Siegen. Zum Thema “Untergang des Abendlandes“ sollte er vor Studenten reden: Der Rassentheoretiker Tomislav Sunic. Der Siegener Professor Jürgen Bellers hatte ihn eingeladen. Nach Intervention der Hochschulleitung darf Sunic nun doch nicht reden. Es ist nicht das erste Mal, dass Bellers provoziert.

Der Siegener Universitätsprofessor Jürgen Bellers wollte einen Rassentheoretiker an seiner Fakultät reden lassen. Nach scharfer Intervention der Hochschulleitung sagt er die Veranstaltung ab. Der rechtsnationale Professor Tomislav Sunic sollte ursprünglich am 27. Juni zum Thema „Untergang des Abendlandes“ referieren.

Sunic, US-Staatsbürger und gebürtig aus Zagreb, sprach unter anderem 2012 bei der „Sommeruniversität der NPD Saar“. Die Siegener Universitätsleitung reagierte auf Nachfrage verstimmt. Die Einladung sei ohne Wissen der Uni erfolgt. Es sei Kontakt mit den zuständigen staatlichen Behörden hergestellt worden, die die Veranstaltung in Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken untersuchen werde. Auch sicherheitsrelevante Aspekte spielten bei der Prüfung durch den Verfassungsschutz eine Rolle.

Nun referiert Bellers über Neue Rechte

In einer Stellungnahme hatte Bellers die Veranstaltung im Vorfeld als politisch unbedenklich eingeschätzt. Wenn Sunic Begriffe verwende sei dies „kulturell gemeint, nie biologistisch“. Später lenkte er zum Teil ein und kündigte an, den Vortrag abzusagen. Statt dessen wolle er referieren. Thema: Zensur in den Wissenschaften? – am Beispiel der Diskussion um die Neue Rechte.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bellers die Universität Siegen provoziert. Im Mai 2012 sah sich Jürgen Bellers dem Vorwurf der Homophobie ausgesetzt. Er kritisierte damals die Pläne des Berliner Senats, im Unterricht auch homosexuelle Beziehungen als Partnerschaftsformen zu thematisieren und rief über Facebook dazu auf, seiner Gruppe „Tradition international“ zu folgen. Er nutzte dafür seine universitäre Email-Adresse.

Weltbild „weiße Rassenidentität“

In einer Rede zum Thema „Rasse und Gestalt“ für die Zeitschrift „Volk in Bewegung” gibt Sunic einen Einblick in sein, laut Bellers, rein kulturell geprägtes Weltbild. „Es gibt Orte in Berlin – ganz zu schweigen in LA, oder unten in der Unterwelt der Pariser U-Bahn, – wo ein weißer Passagier spät in der Nacht froh ist, wenn er eine Person seiner Rassenart erkennt, egal ob er Pole, Kroate, Linker oder Rechtsradikaler ist. Der flüchtige Augenkontakt zwischen beiden spricht Bände in Bezug auf ihre plötzlich abgerufene gemeinsame weiße Rassenidentität“, heißt es dort. Die „Auswirkungen der nicht-europäischen Zuwanderung und die Gefahr einer rassischen Mischlingsgesellschaft in Europa“ sei kritisch zu erörtern, schreibt Sunic: „Ein solches Mischlingseuropa ist eine echte Gefahr für alle weißen Europäer, auch für die ehemaligen Feinde.“

Dass die Weltanschauung seines Referenten auf Kritik stoßen würde, war Bellers offenbar bewusst. „Da ich Angst habe, dass mir die Antifa was anhängt, habe ich die Einladung auf Profs beschränkt“, heißt es in einem Rundschreiben. Ein Professorenkollege aus Braunschweig wies Bellers daraufhin auf Sunic’ rechtspopulistische Gesinnung hin. Auch hier gab es eine deutliche Antwort aus Siegen. Er, Bellers, kenne Sunic seit 25 Jahren. Er habe viel mit ihm diskutiert und sei nicht mit allem einverstanden. Gleichwohl verteidigt der Sozialwissenschaftler die Einladung. Ein Problem seien seine Kontakte zu manchen Gruppen, räumt Bellers zwar ein. „Aber er ist Amerikaner, die sehen das nicht so eng, außerdem ist die NPD ja noch nicht verboten.“ Er selbst lehne die Partei zwar strikt ab. Sunic „scheine dort aber mäßigend zu wirken“, schreibt Bellers weiter.

Stramm rechtsgerichtete Gesinnung

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) teilt Bellers Verständnis in dieser Angelegenheit kaum. Die Behörde, die dem Innenministerium untersteht, hatte laut Spiegel 2011 Publikationen von Tomislav Sunic untersucht und war zum Schluss gekommen, dass der „Verdacht einer stramm rechtsgerichteten Gesinnung“ bestehe. Die bpb kassierte Fördergelder ein, die für ein Seminar des Bildungszentrums der Sudetendeutschen in Bad Kissingen gewährt worden waren. Sunic hatte in den Jahren davor dort Seminare gehalten.