Siegen-Wittgenstein/Olpe. . Die Armutsquote ist in den beiden Kreisen laut Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes so hoch wie nie zuvor. Besonders bedenklich: Die Region entwickelt sich entgegen dem Bundestrend. Es gibt weniger Arbeitslose, dafür trotzdem mehr Arme.

15,2 Prozent der Bevölkerung in Siegen-Wittgenstein und im Kreis Olpe gelten als armutsgefährdet. Diese Menschen haben also weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens im Monat zur Verfügung. Die Zahlen des Bundesamts werden mittels Befragung von repräsentativ ausgewählten Bürgern erhoben und gelten für das Jahr 2012. „Ein signifikanter Anstieg“, zeigt sich Horst Löwenberg, der Geschäftsführer der Siegener Kreisgruppe des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, überrascht.

In den fünf vorangegangenen Jahren, seit 2007, bewegte sich die Quote relativ konstant um 14 Prozent. Mit dem Anstieg auf jetzt 15,2 liegt die Region im Bundesdurchschnitt – das war bisher anders. In Nordrhein-Westfalen sind im Schnitt 16,6 Prozent der Menschen von Armut betroffen, die angrenzende Raumordnungsregion Arnsberg mit dem Hochsauerlandkreis und dem Kreis Soest liegt weiterhin konstant bei etwa 14 Prozent.

Entwicklung der Region antizyklisch

Als bedenklich erachtet Löwenberg vor allem die Tatsache, dass sich Siegen-Wittgenstein und Olpe entgegen dem Bundestrend entwickeln. „Wenn die Wirtschaft brummte, gab es auch weniger Arme“, resümiert er. Das könne so offenbar nicht mehr gelten. „Wir haben sinkende Arbeitslosenzahlen und trotzdem steigt die Armutsquote.“ Ein Grund liege sicherlich in der auf Metallverarbeitung und Maschinenbau ausgerichteten Wirtschaftsstruktur. „Die allgemeine Konjunkturbelebung wirkt sich nicht auf diese Sektoren aus, die wirtschaftliche Entwicklung der Region verläuft eher antizyklisch“, sagt Löwenberg. Siegen beispielsweise hat hohe Gewerbesteuerausfälle hinnehmen müssen – entgegen dem bundesweiten Trend.

Aus Sicht des Sozialverbands liegt eine Erklärung in der sich wandelnden Arbeitswelt: Es gebe immer mehr Menschen, die arbeiten, aber trotzdem arm sind – Stichwort Teilzeit oder prekäre Beschäftigung mit kurzfristigen Verträgen. „Viele Menschen, beispielsweise alleinerziehende Mütter, die im Supermarkt Teilzeit an der Kasse sitzen, verdienen gerade so viel, dass sie kein Harz IV beziehen“, so Löwenberg.

Bei solchen Single-Haushalten bestünde unterhalb von 849 Euro im Monat Anspruch auf Sozialhilfe, aber bereits dieser Betrag liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren gilt ab einem Betrag unter 1826 Euro als armutsgefährdet.

Befristete Jobs für Akademiker

Betroffen sind aber durchaus auch Akademiker, die sich durch befristete Jobs von Anstellung zu Anstellung hangeln. „Das weitet sich aus und wirkt sich deutlich auf die Gesellschaft aus“, sagt Löwenberg – wer einer unsicheren Zukunft entgegenblickt, werde eher nicht eine Familie gründen. Die Geburtenrate stagniert seit Jahren bei weniger als 1,5 Kindern pro Frau.

Als positives Signal wertet Löwenberg den von der Großen Koalition vereinbarten Mindestlohn von 8,50 Euro, „aber das reicht womöglich nicht“, sagt er. Gerade in Großstädten steigen die Mieten, ebenso die Energiekosten, was im Sozialhilfesatz nicht aufgefangen wird. „Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran. Was wir zum Beispiel dringend brauchen, ist mehr Geld für sozialen Wohnungsbau“, fordert der Kreisgruppen-Geschäftsführer. Hier sei in den letzten Jahren kaum etwas passiert. „Das wäre aktive Armutsbekämpfung.“