Sundern. Wie fühlt es sich an, sich in einem fremden Land integrieren zu müssen? Und wie ist dies, wenn man Schwarz ist? Kelly aus Sundern erzählt es.
„Keiner wollte mit mir reden“, sagt Kelly, „ich saß immer alleine da.“ Der 24-Jährige lebt seit 2017 in Deutschland - und kommt aus Nigeria. Seine Hautfarbe: Schwarz. Und genau das hemmt seine Integration.
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Knapp ein Jahr verbringt Kelly in einer Kasseler Erstaufnahmeeinrichtung, bevor er für kurze Zeit nach Burbach geschickt wird, um danach dann monatelang in einer Zentralen Unterbringungseinrichtung in Olpe zu wohnen. Eine verlorene Zeit. „Da konnte man nur schlafen und essen“, sagt er. Sein damaliges Ziel: Bloß nicht auffallen und keinen Ärger mit der Polizei bekommen. 2019 erhält er seine Zuweisung in die Stadt Sundern.
Über die Landesinitiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ lernt er Daniel Büenfeld (Caritasberatung für Geflüchtete) kennen. Dieser unterstützt Kelly seither. Kelly findet einen Job bei einem renommierten Unternehmen - und startet kurz danach in die Ausbildung. „Sprachlich und auch inhaltlich war das jedoch zu schwierig für ihn“, sagt Werner Hagedorn, der ihm seit gut eineinhalb Jahren Nachhilfe beim Deutschlernen gibt. „Mathematisch ist er leider auch nicht fit genug.“
Kelly hat in Nigeria nur wenige Jahre die Schule besucht - und steht in Deutschland vor der großen Hürde der allseits geforderten Integration. Die Ausbildung bricht er nach kurzer Zeit im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber ab - bleibt jedoch als „Hilfskraft“ im Betrieb. „Ich habe mich auch in der Berufsschule nicht wohlgefühlt“, sagt Kelly. Keiner habe etwas mit ihm zu tun haben wollen - niemand habe mit ihm gesprochen. „Ich war der einzige Schwarze dort“, sagt er und senkt seinen Blick, als schäme er sich dafür. „Es gab noch einen Mitarbeiter in der Kantine, der kam aus Guinea. Da bin ich manchmal hingegangen.“
Kantinenmitarbeiter „bester Freund“
Der Kantinenmitarbeiter wird sozusagen „Ansprechpartner in der Not“, denn Kelly verbringt hier nicht nur seine Vormittage, sondern lebt während des Blockunterrichts auch vor Ort. Niemand will mit ihm auf einem Zimmer leben - Streiche gespielt werden ihm dennoch. „Einmal schmierte ein Schulkamerad Schokolade an meine Türklinke“, erzählt er, „ich habe das gesehen. Doch hinterher behauptete er, er habe nichts gemacht.“ Keine gute Grundlage, um gezielt zu lernen. Im Vorbeigehen wird er gerne auch mal als „Hurensohn“ bezeichnet. Nichtwissend, was dieses Wort bedeutet, kontaktiert er wiederum seinen guineanischen Ansprechpartner in der Kantine.
Was, wenn?
Alltagsrassismus tritt überall auf. In der Freizeit, im Beruf, auf Wohnungssuche, in Behörden etc.
Wer selbst betroffen ist, Rassismus beobachtet oder aber Infos haben möchte, kann sich an Daniel Büenfeld, Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit/regionale Flüchtlingsberatung der Caritas, wenden: Tel. 02931/545054
E-Mail: d.bueenfeld
@caritas-arnsberg.de
Genau diese und viele weitere schlechte Worte sind es, die Kelly Tag für Tag klarzumachen versuchen, dass er „anders ist“, dass er „hier nichts zu suchen hat“ und dass er nur „der Nigger ist“. Denn auch letzteres Schimpfwort wird ihm immer wieder zugeworfen. Im Alltag - einfach so. An der Bushaltestelle oder auch anderswo. Was macht man in einer solchen Situation? „Durchhalten“, sagt Kelly, „durchhalten und einfach weggehen.“ So seine Taktik.
Erst kürzlich habe jemand an der Bushaltestelle ihn wieder als „Nigger“ beschimpft - er sei dann einfach weggegangen. Auch, wenn es ihm manchmal sehr schwer falle - er wolle keinen Ärger, vor allem nicht mit der Polizei. Bisher sei ihm dies auch gelungen - bis auf ein Mal. Da habe er erstmals „ein Problem“ mit der Polizei gehabt.
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Die größte Sorge des jungen Mannes ist, dass er sich, mitunter auch aufgrund solcher Vorfälle, die Chancen auf ein Bleiberecht in Deutschland „selbst“ versemmelt. Dass er sich nicht so integrieren kann, wie er es sich vorstelle. Denn er habe den Kopf nicht frei. Denke über vieles nach - Altes und Neues. „Ich habe keine Freunde hier“, sagt er, „treffe mich ab und zu nur mit Menschen, die meine Sprache sprechen.“ Generell ginge er ungern vor die Tür - eben wegen der vielen, vermeintlich kleinen, Provokationen im Alltag. „Durchhalten“, wiederholt er, „durchhalten.“ Sein Ziel: Eine Ausbildung machen.