Sundern/Arnsberg. Nach zehn Verhandlungstagen im zweiten Anlauf sind Samstag im Prozess gegen eine Drogenbande aus Sundern die Urteile gesprochen worden.

Das gab es zumindest in den letzten Jahrzehnten noch nie am Landgericht Arnsberg: Ein Urteil an einem Samstagmorgen. So fielen nun an diesem Samstag die Urteile gegen vier der anfangs sechs Angeklagten, alle aus Sundern, die nach Auffassung der 2. Großen Strafkammer über längere Zeit eine Drogenbande waren.

Vorsitzende Richterin Dorina Henkel machte dies in ihrer Begründung deutlich. Sie stützte sich dabei auch au

f ein Urteil des Bundesgerichtshofs: Darin werde eine Bande als existent angesehen, auch wenn sich nicht alle Mitglieder kennen würden. Dies hatten mehrere Angeklagte immer wieder im Prozessverlauf

Die Polizei stellte Drogen in Sundern, Amecke und Stockum sicher und nahm im Februar 2020 etliche Männer fest Foto: Polizei HSK  
Die Polizei stellte Drogen in Sundern, Amecke und Stockum sicher und nahm im Februar 2020 etliche Männer fest Foto: Polizei HSK  

betont. Einer hatte für sich auch deshalb das Verhandlungsangebot des Gerichts zu Beginn des Verfahrens nicht angenommen.

Am Ende gab es für die beiden Haupttäter, die im Jahre 2019 ihre konkurrierenden Geschäfte mit Drogen zusammenlegten, sieben Jahre Haft für den 31-jährigen und sechs Jahre Haft für den 28-jährigen Angeklagten. Angesichts der erheblichen Sucht beider und der besonderen gesundheitlichen Situation des 28-Jährigen sieht das Gericht die Behandlung beider in einer Entziehungsanstalt vor. Angesichts der 13-monatigen U-Haft geht es für das Duo nun recht schnell in den etwa zweijährigen Entzug (siehe Infobox zum angewandten Paragraph 64 Strafgesetzbuch).

Mittäter erhalten Bewährung

Die beiden weiteren Mitangeklagten aus Dorsten und Sundern (31 und 34 Jahre) wurden jeweils zu einem Jahr und acht Monaten Haft bei einer Bewährungszeit von drei Jahren verurteilt. Außerdem gibt es folgende Auflagen: eine Sozialstrafe von 200 unentgeltlichem Arbeitsstunden sowie eine mindestens einjährige Suchtberatung (12 Termine), die dem Gericht gemeldet werden muss.

Bewährungsstrafen für Mittäter

Das Gericht sieht es als gegeben an, dass die beiden Haupttäter und der angeklagte Dorstener zusammen als Bande arbeiteten. Dabei gingen sie sehr organisiert vor, um ihre bis etwa Frühjahr 2019 konkurrierenden Geschäfte gemeinsam durchzuführen: Wichtig sei, so Vorsitzende Richterin Dorina Henkel, dass die beiden Männer eine Arbeitsteilung und eine Gleichberechtigung am Profit vereinbart hätten. Dem Dorstener, der das bisherige Geschäft mit Kleinkunden übernahm, gewährten die Sunderner große Freiheiten: So konnte er die Gewinne einstreichen. Der 28-Jährige behielt sein Geschäft mit lukrativen Kleinkunden, der 31-Jährige sollte nach den Absprachen die Großkunden versorgen.

Lager und Bunker angelegt

Für die Bande spreche auch, dass man verschiedenste Bunker bzw. Lager anlegte, so etwa in einer Garage

Urteil am Samstag: Vorsitzende Richterin Dorina Henkel (2. von rechts) bei der Urteilsverkündung gegen die Sunderner Drogenbande
Urteil am Samstag: Vorsitzende Richterin Dorina Henkel (2. von rechts) bei der Urteilsverkündung gegen die Sunderner Drogenbande © WP Sundern | Matthias Schäfer

an der Silmecke oder in einer leerstehenden Wohnung. Außerdem sprach man Kollegen an, ob sie nicht als Lagerhalter arbeiten wollten: In einem Fall wurden dort die Zutaten wie Amphetaminöl in Kanistern deponiert, bei einem anderen fertige Drogen. Ein weiterer Aspekt, der für eine Bande spreche, sei das Handy, dass der Dorstener erhalten habe: Dort waren Nummern der Kunden, Preise etc. genau hinterlegt. „Er bezeichnete das Duo auch immer als meine Chefs“, so Dorina Henkel dazu. Für die Angeklagten spreche, dass nicht vorbestraft waren und meistens weiche Drogen verlauft hätten.

Die Verteidiger der Bande, allen voran Dr. Patrick Gau aus Dortmund, Benedict Heiermann aus Coesfeld und Jan-Henrik Heinz aus Dortmund fanden das Urteil „außerordentlich fair“. Es beziehe die gesundheitliche Situation ihrer Mandanten ein. „Mein Mandant ist sehr krank und braucht jetzt die richtige Behandlung“, so Dr. Gau.

Wert der Drogen geringer

Im Gegensatz zu der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft blieb von einem Millionenwert der Drogen bei der Bande am Ende des Verfahrens nur ein Wert von etwa 275.00 Euro übrig: „Das liegt an den unterschiedlichen Ansätzen, die die Kripo damals und letztlich dann die Richterin im Zweifel für die Angeklagten angesetzt haben“, so Staatsanwältin Sarah Korves nach dem Urteil gegenüber unserer Zeitung. Man sei nun von dem untersten realistischen Wert für die jeweiligen Drogen ausgegangen.

https://www.wp.de/staedte/arnsberg/sundern-angeklagte-bestreiten-teil-der-drogenbande-zu-sein-id231263838.html

Urteil am Samstag

Das Urteil an einem Samstag rundete das Bild von einem besonderen Prozess ab: So wurde das Verfahren gegen die sechs Angeklagten erstmals im August 2020 eröffnet, aber wegen Erkrankung einer Berufsrichterin kam es nicht über den sechsten Verhandlungstag hinaus. Ein Tag fiel komplett aus, weil ein Angeklagter nicht aus der Justizvollzugsanstalt überstellt wurde.

Im Dezember 2020 begann der Prozess ganz von vorn. Dann verhinderten Anfang Februar heftige Schneefälle im Raum Hamm eine Verhandlung, da ein Angeklagter nicht transportiert werden konnte. Zudem setzte auch noch die Corona-Pandemie Grenzen und ein Verhandlungstag wurde vorzeitig beendet, ein anderer fiel ganz aus.

Corona-Schutz setzt Grenzen

Dazu setzten die Corona-Schutzverordnungen Grenzen: In kleinen Zellen mit Plexiglasscheiben abgetrennt saßen die zeitweilig sechs Angeklagten und 12 Verteidigerinnen und Verteidiger im Saal 3. Dazu kamen fünf Richter und Schöffen, Staatsanwältin, Gutachter, Zeugen, Presse und Zuhörer. Unterbrochen wurde das Verfahren so oft durch angeordnete Lüftungspausen.

Nach den Verzögerungen wurde in der vergangenen Woche zwei Mal nachmittags bis in den Abend verhandelt und das Urteil am Samstag gesprochen. Diese Dichte war erforderlich, denn ohne diese ungewöhnliche Terminplanung hätte sonst der Prozess abermals aus der Drei-Wochen-Frist laufen und platzen können. Bedingt durch die komplizierte Terminfindung bei den vielen Beteiligten war es Ende Februar nur schwer möglichst alle unter einen Hut zu bringen. Zumal die Verteidiger schon in zahlreichen neuen Verfahren engagiert waren. https://www.wp.de/staedte/sundern/drogenbande-sundern-staatsanwaeltin-fordert-hohe-haftstrafen-id231775325.html

Neue Verfahren starten diese Woche

Am Freitag, 19. März, beginnt nun das erste von zwei abgetrennten Verfahren, dort muss sich dann ein 29-Jähriger verantworten. Er sitzt gerade noch in U-Haft und war am 15. Februar 2020 in Meschede auf einem Tankstellengelände verhaftet worden. Gegen einen weiteren Sunderner beginnt das abgetrennte Verfahren am 23. März. Er soll nur kurz Mitglied der Bande gewesen sein. https://www.wp.de/staedte/sundern/drogenbande-sundern-staatsanwaeltin-fordert-hohe-haftstrafen-id231775325.html