Hamm/Werl. . Das Land NRW muss zwei ehemaligen Sicherungsverwahrte entschädigen, die zu lange in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl sitzen mussten.

Das Land NRW muss zwei ehemaligen Sicherungsverwahrten Entschädigungen zahlen, die zu lange in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl sitzen mussten. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in seinen ersten beiden Entscheidungen zu dieser Problematik festgelegt. Gleichzeitig haben die Richter der 11. Zivilkammer klar gestellt, dass die Höhe des Entschädigungsbetrags geringer sein muss als bei ehemaligen Gefangenen, die sich zu Unrecht in Strafhaft befanden.

Einer der beiden Kläger, ein 51 Jahre alter Mann, befand sich zwischen Mai 2003 und Juni 2008 in Sicherungsverwahrung. Er war einst wegen schweren Raubes zu langen Haftstrafen (7 und 14 Jahre) verurteilt worden. Für die 61 Monate in der Sicherungsverwahrung hatte er eine Entschädigung in Höhe von 46000 Euro gefordert - sein ­Anwalt hatte auf den Tagessatz nach dem Strafrechtsentschädigungs­gesetz (25 Euro) verwiesen. Das Landgericht Dortmund hatte ihm in erster Instanz nur 30 500 Euro zugebilligt.

Gefahr der Stigmatisierung

Die Hammer OLG-Richter ­bestätigten jetzt dieses Urteil. „Sie verwiesen darauf, dass nach ihrer Ansicht Geschädigte, die sich zu ­Unrecht in Strafhaft befunden ­hätten, nicht mit Geschädigten, die sich zu Unrecht in Sicherungs­verwahrung befanden, gleich zu behandeln sind“, erläutert OLG-Sprecher Christian Nubbemeyer. Demnach haben letztere keinen Anspruch auf einen Entschädigungsbetrag von 25 Euro pro Tag, sondern lediglich in Höhe von 500 Euro pro Monat.

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Die unterschiedliche Behandlung von früheren Häftlingen und Sicherungsverwahrten begründete die Kammer Nubbemeyer zufolge so: „Wer zu Unrecht inhaftiert war, wird in der Regel stigmatisiert und häufig aus einem intakten sozialen Umfeld herausgerissen.“ Bei Sicherungs­verwahrten sei dies nicht der Fall, weil sie sich üblicherweise vor dieser Vollstreckung bereits seit Jahren zu Recht in der Strafhaft waren.

Der zweite Kläger, ein 70 Jahre alter Mann, hatte 44 000 Euro vom Land gefordert. Er befand sich zwischen Mai 2006 und Februar 2011 in Sicherungsver­wahrung. Seine zuvor vollstreckte Strafhaft ergab sich aus einer ­Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs an zwei minderjährigen Mädchen. Die Richter hatten damals eine fünfjährige Freiheitsstrafe verhängt. Das OLG bestätigte jetzt das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Dortmund), dass dem Mann für seine über 57 ⅓ gehende Sicherungsverwahrung 16 665 Euro an Entschädigungen zustehen. Darin sind bereits die 12000 Euro verrechnet, die der 70-Jährige bereits vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erstritten hatte.

Sieben weitere Verfahren vor Landgericht Dortmund

Hintergrund der Entschädigungszahlungen an ehemalige Sicherungsverwahrte ist die EGMR-Rechtsprechung, nach der eine „nachträglich über die Dauer von zehn Jahren hinaus verlängerte Sicherungsverwahrung oder die nachträglich erstmalig angeordnete Sicherungsverwahrung nicht rechtmäßig ist“, so Christian Nubbemeyer, wenn es zum Zeitpunkt der begangenen Straftaten noch keine gesetzliche Grundlage dafür gab.

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Dem OLG-Sprecher zufolge liegen derzeit noch sechs weitere Verfahren zur Entscheidung, die sich mit Urteilen des Landgerichts Dortmund befassen, gegen die Sicherungsverwahrte oder das Land NRW Berufung eingelegt haben. Darin gehe es um geforderte Entschädigungssummen zwischen 23 000 und 111 000 Euro.

Vor dem Landgericht Dortmund sind bereits sieben Verfahren mit der Thematik „Entschädigungen für ehemalige Sicherungsverwahrte“ abgeschlossen worden, ohne dass Berufung eingelegt wurde. Drei ­Verfahren wurden außergerichtlich beendet. Vier Verfahren sind noch im außergerichtlichen Stadium, weil ehemaligen Sicherungsverwahrten Prozesskostenhilfe verweigert ­wurde.