Soest. . Seit 30 Jahren läuft Heinrich Amelunxens „Karussell ohne Hydraulik“ auf der Soester Allerheiligenkirmes wie geschmiert. Sein 7,50 Meter hoher und 4,50 Meter breiter Wagen ist mehr als ein Verkaufsstand für Honiglikör.
In seiner Bude zieht der Besitzer eines Betriebes für Bienenwachs-Verarbeitung und Imkerei-Bedarf auch in diesem Jahr wieder fünf Tage lang eine Show ab, die ihresgleichen sucht. Erstmals darf er seinen Doktortitel präsentieren: Beim Deutschen Patentamt in München hat sich das Soester Original den Namen „Dr. met“ schützen lassen.
„Heiliger Strohsack“, würde Dr. met Heinrich Amelunxen sagen. Oder: „So bin ich eben.“ Wenn er sein Mikrofon in die Hand nimmt, Dönekes erzählt, den Gassenhauer „Drei weiße Tauben“ abspielt und „Blödsinn zelebriert“ (Selbstbeschreibung), kann er auch die Geschichte erzählen, wie er zu akademischen Ehren kam.
Beim Deutschen Patentamt war der 57-Jährige kein Unbekannter: „Die haben mich schon für bekloppt gehalten, als ich das Namensrecht für ,Karussell ohne Hydraulik’ beantragte“. Aber er erhielt das Patent und hatte schon das nächste Projekt im Kopf: Dr. met. Der erste Versuch wurde abgelehnt. Doch der Diplom-Ingenieur und sein Patentanwalt ließen nicht locker. Nach Wochen kam der positive Bescheid: „Die drei Obersten vom Patentamt sollen das entschieden haben.“
675. Allerheiligenkirmes
Schon als kleiner Junge mit den Eltern zur Kirmes gegangen
Als kleiner Junge sei er schon mit seinen Eltern zur Kirmes gegangen, erzählt der Mann mit dem Gamsbart-Hut. Fasziniert war er von den „vielen Leuten, die etwas vorgeführt haben“. Sein Wunsch für später stand fest: ein Stand auf der größten Innenstadtkirmes der Welt. „Ein Spleen“, sagt er und erzählt von seinem ersten Mal. Damals hatte er noch keine Sprechanlage. Nach zehn Minuten war seine Stimme weg. Das ist ihm seitdem nie wieder passiert: „Kein Witz: Ich nippe zwischendurch an meinem Honiglikör. Wenn das Zeug die Kehle herunter fließt, schmiert es wie Öl in einer Maschine.“
Womit wir beim Wesentlichen sind: „Kommt, jetzt müsst Ihr erst mal probieren!“ Sagt’s und schüttet Tropfen des „hundertprozentigen Qualitätsprodukts“ (30 Prozent Alkoholgehalt) in Waffelbecher mit Schokoladenrand. Man hätte es nicht mit Heinrich Amelunxen zu tun, wenn nicht ein Eichstrich die essbaren Trinkgefäße zierte. „Langsam, langsam“, mahnt der Soester und führt den richtigen Gebrauch vor: Man nehme den Becher, führe die Lippe an die Schokoladenglasur, lasse die Flüssigkeit sanft darüber gleiten und auf der Zunge zergehen. „Bloß nicht herunterstürzen. Der Likör muss auf der Zunge tanzen.“ So schmecke man den Alkohol nicht.
Es gehe ihm nicht darum, versichert der 57-Jährige, die Leute abzufüllen oder ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. „Ich sehe das nicht geschäftlich. Der Spaß ist mit Geld nicht zu bezahlen.Ich bin kein Schausteller. Ich gehe nicht woanders hin.“
In den ersten Kirmes-Jahren mit Musik hat er James Last & Co. aufgelegt. Bis die drei weißen Tauben kamen und zum Kulthit des „Karussells ohne Hydraulik“ wurden. Seitdem stimmt das Kirmesvolk ein „Guru guru guru, guru guru guru“ an, was nicht das zweite Futur bei Sonnenaufgang ist, dennoch sehr an Loriot erinnert. Fünf Tage herrscht Halligalli bei Amelunxen, und wenn er spätabends seinen Stand schließt, zieht er mit seinen Mitarbeiterinnen noch los. „Wenn ich sofort nach Hause gehen würde, wäre das eine Blamage für die Kirmes.“