Werl.. Seit knapp 14 Jahren ist Michael Skirl Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl. In dieser Woche erscheint sein erstes Buch: „Wegsperren!? Ein Gefängnisdirektor über Sinn und Unsinn der Sicherungsverwahrung“. Der gebürtige Essener will eine Diskussion anregen.
Michael Skirl, der Werler Gefängnisdirektor, arbeitet seit mehr als dreißig Jahren im Strafvollzug. Auch wenn er seit mehr als drei Jahrzehnten für ein wirklichkeitsgetreues Bild in der Öffentlichkeit kämpft, bleibt vielen Menschen das Leben hinter Gittern ein Buch mit sieben Siegeln. Der 61-Jährige aus Fröndenberg lässt dennoch nicht locker.
In dieser Woche erscheint sein erstes Buch. „Ein erklärendes, aufklärerisches“, sagt der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl. Titel: „Wegsperren!? Ein Gefängnisdirektor über Sinn und Unsinn der Sicherungsverwahrung.“ Er sei zu seiner ersten Veröffentlichung („außer ein paar Aufsätzen und der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der JVA Werl“) wie die Jungfrau zum Kinde gekommen, erzählt der gebürtige Essener.
Gast in der Talkshow "Menschen bei Maischberger"
Nach der Aufzeichnung der ARD-Talkshow „Menschen bei Maischberger“ im April 2011 im Werler Knast sprachen ihn Vertreter des Scherz Verlages an, ob er sich nicht vorstellen könnte, seine Ansichten über Sicherungsverwahrung niederzuschreiben. Skirl erbat sich Bedenkzeit („ein Buch ist nicht mal eben so gemacht“) und startete im Juli 2011 sein Werk. Abends, an Wochenenden, im Urlaub in seinem Haus in Frankreich. „Ein gutes Stück Arbeit bis zum April 2012.“ „Aber ich bereue es nicht.“
Denn das Thema „Sicherungsverwahrung“ liegt ihm am Herzen. Es gebe so viele populistische Pauschalurteile darüber - nicht nur seitens des damaligen Bundeskanzlers Schröder, der für Sexualstraftäter ein „Wegsperren - und zwar für immer“ forderte. „Er ist gelernter Anwalt, er hätte es besser wissen müssen“, kritisiert der Gefängnischef.
Er hat sein Buch „Wegsperren“ genannt - und dahinter ein Ausrufe- und ein Fragezeichen gesetzt. Skirl will eine Diskussion anregen, Meinung verbreiten, für Klarheit sorgen. Er fordert eine rationale Betrachtung. „Wenn es mir mit meinem Sachbuch gelänge, ein bisschen Lufthoheit über die Stammtische zu bekommen, wäre ich schon zufrieden.“
Sicherheitsverwahrung war jahrezehntelang kein Thema in der Öffentlichkeit
Die Sicherungsverwahrung war jahrzehntelang kein Thema in der Öffentlichkeit. „Das hat keinen Menschen interessiert.“ Außer Politikern, die seit Ende der 90er Jahre nach jeder Einzelstraftat ein neues Gesetz verabschiedeten. Kurz nach der Eröffnung des Hauses 2 für Sicherungsverwahrte in der JVA Werl im April 1994 befanden sich 34 Menschen darin, 28 davon aus NRW. Ende 2009 waren es bereits 154 Mörder, Vergewaltiger und Serientäter, nur aus NRW. „Mehr als eine Verfünffachung, von der Öffentlichkeit unbemerkt“, sagt Skirl, der „nur mal so“ die Zahl der Gefangenen im größten Bundesland nennt: „18 000“.
„Ein Tsunami-Urteil“ schreibt Skirl über die Reform
Am 4. Mai 2011 kippte das Bundesverfassungsgericht sämtliche Gesetze zur Sicherungsverwahrung. Bis Mai 2013 muss eine grundlegende Reform her - mit einer stärkeren Ausrichtung auf Therapie und Resozialisierung. „Ein Tsunami-Urteil“, schreibt Skirl in seinem Buch. „Von einem Tag auf den anderen war die Problematik in aller Munde, wurde in die Öffentlichkeit gezerrt.“ Selbst Deutschlands bekanntestes Nachrichtenformat sendete plötzlich Skirls Meinung („ich war mein Lebtag noch nicht in der Tagesschau“).
In der Gesamtsicht sei die Sicherungsverwahrung sinnvoll und notwendig, sagt der 61-Jährige. Was er kritisiert, sind „unsinnige Detailregelungen“. Skirl wehrt sich gegen undifferenzierte Betrachtungen, nach denen die Verhängung einer nachträglichen oder zusätzlichen Sicherungsverwahrung die laschen Lebenslang-Regelungen auffangen müsse. „Sie können sicher sein, dass kein Mörder nach 15 Jahren die JVA verlässt, der noch gefährlich ist.“
Dennoch, auch jene, die schwere Schuld auf sich geladen haben, müssten prinzipiell die Perspektive haben, noch einmal ein Gefängnis verlassen zu können. Michael Skirl: „Wir wollen keine Desperados züchten, denen alle Hoffnung genommen wurde.“
Seit knapp 14 Jahren der amtierende JVA-Chef in Werl mit 850 Gefangenen
Der seit knapp 14 Jahren in Werl amtierende JVA-Chef (850 Gefangene, davon 49 Sicherungsverwahrte, 450 Bedienstete) ist kein Mensch, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Wenn die Standardraumgrößen für Studenten- und Seniorenwohnheime bei 12 bis 14 Quadratmeter liegen, wisse er nicht, warum Sicherungsverwahrten 20 Quadratmeter zugebilligt werden sollte, sagt er. „Die Frage muss man doch stellen dürfen.“
Tatort-Pathologe Joe Bausch hat Tipps gegeben
Manche Frage hat der Westfale in den letzten Wochen an den Werler Gefängnisarzt Joe Bausch gerichtet. Der „Tatort“-Pathologe hat vor Monaten sein Buch „Knast“ veröffentlicht. „Er hat mir Tipps im Umgang mit dem Verlag und für die Vermarktung gegeben.“
Skirl wird in diesen Tagen durch die Medien gereicht, sitzt kommende Woche in Markus Lanz’ Talkrunde und wird u.a. am 8. November in einer Veranstaltung der Mendener Buchhandlung Daub in der Kulturschmiede Fröndenberg aus seinem Buch lesen.
Wird er es wie Joe Bausch in die Bestsellerlisten schaffen? Michael Skirl lächelt. Der Mediziner habe ein Erzählbuch geschrieben, er ein Erklärbuch. „Joe hat eine ganz andere Medienpräsenz und Prominenz. Ich gönne ihm, dass er in einer anderen Liga spielt.“