Hachen. „Mein Körper gehört mir!“ heißt das Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt, an dem die Grundschule Hachen teilnimmt. Wieso und wie.

Alle Augen sind auf Joeri Burger und Stefanie Barleben gerichtet. Die Kinder der Klasse 4a sind begeistert und mittendrin. Euphorisch ahmen sie all die Bewegungen der beiden Theaterpädagogen nach. Hier finden gerade die Spiel- und Interaktionsszenen des Projekts „Mein Körper gehört mir!“ statt.

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Seit dem Schuljahr 2019/2020 lernen die Kinder der Kath. Grundschule Hachen wie auch an der Röhrschule Hüsten, sich für ihre Rechte stark zu machen und sich selbst zu schützen. Gleichzeitig aber auch, die Schule als geschützten Raum zu erleben. Als Raum, in welchem man auch über seine Gefühle sprechen kann. „Und dann kam Corona“, sagt Anja Schulte-Hilburg, Schulleiterin an der GS, „trotzdem haben wir das Projekt durchgeführt, draußen an der frischen Luft mit viel -sehr viel- Abstand.“

Mittendrin statt nur dabei. Die Jungen und Mädchen ahmen sämtliche Bewegungen nach, die das theaterpädagogische Team ihnen vormachen. 
Mittendrin statt nur dabei. Die Jungen und Mädchen ahmen sämtliche Bewegungen nach, die das theaterpädagogische Team ihnen vormachen.  © Thora Meißner

Seit 1994 ist die tpw theaterpädagogische werkstatt gGmbH mit ihrem Präventionsprogramm gegen sexualisierte Gewalt an den Schulen im Bundesgebiet unterwegs. Zwei Theaterpädagoginnen und -pädagogen, in der Regel eine Frau und ein Mann, spielen Szenen, die sich inhaltlich an der Lebenswirklichkeit von Kindern orientieren, wie Begegnungen im Bus, Spielen auf dem Schulhof oder das Finden neuer „Freunde“ im Chat.

Der Präventionsansatz verfolgt die Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema sexualisierte Gewalt, um Kindern die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zu geben. Die offene Ansprache der Problematik und die Vermittlung von Handlungsmöglichkeiten sind ein wichtiger Bestandteil der präventiven Arbeit. Das Ganze wird über eine theatral-ästhetische Ausdrucksform vorgebracht. Die Kinder wählen selbst, ob sie eher kritisch distanziert bleiben möchten oder sich entsprechend einbringen. „Das ist ein wirklich gutes Projekt zur Prävention sexualisierter Gewalt“, sagt Anja Schulte-Hilburg, „die Kinder lernen so auf spielerische Art und Weise, wie sie gute Gefühle und schlechte Gefühle ausdrücken können und dass sie auch mal Nein sagen dürfen.“

Sexuelle Gewalt häufig im engeren Umkreis

Sexuelle Gewalt kommt insbesondere in der Familie und im Bekanntenkreis vor, aber auch im außerfamiliären Umfeld (Schule, Verein und Co.). In den überwiegenden Fällen sind die Kinder mit ihren Peinigern oder auch Peinigerinnen verwandt. Und da ist es völlig egal, wie alt die Kinder sind oder aus welchem sozialen Umfeld sie kommen, auch Kleinkinder und Säuglinge können Opfer werden.

Daher sei es umso wichtiger, so Anja Schulte-Hilburg, die Kinder in gewisser Art und Weise zu sensibilisieren. Das sei kein Garant dafür, dass dann „nichts mehr passiere“. Aber dennoch stärke dieses Projekt die Kinder und führe zu mehr Selbstbewusstsein. „Damit die Kinder sich auch trauen, Nein zu sagen.“ Das Projekt fördere genau das. Nämlich das Selbstbewusstsein der Dritt- und Viertklässler.

„Mein Körper gehört mir!“ ist jedoch nur ein Teil des gesamten Präventionspaketes. Denn für die Erst- und Zweitklässler steht das Projekt „Die große Nein-Tonne“ auf dem Stundenplan. Die „Entdeckungsreise ins eigene Selbstbewusstsein“ wird ebenfalls von den beiden Theaterpädagogen durchgeführt und bezieht sich in erster Linie auf Gefühle und Ängste. Letztendlich bereitet aber auch die große Nein-Tonne bereits auf das Thema „Sexuelle Gewalt“ vor – wenn auch noch kindgerechter.

Wenn der Ernstfall eintritt

Und was, wenn es doch geschieht? Was unternehmen Schulen, wenn sie vermuten oder Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Kind unter anderem sexueller Gewalt unterliegt? „Wir haben selbstverständlich ein Schutzkonzept, das den genauen Ablauf vorgibt“, sagt Anja Schulte-Hilburg, „das muss jede Schule haben.“ In diesem sei beispielsweise festgeschrieben, was zu tun ist, sollte einem auffallen, dass ein Kind viele blaue Flecken habe.

Neben der Hinzuziehung der Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter seien auch die sogenannten insoFas (Insoweit erfahrene Fachkraft gemäß § 8a/b SGB VIII), sprich offiziell weitergebildete im Kinderschutz tätige pädagogische Fachkräfte, einzubeziehen.

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Es käme dann auf „den Fall“ und die Absprache mit dem Jugendamt an, ob gegebenenfalls ein Elterngespräch in der Schule stattfinde oder das Jugendamt direkt aktiv würde. „Bei sexueller Gewalt jedoch findet definitiv kein Gespräch in der Schule statt“, erklärt sie weiter, „dann wird das Jugendamt direkt aktiv.“

Jugendamt bei sexualisierter Gewalt direkt im Boot

Fakt sei jedoch, dass das Jugendamt in allen Fällen häuslicher oder auch sexueller Gewalt direkt informiert würde – und die einzuleitenden Maßnahmen ausschließlich in direkter Absprache mit demselben stattfänden.

Anja Schulte-Hilburg ist es wichtig zu betonen, dass weder Klassenlehrerinnen noch Schulleitung in solchen Fällen „auf eigene Faust“ handelten. Die Präventionsprogramme „Mein Körper gehört mir“ wie auch „Die große Nein-Tonne“ sollen dazu beitragen, dass die Kinder , um über ihre Gefühle zu sprechen – und das Ganze kindgerecht.

Die Mädchen und Jungen der Klasse 4a jedenfalls haben mächtig Spaß – und gleichzeitig, niederschwellig, etwas sehr Wichtiges gelernt: Sie müssen sich sexueller Gewalt nicht beugen und können mit ihren Klassenlehrerinnen und Schulsozialarbeiterinnen über ihre Gefühle oder auch Erlebtes reden.