Siegen. . Klaus Merklein, pensionierter Geschichtslehrer und Mitglied im Vorstand des Aktiven Museums Südwestfalen, hat eine Dokumentation zur politischen Erinnerungskultur in Siegen erarbeitet. Das Ergebnis gibt es auf Papier und in Kürze in einer Ausstellung zu sehen.
Eine kleine Messingtafel an Gleis 4 erinnert an ein schreckliches Verbrechen. Jüdische Männer, Frauen und Kinder sind vom Siegener Bahnhof aus zwischen 1942 und 1944 in Konzentrationslager in Polen, Tschechien und Deutschland deportiert worden.
Wenige hundert Meter Luftlinie entfernt, unmittelbar neben der Nikolaikirche, ruft Germania ins Gedächtnis, dass Deutschlands Einigung im 19. Jahrhundert kriegerisch war. Das sind zwei Erinnerungsorte, die Klaus Merklein, pensionierter Geschichtslehrer und Mitglied im Vorstand des Aktiven Museums Südwestfalen, in seinem Bändchen „Denkmäler in Siegen – eine Dokumentation zur politischen Erinnerungskultur im öffentlichen Raum“ zusammengefasst hat.
Welche Gedenkorte tauchen in der Dokumentation auf?
Es ist politisch. Die 60 Denkmäler aus dem Stadtgebiet erinnern an „die Opfer von Krieg, Verfolgung und Vertreibung“, erläutert Klaus Merklein. Und zwar von den Einigungskriegen bis zu den Verbrechen der Nationalsozialisten. Das bedeutet, es beginnt mit Germania und endet bei den 92 Stolpersteinen, die an Opfer von NS-Terror erinnern, deckt also einen Zeitraum von etwa 140 Jahren ab.
Sind die Denkmäler denn noch nicht verzeichnet?
Klaus Merkleins Heft ist in der Tat Pionierarbeit. Bisher waren weder die politischen Erinnerungsorte noch deren Geschichte zusammengefasst aufgeschrieben. Entsprechend schwierig und aufwändig waren die Recherchen, schildert der Pädagoge: „Ich musste Daten suchen, eruieren und zusammenfassen.“ Auch Klaus Dietermann, Leiter des Aktiven Museums, nennt es im Vorwort „erstaunlich, wie wenig selbst offizielle Stellen wie Stadtarchiv, Grünflächenamt, Denkmalschutzbehörde [...] zu ‘ihren’ Gedenkobjekten wussten“. Das Museum zeigt ab Sonntag, 26. Januar, 15.30 Uhr die gleichnamige Ausstellung.
Unterliegt Erinnerungskultur einem Wandel?
„Alles hat seine Zeit“, sagt Klaus Merklein. Denkmäler seien immer von „Denken und Inhalten“ ihrer Epoche geprägt. Zum Beispiel „wurden viele Denkmäler zum Ersten Weltkrieg auf den Zweiten Weltkrieg weitergewidmet“, schreibt er in der Einleitung. Jedoch „ohne einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg herzustellen“. Der Nationalsozialismus als entscheidende Ursache des Krieges wurde ausgeblendet. „Die Gedenkinfrastruktur vernachlässigte vollständig die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und des Widerstands gegen den NS-Totalitarismus.“ In der Zwischenzeit aber habe sich die „Denkmallandschaft in Siegen in der Weise gewandelt, dass auch ein Gedenken an diese Opfer sichtbar wird“.
Wo ist die Dokumentation zu bekommen?
Die Arbeit umfasst 76 Seiten und ist für 9,50 Euro im Aktiven Museum, Obergraben 10, zu haben. Das Heft gibt es auch im Büro der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Häutebachweg 6.