Burbach. . Im Hundezentrum Siegerland lernen Vierbeiner am Schweißgeruch von Herrchen und Frauchen den Blutzuckerspiegel zu erschnüffeln. Die Diabetikerwarnhunde zeigen an, dass sich im Körper des Kranken der Blutzuckerspiegel verändert. Ein Ersatz für den Arzt sind die Hunde nach ihrer Ausbildung aber nicht.

Emil schnüffelt kurz an Angelika Schornsheim herum und stürzt dann zu ihrer Tasche. Darin liegt der Notfallbeutel mit dem Blutzucker-Messgerät. Emil wühlt kurz und bringt ihn seinem Frauchen. Im Ernstfall hätte Schornsheim jetzt ihren Blutzuckerwert gemessen. Die Diabetikerin macht sich die feine Nase ihres Rüden zu Nutze: Hunde riechen Über- oder Unterzuckerung am Schweiß und im Atem eines Menschen.

„Man ist oft abgelenkt und nimmt die Hypoglykämie gar nicht wahr oder verdrängt es“, sagt Kerstin Hilpert aus Freiburg, die in der Gastronomie arbeitet. „Die Leute müssen bedient, die Getränke gezapft werden – da vergisst man das Messen schon mal.“

Dominique Beigel aus Mühlhausen kann ruhiger schlafen, seit Collie Joe im Haus ist: Ihr siebenjähriger Sohn hat Diabetes und Kinder achten beim Spielen nicht permanent auf ihren Blutzuckerspiegel. „Nachts um zwei ist oft ein Tiefpunkt“, weiß die junge Mutter, früher sei sie jede Nacht aufgestanden, um zu messen. Jetzt ist ja Joe da.

Diabetikerwarnhunde kein Ersatz für den Arzt

Diabetikerwarnhunde sind dabei aber kein Ersatz für den Arzt oder Helfer in der Not: Sie zeigen an, dass sich im Körper des Herrchens der Blutzuckerspiegel verändert, die Verantwortung für den Diabetes liegt immer noch beim Herrchen bzw. Frauchen „Der Hund kratzt und bringt den Notfallbeutel, ob ich messe und esse oder messe und spritze liegt bei mir“, erklärt Angelika Schornsheim. Meist zeigen Diabetikerwarnhunde Hypo- (Unter-) und Hyperglykämie (Überzucker) auf die gleiche Weise an. Bewährt hat sich Kratzen – denn Bellen kann alles bedeuten. Hunde bellen ständig.

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Eine besonders geeignete Rasse gibt es für die Ausbildung zum Diabetikerspürhund nicht. Alle Hunde haben eine feine Nase. Wichtig ist, dass das Tier und Herrchen zusammenpassen, ein Team bilden. Arbeitswillig müsse er sein, sagt Kerstin Hilpert, interessiert, diszipliniert. In der Öffentlichkeit an fremden Leuten hochspringen geht gar nicht. „Wenn er neben dem Bett auf dem Boden liegt und schläft und dabei den Hypo-Geruch wahrnimmt, muss er aufspringen und mich warnen“, sagt Hilpert. Bliebe das Tier faul liegen, wäre er nicht geeignet.

Gelernt wird spielerisch wie in der Hundeschule

Gelernt wird wie in der Hundeschule durch spielerische Konditionierung: Der Geruch nach Über- oder Unterzucker soll für den Hund etwas Besonderes sein. Kerstin Hilpert hat ein T-Shirt, das sie bei einem Unterzucker trug, zerschnitten, vakuumiert – damit sich die Bakterien vermehren – und ab damit ins Gefrierfach. Zum Üben holte sie einzelne Fetzen, und wenn der Hund auf den Schnipsel – zuerst zufällig – reagierte, gab es direkt eine Belohnung. Hilpert: „Wichtig ist, den Fetzen immer dicht am Körper zu haben, damit der Hund lernt, dass es kein Spielzeug ist.“

Diabetikerwarnhund reagiert zuverlässiger als jedes Messgerät 

Im nächsten Schritt wird ein Signal antrainiert, Kratzen zum Beispiel. Die Belohnung gibt es dann nicht mehr fürs Wahrnehmen des Geruchs, sondern fürs Signalanzeigen. So setzt sich das Ganze fort, Belohnung fürs Kratzen, Belohnung fürs Testgerätbringen, Belohnung für Klingelknopfbedienen. Das kann ganz individuell trainiert werden, je nach Lebenssituation des Betroffenen: Dominique Beigals Collie Joe holt zum Beispiel die Mama, statt zu klingeln.

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Der normale Blutzucker eines Menschen liegt etwa zwischen 80 und 120 Millimol pro Liter Blut. Der Hund zeigt aber nicht erst an, wenn ein Über- oder Unterzucker bereits erreicht ist, sondern sich die Werte verändern. „Selbst kleinste Veränderungen am Körper reicht er, freut sich auf seine Belohnung und kann es kaum noch abwarten“, erklärt Kerstin Hilpert. Der Hund reagiert, solange der Diabetiker selbst reagieren kann und nicht, wenn er das Bewusstsein verloren hat. Und das zuverlässiger als jedes Messgerät.

Anschaffung und Training der Hunde werden nicht bezahlt

Das aber sei bei den Krankenkassen noch nicht durchgedrungen, beklagen viele Diabetikerwarnhundebesitzer. Anschaffung und Training der Tiere werden nicht bezahlt, obwohl sie teure Krankenhausaufenthalte vermeiden helfen. Auch der rechtliche Status ist unklar: Anders als Blindenhunde – die von den Krankenkassen oft bezahlt werden – haben Diabetikerwarnhunde nicht überall Zutritt.