Warstein. . “Es gibt ein gewisses Spektrum an Biertrinkern, die man mit milden Bieren nicht erreichen kann“, sagt Bierbrauer Hermann Josef Waterkamp. Die Warsteiner Brauerei hat mit dem Herb deshalb ein Experiment gewagt. Ein Blick in die Entstehungsgeschichte.

Wenn man ihn Biersortenerfinder nennen würde, hörte er das vermutlich nicht so gern. Bierflüsterer schon gar nicht. Bierbrauer und Chemieingenieur - das ist korrekt. Hermann Josef Waterkamps (52) Gespür für den Gerstensaft ist ausgeprägt. Nicht angeboren, sondern von der Pike auf erlernt. Davon profitiert heute die Warsteiner Brauerei bei der Entwicklung neuer Pilssorten. Die Sorte Warsteiner Herb ist auch sein Baby.

„Es gibt ein gewisses Spektrum an Biertrinkern, die man mit milden Bieren nicht erreichen kann“, sagte und präzisiert: „Etwa 20 Prozent bevorzugen herbe Biere wie Jever.“ Wie das? Die drei großen südwestfälischen Brauereien Warsteiner, Veltins und Krombacher haben in den 60er und 70er Jahren mit ihrem Pils den Export-lastigen Ruhrgebiets-Riesen wie DAB und DUB systematisch Marktanteile abgejagt, um im Laufe der Jahre dann selbst immer milder zu werden. Und jetzt, nachdem auch die jüngste Extra-Mild-Welle abgeebbt ist, werden wieder Alternativen im herben Bereich gesucht?

Einsteiger und Frauen

„Mit milden Bieren von der Sorte Gold wollte man 2005/2006 die Einsteiger und die Frauen gewinnen“, sagt Waterkamp, gebürtiger Burgsteinfurter, der bei der Brauerei Rolinck gelernt hat und heute bei Warsteiner Leiter der Forschungsabteilung, einem hochmodernen, weitläufigen Labor, sowie der Versuchsbrauerei ist. „Das Bittere stößt die Jugend ab.“ Heute seien viele Brauereien wieder abgesprungen, außerdem sei die vielfach genutzte Klarglas-Flasche „eine Katastrophe, wenn die Sonne darauf scheint.“

Geschichte der Warsteiner Brauerei

Alte Lkw vor der Warsteiner Brauerei.
Alte Lkw vor der Warsteiner Brauerei. © Warsteiner
Qualitätskontrolle des Warsteiner Bieres.
Qualitätskontrolle des Warsteiner Bieres. © Warsteiner
Der Fuhrpark in den 1950er Jahren.
Der Fuhrpark in den 1950er Jahren. © Warsteiner
Die Stadtbrauerei inklusive Fuhrpark.
Die Stadtbrauerei inklusive Fuhrpark. © Warsteiner
Die Warsteiner Brauerei um 1900.
Die Warsteiner Brauerei um 1900. © Warsteiner
Die Abfüllung des Bieres um 1930.
Die Abfüllung des Bieres um 1930. © Warsteiner
Alte Lkw der Warsteiner Brauerei unterwegs.
Alte Lkw der Warsteiner Brauerei unterwegs. © Warsteiner
Catharina Cramer und ihr verstorbener Vater Albert.
Catharina Cramer und ihr verstorbener Vater Albert. © WDR/Warsteiner Brauerei
2013: Nachdenklich, lächelnd, gestikulierend und charmant - die aktuelle Brauerei-Chefin Catharina Cramer.
2013: Nachdenklich, lächelnd, gestikulierend und charmant - die aktuelle Brauerei-Chefin Catharina Cramer. © Tim Cordes/WP
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Wie kam es, dass in Warstein der Wunsch nach einem herben Pils reifte? Die Idee enstand Ende 2011 in Marketing und Vertrieb, berichtet Waterkamp. „Es wurde gefragt: Wo ist das Potenzial?“ Und Herman-Josef Waterkamps Abteilung begann, mit kleinen Mengen in der Versuchsbrauerei zu experimentieren. Leitfrage: „Wie mache ich herbes Pils, ohne den Charakter von Warsteiner zu verlieren?“ Eine bestimmte Hopfengabe macht die Note aus, an der der Konsument Warsteiner erkennt.

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Dabei verläuft der Brauprozess ähnlich wie beim Pils. Der Reinzucht-Hefestamm, der den Charakter eines Bieres prägt, ist derselbe. Dazu kommt eine Mischung aus Aroma und Bitterhopfen. „Während des Kochens wurde die Hopfung verdoppelt“, erklärt Waterkamp. Es habe Versuche mit 20 Hopfensorten mit Gaben an verschiedenen Stellen des Prozesses gegeben. Und ein Verkostergremium habe jeden Versuch durchprobiert - in kleinen Mengen natürlich, wie Waterkamp versichert. Ergebnis: Der höhere Bitterwert entsteht durch die erheblich größere Menge an Aromahopfen, der während des Kochens der Würze zweimal zu unterschiedlichen Zeiten zugegeben wird.

Auch externe Verkostungen

Höhepunkt ist der Triangeltest, eine Blindverkostung von drei Bieren, von denen zwei gleich sind. „Wenn die Mehrzahl der Tester richtig liegt, dann ist die Signifikanz für ein unterschiedliches Geschmackserlebnis gegeben“, erklärt der Fachmann. Externe Verkostungen in anderen Städten, etwa gegen Jever, schlossen sich an. Anfang 2013 war Warsteiner Herb dann auf dem Markt und kam - so Waterkamp - „super gut“ an. „Die Absatzkurve ging steil nach oben.“ Nachahmer? Bis jetzt keine: „Da wagen sich nicht so viele dran.“

An die Bitterwerte von Jever kommt und will Warsteiner Herb nicht heran, so der Braumeister. Das sei etwas für Spezialisten. Danach folgen in der Bitter-Skala König Pilsener, normales Warsteiner Pils und dann erst Krombacher sowie Becks - letzteres schmeckt nach Waterkamps Meinung schon fast süffig. „Bei einer Blindverkostung erkenne ich 80 Prozent der gängigen Biere“. Aber der Biermarkt schrumpft nun einmal - „wir müssen auf Kannibalisierungseffekte aufpassen“, so der Fachmann. Aber nicht im eigenen Haus. „Wir werden Jever ein bisschen wegnehmen“, hofft der Bierexperte.

Mit der alkoholfreien Herb-Variante hat Warsteiner noch eins draufgesattelt. Da waren die Verfahrenstechniker gefragt. Von den gängigen Verfahren, Alkoholfrei herzustellen - gestoppte Gärung (Clausthaler), Entfernung des Alkohols (Krombacher) oder einem Mischverfahren aus beidem - hat sich Warsteiner laut Waterkamp für „ein Sammelsurium aus allem“ entschieden - mit einem Wort: Betriebsgeheimnis. Und das nächste Projekt? Waterkamp zuckt mit den Schultern. Herb war ein Kraftakt, läuft gut. Auf dem Pils-Markt sind Innovationen aus Warstein in nächster Zeit wohl kaum zu erwarten.