Hagen. Mitten in der Nacht wird Sheila unruhig. Sie spürt, dass bei ihrem Herrchen etwas nicht stimmt. Die Bardino-Mischlings-Hündin springt auf, läuft zum Bett und leckt ihr durchs Gesicht. Als sich nichts tut, beginnt die Diabetikerwarnhündin laut zu bellen.

Sheila ist der persönliche Schutzengel von Diabetikerin Michaela Saal aus Kerpen. Die Diabetikerwarnhündin kann Unterzuckerungen und Überzuckerungen an Atem und Schweiß ihres Frauchens erriechen. Eine Gabe, auf die Michaela Saal nur durch Zufall gestoßen ist: Vor rund zwei Jahren nahm sie die Hündin aus dem Tierschutz bei sich auf. „Nicht allzu lange, nachdem sie bei mir eingezogen war, weckte sie mich das erste Mal nachts. Ich stellte fest, dass ich stark unterzuckert war”, erzählt die ausgebildete Kynologin und Hundeheilpraktikerin Saal.

Unterzuckerung bemerkt

Ohne ihre Hündin hätte sie schon so manche Unterzuckerung tagsüber und auch nachts nicht bemerkt. Zuverlässig erschnüffelt Sheila Unterzuckerungen und warnt ihre Halterin. „Sie würde mich nicht einschlafen lassen, wenn sie merkt, dass etwas nicht stimmt. Sheila fängt dann an zu lecken, gibt Pfötchen und ist sehr beharrlich”, beschreibt sie.

Nachts macht Sheila einen Kontrollgang und riecht am Mund ihres Schützlings. „Sie hat einen wahnsinnig guten Geruchssinn und kann kleinste Veränderungen ausmachen”, erklärt Michaela Saal. Hündin und Besitzerin haben eine sehr enge Bindung, ohne die es nach Saal nicht funktionieren würde: „Wäre die Bindung nicht so stark, würde meine Hündin nicht erkennen, dass es mir schlecht geht.”

Erstaunliche Fähigkeit

Michael Saal erzählte ihrem Arzt von der erstaunlichen Fähigkeit ihres Hundes. Um einen endgültigen Beweis in den Händen zu halten, bekam Saal ein kontinuierliches Glukosemonitoring für 72 Stunden angeschlossen. „Die Auswertung hat ergeben, dass meine Hündin exakt sämtliche Hypoglykämien, die ich innerhalb dieser 72 Stunden hatte, zuverlässig angezeigt hat. Nun hatte ich den Beweis schwarz auf weiß, dass meine Hündin mich zuverlässig warnt.”

Ann-Katrin Afting aus Menden bildet seit drei Jahren Labradore und Retriever zu Diabetikerwarnhunden aus. Sie bietet Kurse an, an denen Diabetiker mit ihren Hunden teilnehmen können. Die Trainerin beschreibt, welche Fähigkeiten die Hunde mitbringen müssen: „Es ist wichtig, dass die Tiere freundlich zu jedermann sind und nicht ängstlich. Außerdem sollten sie sensibel sein und vom Wesen her gerne mit Menschen arbeiten.”

Hauptrudelführer

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Während des Trainings lernen die Hunde Blutzuckermessgeräte, Traubenzucker und Cola zu den Diabetikern zu apportieren. „Wichtig ist, dass das Herrchen der Hauptrudelführer ist, sonst würde der Hund nicht perfekt gehorchen”, so die Trainerin. Um die Hunde fertig auszubilden braucht Ann-Katrin Afting vier bis fünf Monate. Ihr jüngster „Schüler” war erst 20 Wochen alt.

Auf einem Übungsplatz werden Kleidungsstücke der Rudelführer versteckt, die sie zu dem Moment getragen haben, als sie unterzuckert waren. „Die Hunde suchen die Kleidung und prägen sich den Geruch ein. Die Übung ist anstrengend für die Tiere, da sie andere Gerüche draußen wahrnehmen und dadurch abgelenkt werden. Findet ein Hund das Kleidungsstück, wird er mit Leckerchen belohnt.

Suchtraining

Er lernt den Geruch mit Lob in Verbindung zu bringen: „Die Tiere nehmen den Unterzuckerungsgeruch war, verbinden es mit Futter und machen sich bei ihrem Herrchen durch Stupsen oder Bellen bemerkbar”, erklärt Afting. Neben dem Suchtraining gehören auch Bindungstraining und Unterordnungsübungen zur Ausbildung.

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Michaela Saal arbeitet auch beruflich mit Hunden und führt eine mobile Hundepraxis. Da sie genügend Erfahrung im Umgang mit Hunden hat, entschloss sie sich, ihre Hündin im Selbsttraining als Diabetikerwarnhund auszubilden.„Sheila zeigte schon von sich aus Reaktionen bei meiner Unterzuckerung.” Im Kühlschrank konservierte Saal Wattebäusche mit ihrem Speichel, zu einem Zeitpunkt, an dem sie unterzuckert war. „Ich habe meinen Hund daran riechen lassen und die versteckten Wattebäusche anschließend suchen lassen. Ich brachte ihr bei meine Tochter im Notfall zu wecken.” Viel Geduld und Ruhe sind erforderlich, um einen Hund derart zu trainieren. „Der Hund sollte ausgeglichen sein und eine besonders enge Bindung zu seinem Besitzer haben.”