Allendorf. Mit seinem kultigen Laden „Leserille“ in Allendorf ist Hans-Georg Lehnert eher ein Geheimtipp – noch...

Vinyl erlebt einen Boom. Es sind nicht nur ältere Jahrgänge, die Schallplatten kaufen, auch die „Generation Streaming“ entdeckt den Reiz der Rillen. Dahinter stecken der Wunsch nach selbstbestimmtem Musikgenuss und eine neue „Lust am Analogen“ in einer zunehmend digitalisierten Welt...

So viel zur Theorie (hat übrigens das Format „Planet Wissen“ aufgestellt) – wer die Praxis sucht, wird in Allendorf fündig; genau gesagt in der „Leserille“ (Halmersreihe 3).

Wobei der Begriff „Comeback“ dort nicht wirklich zutreffend ist, denn Hans-Georg Lehnerts Leidenschaft für die schwarzen Scheiben ist im Laufe der Jahrzehnte nie abgekühlt – und seine Kundschaft teilt diese Liebe zu analogen Tonträgern. Schon seit 2007 betreibt der Allendorfer sein kultiges Geschäft – doch das „Geheimtipp-Image“ haftet dem in einem ehemaligen Kuhstall untergebrachten Laden bis heute an. Allerdings könnte sich das schnell ändern, denn seit einigen Monaten nutzt Hans-Georg seine Location für kleine, aber feine Konzertveranstaltungen und weitere Events. Dabei ist er nicht allein:

Vom Kunden zum Mitgestalter

Unterstützung erhält der „Herr der Rillen“ von einigen Freunden und „Gleichgesinnten“, darunter Christoph Lindhauer, der zunächst als Kunde in der „Leserille“ vorbei schaute, inzwischen jedoch längst ein Freund und Mitgestalter ist.

„Ich bekam einen Plattenspieler geschenkt“, erzählt der Langscheider, „und auf der Suche nach Schallplatten dann den Tipp, es doch mal in Allendorf zu versuchen. Dort war er an der richtigen Adresse: Etwa 30.000 gebrauchte Platten aus allen Musikbereichen sind im Angebot – darunter Singles, Maxisingles, Langspiel- sowie einige Schellackplatten. Teils sind die Tonträger sortiert nach Musikstilen wie Schlager, Klassik, Soul, Hardrock, Rock ‘n’ Roll, teil nach Interpreten von A bis Z. Als begeisterter Kunde zog Christoph die Spendierhosen an: Der Betreiber der Webdesign-Agentur „f5.design“ baute für Hans-Georg eine neue Webseite, auf der die besonderen Öffnungszeiten und Events in der Leserille nun regelmäßig gepflegt werden.

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Zuvor wurde der Plan geschmiedet, den Laden auch für Veranstaltungen und kleinere Konzerte zu nutzen: „Das Ambiente zwischen all den Schallplatten, Büchern und Abspielgeräten lud förmlich zu dieser Idee ein“, meint Lindhauer.

Ausreichend Platz für eine kleine Bühne mit benötigter Licht- und Tontechnik ist ebenfalls vorhanden; ebenso wie viele Leute, die bei der Umsetzung halfen. Die Idee nahm schnell Gestalt an; im vergangenen Herbst folgte der Startschuss.

„Monoteur” und „Nao Katafuchi” – beide mit markantem Synthesizer- und Gitarrensound – machten den Auftakt. Im Dezember präsentierte der Detmolder Ian Leding sein neues Album in der „Rille“.

Erst vor wenigen Tagen folgte ein Auftritt des aus Sundern stammenden Gitarristen und Musikpädagogen Dominik Jung. Mit Laute und Gitarre nahm der Wahl-Siegener die Zuhörer mit auf eine musikalische Reise durch 500 Jahre Gitarrenmusik. Die Gäste im gut gefüllten Ladenlokal waren begeistert – nicht etwa weil es, wie bei allen Gigs, freien Eintritt gab, sondern, weil die Atmosphäre dort etwas ganz Besonderes ist. Darauf setzen die Veranstalter auch mit Blick auf anstehende Events: Am 4. Februar schaut Comedian und Malerin Relindis Bergmann aus Hachen vorbei, bietet ein „Best of“ mit ihrer Band – und präsentiert obendrein eine Ausstellung ihrer Bilder. Für den 11. März ist ein Quizabend in der Leserille geplant.

Schallplatten-Stammtisch

Interessant für Vinyl-Freaks dürfte auch der „Schallplatten-Stammtisch“ sein, den „H-G“ Lehnert regelmäßig zu diversen Themen anbietet. „Alles – außer gewöhnlich“ sind die Veranstaltungen allemal, nicht nur für Stamm- sondern auch für Neukunden. Und wer möchte, kann auch ein bisschen einkaufen; nicht nur Schallplatten, sondern auch Bücher; schließlich steht der Name „Leserille“ nicht ohne Grund an der Tür: Das Angebot umfasst gebrauchte, aber gut erhaltene Titel – von Romanen über Kinderbücher, Sach- und Fachliteratur (Natur, Reisen, Geschichte, Kunst und Kultur) bis hin zu Autobiografien oder Kochbüchern. Allerdings ist das Buchgeschäft eher ein „Nebenschauplatz“: 90 Prozent seiner Kundschaft kämen wegen der Tonträger, schätzt Lehnert. „Und das ist auch genau mein Ding“, sagt der 54-Jährige, der etwa die Hälfte seines Lebensunterhalts mit der „Rille“ bestreiten kann. Reich wird er dabei nicht – aber zufrieden ist er allemal – und Humor hat er auch:

Auf der Webseite bewirbt der Allendorfer seine – eher hobbymäßigen – Auftritte als DJ mit den Worten: „Du rufst an – ich leg auf!“

Gut, dass er das bei meinem Anruf nicht getan hat, sonst wäre diese Geschichte heute nicht im Blatt…

Künstler, die Interesse haben, in der Leserille aufzutreten, können sich melden – wer weiß, vielleicht ist ja demnächst ein „Hammer“ dabei? „Depeche Mode“, meint „H-G“ – und, da bin ich mir sicher“, schmunzelt mit dem Handy am Ohr...