Sundern. Bande oder nicht? Die meisten der sechs Angeklagten im Landgericht bestreiten es vehement. Sie haben nur gewisse Arbeiten übernommen.

Arnsberg/Sundern. Mehr über die Angeklagten erfahren, mehr über die inneren Zusammenhänge und -arbeit der angeblichen Drogenbande aus Sundern hören, das war das Ziel am dritten Verhandlungstag vor dem Landgericht Arnsberg. Dort müssen sich seit 8. Dezember sechs Männer aus Sundern und Dorsten für ihre Taten zwischen Anfang 2019 und Anfang 2020 rechtfertigen.


Vor allem Vorsitzende Richterin Dorina Henkel fragte immer wieder nach dem Kennenlernen und dem Bekanntsein der Männer untereinander. Dabei zeigte sich, das sowohl ein 35-jähriger sowie ein 36-jähriger Angeklagter, nur die beiden Haupttäter kannten. Weitere Angeklagte seien ihnen nicht bekannt. Das bestätigte auch ein 29-Jähriger, dem die Belieferung von Großkunden vorgeworfen wird. Die beiden Männer erzählten, dass sie als sogenannte Bunker gearbeitet hätten. Bei dem 36-Jährigen waren große Mengen flüssiger Zusatzstoffe zur Herstellung von Amphetamin sichergestellt worden. Er erklärte, dass er sich aussuchen konnte, ob er für die Bunkerung monatlich 100 Euro oder entsprechend Marihuana hätte haben wollen.

Beide Männer berichteten, dass sie nichts über die Geschäfte der beiden Haupttäter gewusst hätten: "Aber ich bin nicht doof, ich habe aus Eigenschutz nicht näher nachgefragt", erklärte der 36-Jährige. Aber aus der Zusammensetzung der Substanzen hätte man schon ahnen können, um was es ging.


Eine dritter Mann, er stammt aus Sundern und lebt nun im Ruhrgebiet, berichtete offen über seine Anwerbung durch den 31-jährigen Haupttäter aus Sundern. "Ich sollte als Läufer arbeiten", erzählte er auf Nachfragen, nach der Funktion. Der Dorstener hatte dann ein Handy, das mehrfach ausgetauscht wurde, mit den Kundenkontakten erhalten. Diese riefen dann an, er vereinbarte mit ihnen Menge, Preise und Übergabeorte. Manchmal habe er dummerweise die Ware auf Kommission abgegeben und dann Probleem gehabt, das Geld zu bekommen: "Ich konnte das nicht durchsetzen", gestand er. Er habe sich dann Hilfe bei den beiden Haupttätern geholt. Um sich das Leben im Verhandeln mit den Kunden einfacher zu machen und um nicht Namen zu verraten, habe er sie in den Telefonaten nur "Chefs" genannt. Von sich aus habe er in der ganzen Zeit keine eigene Kundensuche betrieben.


Das war bei einem weiteren Angeklagten, einem 29-jährigen Sunderner, der in Neheim aufgewachsen ist, ganz anders. Er wollte seinen eigenen Drogenkonsum mit den Geschäften finanzieren bzw. seine Schulden abarbeiten. Deshalb war er auch auf der Suche nach Kunden, die mehr als nur zehn oder 20 Gramm Marihuana abnahmen. Deshalb ging er auch auf die Frage eines Schulkameraden ein, der größere Mengen an Amphetaminöl suchte. "Ich habe dann mal rumgefragt, auch die beiden." Erst kam nichts zurück, dann erhielt er ein Okay aus Sundern und konnte an den Kunden für 1700 Euro liefern. Der Großabnehmer steht in einem eigenen Verfahren vor Gericht.


"Und dann kam eins zum anderen", so der redselige Sunderner zum weiteren Verlauf, allerdings ohne konkret zu werden. Immer auf der Suche, um seine Schulden abzubauen, habe er im Januar Kontakt zu neuen Lieferanten bekommen. Der 31-jährige aus Sundern habe ihm 18.000 Euro gegeben, um den Kauf abzuwickeln. Aber die Männer seien nach verschiedenen Telefonaten nicht gekommen, dann aber am anderen Morgen hätten sie ihm zwei verschiedene Proben zu je 100 Gramm angeboten, im Wert von ca. 1100 Euro. Doch zum Kauf "von etwa fünf Kilo Gras" sei es nicht gekommen. Auch dieser Mittäter bestritt Mitglied einer Bande zu sein, neben den beiden Haupttätern kenne er nur den Dorstener: "Aber vom Pokern."


Anschließend wurde auch im Zusammenspiel mit Staatsanwältin Sarah Korves die Rolle des 29-Jährigen bei seiner Verhaftung auf einer Mescheder Tankstelle erörtert. Er war am 15. Februar unterwegs, um dem schon zuvor erwähnten Großkunden mit Amphetaminöl erneut zu beliefern. Es waren aber immer wieder neue Nachfragen der Juristen notwendig, um zu verstehen, was passiert war: So will der Mann bei der Verkehrskontrolle versucht haben, seine Ware zu retten: "Ich sollte Verbandskasten, Warndreieck und Warnweste zeigen. Dabei nahm ein Beamter aus einer Transportbox im Kofferraum eine von zwei Wasserflaschen. Diese schraubte er auf und roch daran: Als der Polizist die zweite Flasche greifen wollte, schritt der Angeklagte ein: "Allerdings hatte der Beamte schon zugedrückt, um zu riechen. So spritzte mir dann bei meinem Griff zu Flasche das Öl ins Gesicht und auf die Kleidung." Er habe sich nur verbieten zu wollen, sein Eigentum anzufassen.


Der Mann will sich dann umgedreht haben. Dann sei er geschlagen worden, schließlich sei er bewusstlos gewesen und hätte sich auch zwei Tage nicht waschen dürfen. Die Beamten hätten befohlen, seine Augen nicht zu öffnen, so wisse er nicht, wer der Täter sei, der ihn zugerichtet habe. Der Haftrichter ordnete dann die ärztliche Untersuchung des Sunderners an. "Mir wurde mein Arm aus- und eingekugelt, Knochen in der Schulter sind abgesplittert", beschrieb er die Schäden. Er selbst habe niemand schädigen wollen. Die Anklageschrift spricht von anderen Vorwürfen: Widerstand gegen die Staatsgewalt und Vernichtung von Beweismitteln.
Unklar bleibt auch, warum ein großes, 15 cm langes Messer in der Transportbox gelagert war. "Es ist für mich ein Werkzeug. Ich habe es auch beim Pilzesammeln benutzt", erklärte der Mann. Staatsanwältin Sarah Korves hielt ihm vor, dass er sich wiederholt ins rechte Licht setzen wolle. Aus den Abhörprotokollen der Polizei kenne man den Satz: "Dann geb ich dem einen Stich!" Auch darauf hatte der Angeklagte eine Antwort: An diesem Tag habe er einige Cocktails, Wodka und etwa 1 Gramm Kokain genossen.


Zur weiteren Klärung wird von seinem Verteidiger Wolfgang Niekrens erwogen, eine Inaugenscheinnahme der Transportbox durchzuführen: "Die müsste ja noch in seinem Wagen sein", erklärte er dem Gericht.


Fortsetzung des Verfahren ist am 12. Januar. Es sollen dann noch weitere drei Verhandlungstage folgen.

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