cent je Kilogramm. Um die 40 Cent sind nötig, um die Unkosten zu decken. In der Landwirtschaft sind Kalenderjahr und Wirtschaftsjahr um ein halbes Jahr verschoben. Das heißt, die Steuerbescheide für das gute Jahr 2014 fielen mitten in das schwache Jahr und stürzten die Betrieb in die Liquiditätskrise, weiß Steuerberater Reinhard Afflerbach: „Mit der Gewinnglättung können diese Schwankungen zumindest ausgeglichen werden“. Das Gesetz gilt aber, anders als von Lothar Menn erhofft, nur für drei Perioden (2014-2016, 2017-2019 und 2020-2022).

Faire Verbraucher zahlen faire Preise

Es gibt nur eine Lösung für dieses Problem, weil sich der Milchmarkt kaum mehr regulieren lässt. Längst lässt die Globalisierung keine lokal begrenzten Quoten oder Preisgarantien mehr zu, weil sich jede Einfuhrbeschränkung an anderer Stelle negativ auf das Exportland Deutschland auswirkt. Deshalb sind Subventionen für die Landwirtschaft gar kein schlechtes Mittel. Zumal sich in Deutschland viel getan hat. Reinhard Afflerbach hat vorgerechnet: Mit 40 US-Dollar pro 100 Kilo Milch ist der deutsche Bauer gar nicht der teuerste Produzent. Der Durchschnittswert für die Herstellung liegt bei 46 US-Dollar. Amerikaner liegen knapp und die Chinesen weit darüber. Sie werden unseren Markt also nicht mit Milch fluten können. Aber wir Verbraucher haben es in der Hand, bei den in Deutschland sehr günstigen Lebensmittelpreisen auch an die Erzeuger zu denken. Oft ist die Rede vom fairen Handel. Ich sage, der beginnt schon bei den Produkten unserer Bauern.

Das dritte Standbein des Milchsondermaßnahmengesetzes sind Bürgschaften der Landwirtschaftlichen Rentenbank für Darlehen bei den Hausbanken der Betriebe bis 300.000 Euro. Die Bürgschaftsquote liegt bei 50 Prozent und die maximale Laufzeit beträgt zehn Jahre. Laut Afflerbach eine wichtige Unterstützung, weil Landwirtschaft ähnlich wie Gastronomie für Banken inzwischen als Hochrisiko-Branche gelte. Doch Lothar Menn will das so nicht stehen lassen: „Die Volksbanken und Sparkassen hier vor Ort haben uns stark geholfen, sonst wären einige Betriebe in die Insolvenz gegangen.“

Zuschussfrist endet am 16. Januar

Dennoch bleibt bei beiden Gesprächspartnern festzuhalten: Das Milchgeschäft ist ein hartes. „Ohne Zuschüsse schrieben alle Betriebe Verluste“, weiß Afflerbach, der zumindest hofft, dass die Unkosten gedeckt sind und die Zuschüsse auf die Gewinnseite gebucht werden.

Um an die Zuschüsse zu gelangen, gibt es nur noch ein kurzes Zeitfenster bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Bis zum 16. Januar 24 Uhr müssen sowohl der Onlineantrag als auch alle schriftlichen Antragspapiere in Bonn eingereicht werden.