Sundern/Siegen. In Sundern könnte demnächst ein Experimentierfeld für die digitale Medizin entstehen. Das ist das Ergebnis des MeDiKuS-Projektes.

Das Forschungsprojekt der Uni Siegen, MeDiKuS, endete am Mittwoch mit einer Diskussionsrunde zwischen Forschern und Ärzten. Erfreulich, dass es dabei nicht nur um Rückschau auf die vergangenen 13 Monate ging, sondern schon um das Folgeprojekt „MeDiKuS 2.0“. Dieses soll erstmals in Deutschland ausprobieren, wie und ob Telemedizin auf dem Lande funktionieren kann. Ein Antrag kann im Frühjahr an den Innovationsfond des Gesundheitsministeriums gestellt werden.

Weitere Projekte

Projektleiter Dr. Olaf Gaus brachte altes und neues Projekt in Zusammenhang: „Sundern ist in der Tat ein Auftakt für elf weitere Projekte in drei Kreisen und jeweils einem in Hessen und Rheinland-Pfalz geworden. Wir reden jetzt nicht mehr über Südwestfalen, sondern über ein Projekt im Dreiländereck.“ Aufhorchen ließ Bürgermeister Ralph Brodel, der die Moderation hatte, ein Satz von Dr. Gaus: „Sundern ist ein Leitstern in formalen Fragen, etwa wie wir mit den niedergelassenen Ärzten reden und sie mit in das Projekt einbinden.“

In den vergangenen 13 Monaten wurde zunächst der Status quo in den Praxen erfragt. Dabei ging es vor allem um die Identifikation von digitalem Potenzial. Neu kamen aber dann Pflegedienste und Apotheken hinzu und letztlich auch die Befragung von 47 Patienten aus Sundern. Am Ende standen durch die Forschergruppe aus dem Bereich Wirtschaftsinformatik Anleitungen für Handlungsempfehlungen.

Datenmodell verfügbar

Sundern sei wertvoll gewesen, weil man nun über ein Datenmodell verfüge, sagte Dr. Olaf Gaus, der die Ergebnisse zusammen mit Doktorandin Caroline Reßing (M.SC.) vorstellte. Letztere hatte mit einem Team

die zahlreichen Interviews mit Ärzten, Apothekern, Pflegediensten und Patienten in Sundern geführt. Diese werden nun verschriftlich, teilweise bis zu 30 Seiten, und schon dabei mit Themenmarkern versehen. „Die Stichproben zeigen, dass es aufgeschlossene Patienten in Sundern gibt, aber auch Abneigung gegen Telemedizin.“ Das zeigten vor allem die Patientenbefragungen: Die Sunderner haben viele Trends, die es aus Studien gibt, bestätigt. Fazit von Doktorandin Reßing: „Die Erkrankung bleibt persönlich, aber es geht vieles auch digital.“ Ein besonderer Wunsch vieler Patienten: Die Arbeitsunfähigkeit per Telemedizin bescheinigen. Das führte sofort zum Einspruch von Dr. Olaf Brink: „Das ist juristisch nicht möglich.“

So konnten aber im Vorfeld schon Bereiche gefunden werden, wo Patienten bereit wären, sich der digitalen Medizin anzuvertrauen. Es gibt auch absolute Tabus: „Bei psychischen Erkrankungen wollen 97,6 Prozent mit einem Arzt ihres Vertrauens reden“, so Caroline Reßing. Bei chronischen Erkrankungen und Überprüfungen wie auch ansatzweise bei der Wundkontrolle könnte man sich vorstellen auf Telefon, Videokonferenz oder App zu setzen, ebenso bei Bluthochdruck. Besonders gewünscht waren die Erledigung von daheim bei Verordnungen, Überweisungen, Rezepten, Arztbriefen und ähnlichem, und bei akuten Magen-Darm-Erkrankungen.

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Viel Vorarbeit notwendig

Jetzt brauche man ein Experimentierfeld, so Dr. Gaus. Aber dazu gehört viel Vorarbeit, etwa den rechtlichen und ethischen Rahmen abzustecken. Vorstellbar wäre für die Forscher aus Siegen ein Projekt MeDiKuS 2.0 in Sundern. Auf einer Internet-Plattform, wo der Patient die Rechte an Daten jeweils freigibt, wären Ärzte, Kliniken, Apotheken und Pflegedienste integriert. Patienten könnten sich dann in einem Zentrum melden, dort würden ihre Wünsche und Sorgen von Assistenten entgegengenommen und gelenkt, etwa in die Buchung einer Sprechzeit beim Arzt. „Wir möchten vorsichtig beginnen. Dazu muss es für diese Patienten Experimentierklauseln geben“, so Dr. Gaus. Sei das sicher, könne man immer mehr Stress ins System geben.

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Positive Signale, aber auch Einwände

Bei der Ärzteschaft kam das positiv an. Mit einem großen Aber: „Wenn wir von unnützen Dingen entlastet werden“, sagte Dr. Gisbert Breuckmann (Ärztekammer). Gemeint sind neue rechtliche Dinge, die zeitlich enorm binden. Wenn es auf dieser Seite Entlastung gäbe, könne man sich durchaus Telemedizin vorstellen: „Ich kann aber nicht alle Patienten am Bildschirm behandeln. Und es muss in einem lokalen Rahmen bleiben.“ Dr. Christina Darsow berichtete aus ihrer Praxis, dass schon durch eine geschulte Mitarbeiterin per Telefon vorgefiltert werde.

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