Deuz. Das Naturbad in Netphen-Deuz war ein Paradies für Freibadfreunde - war. Denn wegen neuer Vorschriften war‘s das mit Baden von 6 bis 21 Uhr.

Das war ein Paradies für Freibadfreunde: Beim Naturerlebnisbad Deuz gab es die Saisonkarte als Chip, der das Tor öffnete – von morgens 6 bis abends 21 Uhr. Auch dann, wenn kein Rettungsschwimmer Aufsicht führte. Das ist nun allerdings vorbei. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen hat ihre Richtlinien verschärft. Ohne „Wasseraufsicht“ darf kein Freibad mehr betrieben werden, auch dann nicht, wenn der Betreiber eine Haftung ausdrücklich ausschließt.

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Das wird anders im Naturerlebnisbad Netphen-Deuz

Für die Deuzer hat das Konsequenzen. Die Öffnungszeiten werden reduziert, weil ohnehin auch in diesem Jahr zu wenig Rettungsschwimmer zur Verfügung stehen: „Wir sind für jeden dankbar, der noch kommt“, sagt Rüdiger Honig, Vorsitzender des Trägervereins Freibad Deuz. Und die Kosten steigen: Neuerdings brauchen auch Naturfreibäder eine „Betriebsaufsicht“: eine ausgebildete Fachkraft für die Aufsicht über die baulichen und technischen Anlagen sowie über das eingesetzte Personal. „Die Betriebsaufsicht muss sicherstellen, dass der sichere Zustand der Anlagen und Einrichtungen im Badebetrieb bestehen bleibt. Dazu gehört auch die Reaktion auf technische Störungen. Der sichere Zustand des Bades ist jeweils vor dessen Öffnung durch einen Kontrollgang zu überprüfen“, heißt es in der Richtlinie. Beauftragt mit dieser Dienstleistung wurde die Firma Heuel & David aus Drolshagen, zwei Fachkräfte, die auch den Schwimmmeisterdienst im von der Lenne Therme betriebenen Hallenbad Drolshagen leisten.

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16.000 Euro kostet diese Dienstleistung den Verein, der schon im vorigen Jahr wegen gestiegener Personalkosten die Saison mit einem finanziellen Defizit abschließen musste. Von den Besucherzahlen her – 22.000 wurden 2023 gezählt – ist die Bilanz positiv. „Wir waren sehr zufrieden“, sagt Rüdiger Honig. Auch das könnte sich diesen Sommer ändern. „Wir werden weniger Dauerkarten verkaufen“, fürchtet der Vereinsvorsitzende. Angestrebt werden Öffnungszeiten von 14 bis 18 Uhr an jedem Nachmittag, an Wochenenden länger, und zweimal in der Woche vormittags von 7 oder 8 bis 12 Uhr. Für die Stammgäste ist das zu wenig.

Das Ehrenamt bekommt Knüppel zwischen die Beine geworfen.
Rüdiger Bradtka, CDU

Die Stadt beteiligt sich derzeit mit jährlich 33.000 Euro am Betrieb des Freibades Deuz. Nach Saisonende soll geprüft werden, ob ein Nachschlag erforderlich und möglich ist. „Im nächsten Jahr muss der Betriebskostenzuschuss deutlich erhöht werden“, steht für Kämmerer Christian Walde fest. Im Stadtentwicklungsausschuss haben die Neuigkeiten aus Deuz am Montag Verärgerung ausgelöst. „Das Ehrenamt bekommt Knüppel zwischen die Beine geworfen“, sagte Rüdiger Bradtka (CDU), die Richtlinien zu Haftung und Beaufsichtigung seien „fernab der Wirklichkeit.“ Warum nicht gleich auch der Rhein umzäunt und von Rettungsschwimmern beaufsichtigt wird, wie Bradtka anregte, beantwortete Bürgermeister Paul Wagener. Nach den Bestimmungen ist der Rhein nicht Freibad, sondern „Badestelle“. Und das wäre Deuz auch, wenn nur der Zaun ums Freibad entfernt würde. „Eine völlig absurde Regelung.“ Fest steht aber auf jeden Fall: Am Sonntag, 12. Mai, beginnt die Saison 2024.

Das war das Deuzer Freibad in den 1960er Jahren.
Das war das Deuzer Freibad in den 1960er Jahren. © Sammlung Dr. Herbert Kneppe

So fing im Naturerlebnisbad Netphen-Deuz alles an

Das heutige Deuzer Naturerlebnisbad wurde 1957 als ganz „normales“ Freibad der Gemeinde Deuz eröffnet. 1959/60 wurde eine Umwälzanlage installiert, 1970 eine Heizung. Nach der kommunalen Neugliederung baute die Gemeinde Netphen in den 1970er Jahren den Freizeitpark mit einem neuen Hallen- und Freibad. Nach der Jahrtausendwende kommen Einschnitte. In Netphen wird die Freizeitpark Obernautal GmbH (FON) gegründet, für die die Stadt gern private Teilhaber gefunden hätte. In Deuz bewahrt 2002 der neu gegründete Trägerverein das Freibad mit seinen beiden Betonbecken vor der Schließung – gegen den Protest der SPD-Fraktion, die die Übertragung des Betriebs an einen Verein für „gefährlich und unzumutbar“ hielt.

Das machen die anderen

Die Änderung der Richtlinie für Naturfreibäder ist bereits im vorigen Jahr in Kraft getreten, in Deuz aber übersehen worden. Die Stadt Siegen hatte daher einen bereits pensionierten Schwimmmeister wieder eingestellt, der die Teams der Naturfreibäder Seelbacher Weiher und Eiserfeld als Betriebsaufsicht unterstützt. Der Seelbacher Weiher wird vom Schwimmverein Neptun betrieben, das Freibad Eiserfeld von einem eigenen Förderverein.

Das größte Naturfreibad Südwestfalens ist in Müsen und wird vom dortigen TuS betrieben. Dort steht städtisches Personal für die Betriebsaufsicht bereit. weil im Freibad Hilchenbach ohnehin Fachkräfte eingesetzt werden.

In Netphen reicht das Personal des Freizeitbades hingegen nicht aus, um auch noch in Deuz einzuspringen – Michael Niederkorn, Geschäftsführer der städtischen Freizeitpark Obernautal GmbH (FON), musste Rüdiger Honig einen Korb geben

Fast 3200 Unterschriften sammelt die Initiative „Pro Freibad Deuz“ für den Erhalt des Bades. 2004 wird das Bad umgebaut: Die Wasseraufbereitung erfolgt seitdem biologisch mit einem Pflanzenfilter in einem Teich mit 460 Quadratmetern Wasserfläche, Chemikalien werden nicht mehr eingesetzt. Außerdem wird die Wassertiefe verringert, die Startblöcke werden abgebaut und später durch einen Sprungfelsen mit Wasserfall ersetzt. Durch diese Veränderungen, die das Freibad zum Naturfreibad machen, wird das Geld für einen Schwimmmeister eingespart. Bundesweit gab es 2002 nur rund 30 „Schwimmteiche“ dieser Bauart, das mit 20 Prozent der Betriebskosten eines herkömmlichen Freibades auskommen sollte.

In dem mit Pflanzen besetzten Teich, durch Rohre mit dem Schwimmbecken verbunden, wird der komplette Beckeninhalt einmal am Tag biologisch gereinigt.
In dem mit Pflanzen besetzten Teich, durch Rohre mit dem Schwimmbecken verbunden, wird der komplette Beckeninhalt einmal am Tag biologisch gereinigt. © WR | SCHWAB, Steffen

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