Dortmund. .

Realistisches Abbild oder übertriebenes Horrorszenario? An der neuesten Armuts-Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes scheiden sich die Geister. Sie setzt Dortmund erneut auf einen traurigen Spitzenplatz bei der Armutsgefährdung der Bevölkerung.

Jeder vierte Dortmunder gefährdet

Nach dem gestern vorgestellten deutschlandweiten „Armutsbericht 2013“ des Wohlfahrtsverbandes gilt jeder vierte Dortmunder als „armutsgefährdet“. Und die Tendenz ist weiter negativ: Der Anteil der Armuts-Gefährdeten in Dortmund nahm nach den Daten des Berichts im Vergleich zu 2011 um 2,2 Prozentpunkte auf 26,4 Prozent zu.

Ob diese Daten ein realistisches Bild vermitteln, ist nicht nur bei Statistikern umstritten. Auch die Stadt will die Aussagen des Armutsberichts nicht so stehen lassen.

Man wolle die Ergebnisse des Berichts nicht bagatellisieren. Sie bildeten die realen Lebensverhältnisse in den Kommunen nicht ausreichend ab, meint Sozialdezerntin Birgit Zoerner.

„So fehlt jede Darstellung der Lebenshaltungskosten. Nehmen wir alleine die Mietkosten, die in Dortmund vergleichsweise günstig sind. In anderen Städten muss mehr als das Doppelte gezahlt werden. Die tatsächliche Lebenssituation ist also sehr unterschiedlich“, sagt Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Dass sich Armut verfestigt und weiter wächst, bestätigen allerdings auch Sozialexperten wie der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, Andreas Gora. „Es gibt immer mehr Leute, die unten kleben bleiben“, stellt er fest. Die Zahl der Armutsgefährdeten nehme zu, weil viele Jugendliche ohne oder mit schlechtem Schulabschluss kaum noch Chancen im Wettbewerb um Ausbildungsplätze oder Jobs hätten. Sie seien die Verlierer des Strukturwandels.

Niedriges Lohnniveau

Dass der eigentlich erfolgreich angegangene Strukturwandel eine Kehrseite hat, bestreitet auch die Sozialdezernentin nicht. Viele verloren gegangene Job konnten noch nicht ersetzt werden, das Lohnniveau in Dortmund sei vergleichsweise niedrig, die Industrie-Quote gering. Die Stadt versuche, mit dem Aktionsprogramm „Soziale Stadt“ gezielt die am stärksten betroffenen Stadtteile zu fördern.

„Was ganz dringend notwendig ist, um die Lebenslage vieler Menschen nachhaltig zu ändern, ist der flächendeckende Mindestlohn“, meint Birgit Zoerner.

Nötig sei auch dauerhaft ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, für den man künftig wieder auf mehr Mittel des Bundes hofft. Birgit Zoerner: „Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Arbeit zu auskömmlichen Löhnen sind die wesentlichen Mittel im Kampf gegen Armut oder Armutsgefährdung.“