Wickede. . Vor einer guten Woche sind die ersten Asylbewerber in das ehemalige Marienkrankenhaus in Wimbern eingezogen. Drei bis fünf Tage bleiben die Flüchtlinge hier; viele von ihnen wollen nach der Reise zur Ruhe kommen. Das Dorf akzeptiert die neuen Bewohner – und hat nun dennoch eine große Sorge.
Sie bewegt sich nicht. Hockt nur wie versteinert vor dem Fenster und blickt hinaus ins Grüne. Mindestens 15 Minuten kauert die Frau so ganz allein am Ende des Ganges. „Manche wollen erst einmal Ruhe“, sagt Bettina Höfer, bei den Malteser Werken zuständige Abteilungsleiterin Migration, und erzählt von einer Mutter, die tagelang geschlafen hat, nachdem sie in Wimbern angekommen ist.
Andere, vor allem die jungen Männer, spielen im Sozialraum Tischtennis. Nebenan im Foyer des ehemaligen Marienkrankenhauses krabbeln Kinder über einen Verkehrsteppich, spielen mit Legosteinen und Bauklötzen. Ein Fernseher läuft zugleich. Menschen gehen ein und aus – und dennoch ist die Atmosphäre hier, eine Woche nach der Eröffnung der Asylbewerberunterkunft, eher gelassen.
Ein friedliches Leben
Zwei junge Männer unterhalten sich an einem Stehtisch, erzählen von ihrer Flucht. Aus Eritrea ist der eine gekommen, durch die Sahara, dann mit dem Schiff übers Mittelmeer. Eine Menge Menschen habe man bei der Reise verloren, deutet der 23-Jährige in stockendem Englisch an. Aus politischen Gründen sei er nach Deutschland gekommen. Viel mehr will er nicht erzählen – aus Sorge um seine Familie in Afrika, sagt er. Nun ist er froh, hier zu sein: „It’s a peaceful life“, sagt er. Ein friedliches Leben.
Auch draußen vor der Asylbewerberunterkunft, wo einige Flüchtlinge aus Syrien in der Sonne zusammenstehen. Einer von ihnen schildert, wie er sich über den Libanon, Ägypten, Libyen, dann übers Meer durchgeschlagen habe, während viele Mitreisende unterwegs ertrunken seien. Ganz sachlich erzählt er davon.
Es ist kurz vor Mittag. Mütter und Väter biegen auf die Zufahrt zum Krankenhaus ein, um ihre Söhne und Töchter aus dem Kindergarten abzuholen, der nur durch eine schmale Straße vom Asylbewerberheim getrennt wird. „Jetzt ist hier wieder Leben“, bilanziert eine Mutter. „Ich sehe das sehr positiv.“ Das Gelände, das bis vor wenigen Wochen noch etwas ungepflegt, grau und verlassen wirkte, werde nun wieder gepflegt, so die Frau zufrieden. Gärtner mähen den Rasen, stutzen Büsche. „Wir fühlen uns nicht belästigt“, sagt auch Susanne Hein – und lacht. Sie wohnt in einem der vier Reihenhäuser schräg gegenüber dem Haupteingang auf dem Gelände der Klinik.
84 Asylbewerber sind an diesem Tag in Wimbern. Bis zu 137 könnten derzeit hier untergebracht werden. Insgesamt 250 sollen es vielleicht werden. Auch dagegen hätte Susanne Hein nichts, ebenso wenig Christian Meier und Edmund Schmidt vom Verein „Dorf Wimbern“. Drei bis fünf Tage bleiben die Asylbewerber nämlich nur in Wimbern. Zu wenig Zeit, als dass sich ernste Konflikte zwischen den Bewohnern aufstauen können.
Angst vor den Rechten
„Man bekommt gar nichts mit“, sagt Jadranko Nadarevic vom benachbarten Gasthaus „Alte Poststation“. Und in der nahegelegenen Siedlung „Nachtigall“ hat man bisher noch nicht einmal einen Asylbewerber zu Gesicht bekommen, berichtet Edmund Schmidt. Zwar hat es gleich am ersten Abend einen Polizeieinsatz gegeben. Im Ort aber habe man von dem Streit unter den Bewohnern nichts bemerkt, so Schmidt.
Bedenken hatten er und seine Vereinsmitglieder ohnehin nie gegen diese Notunterkunft. „Wir akzeptieren das“, sagt er. Aber eine dauerhafte Einrichtung mit 500 Asylbewerbern, wie einmal von der Bezirksregierung geplant, das halten er und Meier für zu viel in dem 830-Einwohner-Ort Wimbern.
Ihre Hauptsorge jedoch ist eine ganz andere: dass Rechtsextreme die Unterkunft als Thema entdecken. Mehr als 700 Nutzer haben innerhalb weniger Tage auf einer teils recht polemischen Facebook-Seite „Gefällt mir“ angeklickt. Das ist das einzige, was die Menschen in Wimbern eine Woche nach dem Start der Unterkunft wirklich aus der Ruhe bringt.