Werl/Hamburg. Nach seiner Flucht stellte sich der Häftling aus der JVA Werl selbst der Polizei - nun hat der Haftrichter in Hamburg Haftbefehlt gegen den 42-Jährigen wegen versuchten Totschlags erlassen. Dem verurteilten Mörder aus Werl wird vorgeworfen, in Hamburg erneut zwei Menschen niedergestochen zu haben.

Nadiem Ralf M. sagt kein Wort. Der Haftrichter in Hamburg hat Donnerstagnachmittag gegen den flüchtigen Häftling aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl Haftbefehl wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erlassen.

„Nach der Verlesung des Haftbefehls hat er im Beisein seines Anwalts geschwiegen“, sagt der stellvertretende Sprecher der Staatsanwaltschaft, Carsten Rinio. „M. bleibt vorerst in Untersuchungshaft in Hamburg-Mitte.“

Frau mit sechs Stichen lebensgefährlich verletzt

Der 42-jährige, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Mörder soll am Samstag in einem Café im Hamburger Stadtteil Hohenfelde die 56-jährige Betreiberin mit sechs Stichen lebensgefährlich verletzt haben. Am Mittwochabend hatte er sich der Polizei in Lübeck gestellt und war von Zielfahndern nach Hamburg gebracht worden.

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Der drogenabhängige Häftling war am 20. Februar nach einem unbegleiteten Freigang nicht in die JVA Werl zurückgekehrt. Der Öffentlichkeit war der Fall erst per Zufall bekannt geworden. „Warum sollte ich die Öffentlichkeit informieren?“, fragt der Leiter der JVA Werl, Michael Skirl, in einem Interview mit dem „Hellweg-Radio“ am 5. März zurück. Dies sei nicht vorgeschrieben. Zwar gebe es Vorschriften, die Öffentlichkeit über bestimmte Vorkommnisse in der Haftanstalt zu unterrichten, „aber eine schief gegangene Lockerung eines Nicht-Urlaubrückkehrers gehört nicht dazu“. Aktuell äußert sich Skirl nicht mehr zu dem Fall.

Opposition weiter kritisch

Im Rechtsausschuss des Landtags bleibt für die Opposition rätselhaft, wie ein Mann, der fast 20 Jahre im Gefängnis sitzt, drogenabhängig sein könne. „Man kann dies nicht verhindern“, sagt Detlef Feige, Sprecher des Justizministeriums. „40 bis 50 Prozent der Männer im Gefängnis sind drogenabhängig. Der Anteil der Frauen liegt noch höher.“

Aus seiner Sicht könne es nur beim Versuch bleiben, die Drogenproblematik in den Griff zu bekommen. Ein Mittel seien Entzugsprogramme. Noch schärfere Kontrollen seien zu aufwändig: „Teilweise werden unter Lebensgefahr Drogen in Körperöffnungen ins Gefängnis geschmuggelt.“

Feige weiß auch um schwarze Schafe unter dem Aufsichtspersonal, „beim Aufdecken müssen sie mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen“, und der Anwaltschaft. Letztere dürften nur auf Anordnung untersucht werden. „Und wenn Häftlinge im Besitz von Drogen sind, wird sofort ein Strafverfahren eröffnet. Und sie müssen mit Auswirkungen auf ihre Strafe rechnen.“

Nadiem Ralf M. sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis. Am 24. Oktober 1992 brachte er mit einem Komplizen eine 33-jährige Taxifahrerin aus Wuppertal in Müngsten um, 200 Meter von der weltberühmten Brücke entfernt. Die Beute: 160 D-Mark. Sein Komplize soll seine Strafe verbüßt haben und in der Türkei leben.