Burbach. . Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat am Mittwoch die Notunterkunft in Burbach besucht. Bei dem Rundgang mit Medienvertretern wurde deutlich: Für den Politiker-Auftritt wird viel inszeniert. Dennoch: In die alte Siegerlandkaseren kehrt ganz langsam die Normalität zurück.

Im „Problemzimmer“ sitzt ein junger Mann und rasiert sich den Kopf. Er wohnt jetzt hier in Burbach mit seiner schwangeren Frau und seiner Tochter. Dort, wo Sicherheitspersonal Bewohner der Flüchtlingsunterkunft auf eine Weise behandelten, die an Guantanamo oder Abu Ghuraib erinnerten, ist jetzt ein Friseursalon.

Verwundert und gelassen schauen die neuen Bewohner dem Rummel zu, der über sie hereingestürzt ist. Längst haben sich die Vorwürfe der Flüchtlinge auf das übrige Personal ausgeweitet, mangelnde Hygiene, schlechtes Essen, kaum Wasser.

Führung nur in ausgewählten Bereiche

Die ungeheuerlichen Taten des Sicherheitspersonals mal außen vor gelassen wird klar: Hier funktioniert nicht alles. Klar wird aber auch: Es kann gar nicht funktionieren und trotzdem wird wohl getan, was eben möglich ist. Zum Beispiel sind pro Schicht nur acht Sozialbetreuer für die Probleme von fast 700 Menschen aus aller Welt zuständig, die unzählige Sprachen und Dialekte sprechen.

Die Situation war angespannt, wochenlang mussten manche Bewohner wegen einer Windpockenquarantäne in Burbach ausharren, jetzt werden sie gehört. Nach NRW-Innenminister Ralf Jäger macht sich am Mittwoch auch CDU-Chef Armin Laschet ein Bild von der Situation.

Eine Mutter zeigt abseits des Trubels die Windpocken-Pusteln am Körper ihres Sohnes: Er bekomme keine Medizin. Das medizinische Wissen um die Krankheit fehlt; alle Erwachsenen bekamen eine Spritze, die Kinder nicht. In Deutschland stecken Eltern ihre Kinder absichtlich mit dem Virus an, weil die Krankheit zwar störend, aber für sie nicht gefährlich ist. Wer sie hat, muss sie aushalten. Ein Junge dreht einen Wasserhahn auf: „Das sollen wir trinken!“, ruft er erregt. Keiner hat ihm gesagt, dass das Leitungswasser hier höchste Qualität hat.

© Hendrik Schulz

Laschet wird die Einrichtung gezeigt, das Personal achtet peinlich darauf, dass nur die ausgewählten Bereiche betreten werden. Die Böden sind noch nass vom Wischen, auf den Fluren verschwinden hastig Silhouetten mit Mopp und Eimer. Auf einer Toilette: Reste von Kotspuren, ein Stück benutztes Toilettenpapier liegt in der Ecke, wahrscheinlich in der Eile vom Reinigungspersonal übersehen.

Ein Bad für 50 Personen

Nur: Das Personal verursacht die Sauereien in den Sanitäranlagen nicht. Wenigstens einmal am Tag werde jede Toilette gesäubert, geben einige Bewohner zu. „Wenn sich 50 Personen ein Bad teilen, ist es aber immer dreckig“, sagt einer der Flüchtlinge. Eine Situation, die mit den Rahmenbedingungen und Ressourcen wohl kaum zu stemmen ist. Laschet sagt: „Wir müssen uns bemühen, den Menschen gerecht zu werden und Missstände abzuschaffen. Jeder hat das Recht, anständig behandelt zu werden. Es ist erschütternd und beschämend.“

„Wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen“

„Man sieht, wie engagiert die Mitarbeiter hier sind“, sagt CDU-Chef Armin Laschet bei seinem Besuch. „Sie versuchen, mit der Überbelegung fertig zu werden.“ Die Burbacher Einrichtung sei schlicht und einfach überfüllt, dennoch müsse man alles daran setzen, den Menschen gerecht zu werden, die aus einer Notsituation heraus nach Deutschland kommen. Er betonte: Missstände aller Art gehören abgeschafft. Regierungspräsident Gerd Bollermann: „Die Flüchtlingszahlen steigen täglich und unkontrollierbar, wir müssen einen Weg finden, wie wir damit umgehen.“

Obwohl die Einrichtung nicht für längere Aufenthalte ausgelegt sei, erkenne man Probleme und Versäumnisse. Beschwerden solle nachgegangen, langfristig Aufsicht und Kontrolle gewährleistet werden. Dabei setze er auch Hoffnungen in die Einsetzung einer Task Force, die sich um die Situation in den Flüchtlingsunterkünften kümmern soll.

Dabei ist das Problem schon länger in Düsseldorf bekannt, wie unlängst öffentlich wurde. Burbachs Bürgermeister Christoph Ewers dementiert allerdings einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach er auf Missstände beim Sicherheitspersonal hingewiesen habe. Vielmehr seien solche Bedenken bei der Bürgerversammlung geäußert worden.

Ewers verweist auf das ehrenamtliche Engagement von Kirchen, Verbänden und Institutionen: „Wir versuchen alle, trotz organisatorischer Probleme diesen Menschen das Leben hier so erträglich wie möglich zu machen.“

Politiker inszenieren heile Welt

Allerdings hätte es dafür eine solche Inszenierung nicht gebraucht. Demonstrativ essen Laschet und Regierungspräsident Gerd Bollermann eine Portion des Mittagessens. Zwar platzt ein Bewohner lautstark dazwischen: Dieses Essen sehe er zum ersten Mal. Asylbewerber, die als Küchenhilfe arbeiten und andere Bewohner wiegeln dagegen ab – das ist unser Essen. Und wo sie schon dabei sind: So sauber und aufgeräumt wie jetzt bei der Vorführung, man muss es so nennen, sei es auch nicht immer. Warum also so tun, als sei alles gut, wenn es im System knirscht?

Die Stimmung ist merklich entspannter als noch vor ein paar Tagen. Es geht weiter. Ein junger Syrer hat endlich seine Transferpapiere bekommen, er reist morgen nach Kamp-Lintfort. Für einen anderen geht es morgen nach Plettenberg. Wie es da so ist, will er wissen, muss man da auch drei Kilometer zum Einkaufen gehen? Er macht schon Pläne, ein Deutschzertifikat will er erwerben und dann sein in Damaskus begonnenes Studium wiederaufnehmen.

Er hofft, dass seine Abschlüsse anerkannt werden.