Werl. . Die Justizvollzugsanstalt Werl wird wird in großem Stil umgebaut. Vier Gebäude werden abgerissen, fünf neu gebaut. Um die Baumaßnahmen umzusetzen wurde extra der Denkmalschutz gekippt.

Das Haus bleibt stehen. Das ist eine gute Nachricht, weil die Enkelkinder von Reinhold Musga nun eines Tages doch noch sehen können, wo ihre Mama - Musgas Tochter - groß geworden ist. Mehr allerdings hat der Vollzugsbeamte nicht von der Entscheidung: Ausziehen muss er dennoch zum Ende des Jahres.

So wie auch neun andere Familien, die in den Gebäuden unmittelbar neben dem sechs Meter hohen Zaun rund um die Justizvollzugsanstalt Werl gewohnt haben. Vier der insgesamt sieben Häuschen werden abgerissen, um die JVA auszubauen: Bis 2015 will NRW dort sämtliche sicherungsverwahrten Straftäter konzentrieren, die noch an mehreren Standorten in NRW untergebracht sind. „Wir haben die längste Erfahrung und das größte Know-how für die inhaltliche und therapeutische Arbeit“, begründet Anstaltsleiter Michael Skirl die Entscheidung.

Bisher leben in Werl 45 Straftäter, die als so gefährlich eingeschätzt werden, dass sie nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe nicht entlassen werden. 51 weitere sind in Aachen untergebracht, fünf in Gelsenkirchen, drei in Willich (Kreis Viersen), zwei in Hövelhof (Kreis Paderborn) und einer in Fröndenberg.

Neue Gebäude für Sicherungsverwahrung, Besucher, Kranke und Arbeit

Dort aber können sie nicht mehr bleiben, weil das Bundesverfassungsgericht die derzeitige Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig beurteilt hat. Den Inhaftierten, die ihre Strafe abgesessen haben, müsse mehr Platz zustehen als den Strafgefangenen. Zudem seien sie in allen Lebensbereichen getrennt von anderen Häftlingen unterzubringen. Vor allem aber müsse mit Therapien darauf hingearbeitet werden, dass die Kriminellen doch eines Tages in die Freiheit entlassen werden können, so die Karlsruher Richter.

Also werden nun in Werl fünf neue Gebäude errichtet: ein Haus, in dem 148 Sicherungsverwahrte wohnen. Dazu eine Besucheranstalt, eine Krankenpflegestation, eine Arbeitshalle, wo Strafgefangene und Sicherungsverwahrte strikt voneinander getrennt werden ­können, erklärt Michael Skirl. Und schließlich eine zentrale ­Außenpforte.

Diese Pläne bis 2015 zu verwirklichen, wie von Justizminister Thomas Kutschaty angekündigt, hält Skirl allerdings für „ein ehrgeiziges Ziel“. Zumal noch nicht alle Fragen geklärt sind. Zwar hat sich das Justizministerium nun mit den Denkmalbehörden geeinigt: Nur vier der geschützten Bediensteten-Häuser werden abgerissen. Das Gebäude, in dem bisher Reinhold Musga lebte, bleibt exemplarisch erhalten, wird aber künftig nicht mehr als Wohnung genutzt.

JVA-Leiter Skirl ist zuversichtlich

Mit den vier Häusern allein ist es allerdings nicht getan. Zusätzlich verhandelt der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW mit der Stadt Werl über den Ankauf eines angrenzenden Grundstücks. Und will darüber hinaus noch das Areal des benachbarten Aldi-Marktes erwerben, das zum Verkauf steht, um dort vielleicht einen Parkplatz einzurichten, berichtet Skirl.

Dennoch ist man beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb zuversichtlich, mit der Umsetzung der Pläne im kommenden Frühjahr beginnen zu können. Zwischen 60 bis 70 Millionen Euro werde der Neubau kosten, schätzt man im Justizministerium. 80 neue Arbeitsplätze entstehen in Werl, rechnet Michael Skirl vor. Schon heute ist die JVA der größte Arbeitgeber in der Stadt.

Vielleicht einer der Gründe, warum die Bürger in der Stadt gelassen auf die Erweiterungspläne reagieren. „Eine Bürgerinitiative dagegen ist hier nicht zu erwarten“, glaubt Skirl. Schließlich lebe man in der Stadt bereits seit 1938 gelassen mit den Sicherungsverwahrten. Mehr als 300 waren in den 1960er Jahren in der JVA untergebracht. Nicht einmal im Jahr 2010, als nach einem Gerichtsurteil ein Sexualstraftäter, der als nicht reif für die Freiheit galt, aus der JVA entlassen werden musste und sich in Werl niederließ, begehrten die Bürger allzu laut dagegen auf.

„Das interessiert hier keinen“, bestätigt auch Reinhold Musga. Und lässt doch Zweifel erkennen, ob dies auch so bleiben wird, wenn sich die Zahl der Sicherungsverwahrten mit einem Anspruch auf Ausgang in die Stadt verdreifacht.