Siegen. . Emmi ist eine rüstige Flugzeugdame und ein Unikat: Aus ganz Deutschland reisen die Fluggäste an, um im offenen Oldtimer-Doppeldecker vom Typ Focke-Wulf FW 44 Stieglitz eine Runde zu drehen. Sie bekommen atemberaubende Aussichten auf das Siegerland.
Das alte Mädchen will liebkost werden, bevor sie losrennt. Trotz hohen Alters ist Emmi nur leicht bekleidet, dennoch rüstig. Sie hält auch längere Strecken ohne Murren durch. Genügsam ist sie sowieso, ein bisschen gutes Zureden, dann tut sie was sie soll.
Das Flugzeug
Emmi ist eine Focke-Wulf FW 44 Stieglitz. Acht Exemplare dieses Musters gibt es in Deutschland, fünf fliegen noch. Emmi ist die einzige für Rundflüge. Konstruiert wurde das Modell 1926, der Rumpf ist Baujahr 1939. Die Stieglitz diente im zweiten Weltkrieg als Trainingsmaschine, die Teile lagen bis in die 70er Jahre im Hangar der Luftsportfreunde (LSV) Siegerland, bis man sich entschied, sie wieder aufzubauen. 1980 war Jungfernflug, nochmal.
Der Rumpf besteht aus Baustahl, die Tragflächen im Wesentlichen aus Holz, alles bespannt mit lackiertem Leinen. „Sehr schön, weil unkompliziert“, sagt Marco Berners, Pilot und Vorsitzender des Vereins. „Ein paar Eieruhren, der Rest ist gucken, hören, fühlen.“ Die Landung erfolgt im Blindflug, weil der Pilot hinten sitzt und nach vorn kaum etwas sieht. Berners und Emmi haben sich aneinander gewöhnt, wegen ihr hat er überhaupt erst angefangen mit der Fliegerei.Ein Kindheitstraum.
Die Vorbereitungen
„Ein altes Mädchen muss man pflegen“, sagt Marco Berners, der Aufwand ist recht groß, eine Stunde sollte man vor dem Start einplanen. Zuerst werden die sieben Zylinder des Sternmotors mit 160 PS von Hand durchgedreht. Ist Öl im Kolben, kann man das fühlen. Alles knackt sauber. Mit der Spritze schmiert er ein paar Ventilstößel nach. Während des Flugs muss kaum noch nachjustiert werden.
Mit Doppeldecker über Siegen
Dann muss ich mich für ein Objektiv entscheiden. Das Lenkgestänge läuft an meinen Beinen vorbei und wenn sich da etwas festklemmt, wären wir in der Luft manövrierunfähig. Tele oder Weitwinkel? Mein Platz ist eng, lieber Weitwinkel. Das ist kleiner, nicht dass mir der Flugwind das lange Objektiv aus der Hand reißt. Ich werde festgezurrt, Kopfhörer auf, Sprachtest, läuft. Mit den Positionsangaben über Funk kann ich sowieso nicht viel anfangen.
Nach dem Start über die Autobahn bis zur Brücke Eiserfeld
Warum mache ich eigentlich immer die Termine, die mit Höhe zu tun haben? Ich bekomme schon auf einer Trittleiter Panik, aber gefühlt hänge ich die Hälfte meines Berufslebens unter Brücken und schwanke auf Steigern über Bäumen. Was liegt da näher, als ohne Fallschirm in einen lakenbespannten antiken Holzrahmen zu steigen, der nur unwesentlich mehr Durchmesser hat als ich...
Motor zündet mit Knall und Qualmwolke
Aber nix. Berners’ Kollege reißt ein paar mal am Rotor, der zündet mit Knall und Qualmwolke, Emmi rumpelt zum Start. Die Kolben zucken, Emmi brüllt auf und schon sausen wir über die Autobahn. Der Fernsehturm ist zum Greifen nah. Flugangst habe ich wohl nicht. Das alte Mädel ist vertrauenswürdig.
Emmi fliegt wie ein Boot, schaukelt sanft auf der Dünung und wackelt mit ihren vier Flügelspitzen. Mehr ein Gleiten als ein Fliegen. Der Motor brummt, es vibriert ein bisschen, der Wind pfeift und Sonne und Wolken werfen ein Schattenspiel auf die Landschaft.
Geometrische Formen und weite Natur
Berners steuert Richtung Kreuztal, die HTS entlang, über die Uni hinweg. Links die grauen, geometrischen Formen der Stadt, rechts weite Natur. Ich fange an, Berners zu beneiden, er muss ein glücklicher Mann sein. Als Feuerwehrmann und Vereinsvorsitzender hat man sowieso dauernd Stress. Aber in der Luft ist das weit weg. Ich bin viel zu beschäftigt mit gucken und fotografieren, um Angst zu haben.
Als das Eisenbahnterminal in Sicht kommt, dreht Emmi um, über die Trupbacher Heide bis zur Brücke Eiserfeld. Berners fliegt am Liebsten im Herbst, die klare Luft, die Farbenspiele. Vielleicht kann ich ihn überreden, dass er mich dann nochmal mitnimmt.