Siegen. Torten mit Krokant, Bisquit oder Schokolade, Pariser Makronen-Torte, mit Aprikosen gefüllte Baumkuchen, verzierte Füllhörner, edle Pralinés, liebevoll dekorierte Bonbonièren, Fondantkonfekt, Eisparfait oder Fruchtsorbets – die 100 Jahre alte Menükarte des Café Schubert liest sich wie ein süßes Gedicht.
In einem Online-Artikel widmet sich das Siegener Stadtarchiv den süßen Delikatessen der Stadt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Zu den ersten Häusern am Platze gehörten die Cafés des Konditormeisters Rudolf Schubert (1871-1956).
Er lernte sein Handwerk im legendären Café Kranzler in Berlin und bei der Berliner Firma Hoffmann & Tiede, Fabrikant der Sarotti-Schokolade. 1901 eröffnete Schubert sein erstes Kaffeehaus mit Feinbäckerei am Kornmarkt. Dependancen in Löhrstraße und Bahnhofstraße folgten. Dort gab es „Gefrorenes“ zum Portionspreis von 40 Pfennigen. Das Stück Sachertorte kostete vier Mark. Ein unbeschreiblicher Luxus, wenn man bedenkt, dass ein Arbeiter im Siegerländer Eisenerzbergbau 1913 knapp 1394 Mark im Jahr verdiente, 4,47 Mark pro Schicht.
Zum Kolonialwarensortiment zählte auch Exotisches: Feigen, Bananen, Aprikosen, Pistazien... Der Lebensmittelgrossist Hermann Weiner mit seinem Geschäft in der Koblenzer Straße bot am 13. Januar 1914 süße Apfelsinen (zehn Stück für 25 Pfennige)
zum Kauf an. Die idyllische Szenerie nahm durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 ein abruptes Ende. Auch Konditoren wie Rudolf Schubert waren von den Einschränkungen staatlich reglementierter Lebensmittelpolitik betroffen.
Delikatessen-Zentrum in der Oberstadt vor 100 Jahren
In der Oberstadt gab es 1913 25 Gewerbetreibende aus der Sparte „Delikatessen, Fisch und Käse“. Zwölf dieser Geschäfte lagen zwischen Kölner Tor, Löhrstraße und Marburger Tor.
29 von 96 Bäckereien in der Stadt hatten ihre Niederlassung in der Oberstadt.
15 von 45 Metzgereien sowie 16 von zusammen 43 Obst- und Gemüsehändler in Siegen betrieben hier ihre Geschäfte in der Altstadt, hinzu kamen zehn Branntwein-Kleinhandlungen, fünf Cafés und Konditoreien, sechs Kaffeeröstereien und drei Milchwirtschaften. Sogar eine Cognacbrennerei hatte hier ihren Sitz.
Die Brotgetreideordnung vom 25. Januar 1915 und die Einführung einer „Brotkarte“ im deutschen Kaiserreich hatte auch für den Kreis Siegen zur Folge, dass nur noch Einheitsbrote zubereitet werden durften: Kriegsbrot (Roggenbrot) mit höchsten 80 Prozent Roggenmehl und 20 Prozent Weizenmehl, und Vollkornbrot (Schwarzbrot, Schrotbrot) mit einem Verkaufsgewicht von drei oder sechs Pfund.