Siegen. Fünf Männer sollen Syrier von Tschechien nach Deutschland geschleust haben. Ein Bundespolizist verrät: „Die Angeklagten posen auf TikTok.“

Vor dem Landgericht Siegen müssen sich fünf Männer aus Siegen verantworten, die zwischen September 2022 und August 2023 Ausländer ohne Ausweisdokumente und unter menschenunwürdigen Bedingungen aus Tschechien nach Deutschland eingeschleust haben. Die Geschleusten bekamen teilweise in den Mietfahrzeugen keine Luft, das berichtet auch ein Bundespolizist aus Kleve, der als Zeuge vor der 1. großen Strafkammer am Landgericht Siegen zum Fall gehört wird.

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Der Zeuge ist Ende 2022 auf die Schleuserbande aufmerksam geworden. Der Hauptbeschuldigte sei mit einem Mietwagen an der holländischen Grenze geschnappt worden. Bei der Kontrolle gab der Mann an, dass er einen Freund in Holland besucht habe. Dem Bundespolizisten sei aufgefallen, dass der Kofferraum besonders dreckig gewesen sei und dies unüblich bei Mietfahrzeugen ist. Er habe zudem 2.500 Euro sowie Mietunterlagen eines anderen Fahrzeugs, das bereits im November gemietet wurde, sicherstellen können. Pro Person sollen die Angeklagten bis zu 2500 Euro erhalten haben, so die Staatsanwaltschaft bei der Anklageverlesung am 8. März 2024.

Siegen: Bundespolizist nimmt Ermittlungen über Social Media auf

Daraufhin habe der Zeuge die Ermittlungen aufgenommen und ein Facebook-Account sowie einen YouTube-Kanal des Hauptbeschuldigten entdeckt. In einem YouTube-Video „pose“ der Hauptbeschuldigte mit teuren Uhren und einem Wagen. Der Zeuge gab an, dass er bezweifle, dass ein LKW-Fahrer sich solche Luxusartikel leisten könne. Auf der Weiterfahrt nach der Kontrolle sei der Hauptbeschuldigte dann geblitzt worden. An dem Blitzerfoto sei erkennbar, dass er nicht alleine im Auto war und damit bei den Grenzpolizisten falsche Angaben gemacht habe. Weitere Ermittlungserkenntnisse der Bundespolizei in Kleve ergaben, dass die Handynummer des Hauptbeschuldigten in der Kontaktliste eines anderen bekannten Schleusers zu finden war.

Durch den Kontakt mit der tschechischen Polizei und Überwachungsbildern konnte der Zeuge insgesamt sieben Fahrten des Hauptbeschuldigten nachvollziehen. Vor der tschechischen Grenze sei der Mietwagen in allen Fällen nur mit dem Fahrer besetzt gewesen, bei der Rückfahrt von Tschechien nach Deutschland waren dann mehrere Personen im Fahrzeug. Das zeigen Überwachungsbilder an der Grenze, erklärt der Zeuge. Das Mobiltelefon des Hauptbeschuldigten konnte nach einem richterlichen Beschluss überwacht werden. Der Zeuge gab jedoch an, dass die meiste Kommunikation nicht per Telefon, sondern per Messengerdiensten abgelaufen sei. Diese seien nicht einsehbar. Nichtsdestotrotz konnte der Zeuge sehen, wann der Hauptbeschuldigte im deutschen Netz war. Zwei Tage lang konnte auch keine Aktivität von dem Angeklagten bemerkt werden, sodass der Zeuge davon ausging, dass der Angeklagte auf dem Weg zur Grenze ist.

Siegen: Bundespolizei tauscht sich mit Grenzpolizei aus

Im Februar 2023 hielt dann die Bundespolizei einen Mietwagen an, in dem vier syrische und eine ukrainische Person waren. Das Kennzeichen habe der Zeuge der tschechischen Polizei zur Fahndung gegeben. In einem anderen Fall habe die Bundespolizei den gleichen Mietwagen auf der A13 Richtung Berlin angehalten. Zwei der Angeklagten seien vor den Polizisten geflohen. Zwei Geschleuste sind dabei nach Angaben des Polizeibeamten aus dem Auto gesprungen und eine Böschung heruntergerannt. Schlussendlich habe sich dann das Auto nach Polen begeben, wo zwei der Angeklagten dann von der polnischen Polizei geschnappt wurden. In einem der Fahrzeuge wurden Schlüssel eines anderen Schleuserfahrzeuges sichergestellt. Der Zeuge berichtet, dass so Verbindungen nachvollziehbar wurden und ersichtlich wurde, dass die Schleuser immer ein „Pilotfahrzeug“ vorschickten, um zu sehen, ob die Bahn für das Schleuserfahrzeug frei sei.

Während der Taten sollen die Angeklagten sowohl per Telefon als auch per WhatsApp kommuniziert haben. Sprachnachrichten konnten im Nachgang sichergestellt werden, die genaue Details zu der Organisation der Schleusung verraten. Die Angeklagten haben sich abgesprochen, wo sie sich treffen und ob sie es über die Grenze geschafft haben. Der Hauptbeschuldigte habe die WhatsApp-Nachrichten gelöscht, erzählt der Zeuge. Die Fahrer haben in Deutschland dann ein Video von den Passagieren anfertigen lassen. In diesem mussten die Geschleusten bestätigen, dass sie die Grenze zu Deutschland übertreten haben. Diese Videos konnten nach Angaben des Zeugen auch sichergestellt werden. In manchen seien auch die Angeklagten, die Fahrer, sichtbar. Die Ankunftsvideos seien ein wichtiger Beleg für die erfolgte Schleusung. Nach dem Zusenden der Videos sei dann das Geld an die Schleuser gezahlt worden, erzählt der Zeuge.

Siegen: Schleuser präsentieren ihr Geschäft auf TikTok

Zwei der Angeklagten präsentierten ihr Schleusergeschäft auf TikTok, erklärt der Zeuge. In Live-Videos sehe man, wie sie die Grenze überqueren und sich dabei im Auto filmen. Die Verbindungen zwischen den fünf Angeklagten wurden auch durch viele WhatsApp-Gruppen im Nachgang ersichtlich. Dort haben die Angeklagten auch Fotos der Geschleusten verschickt, erzählt der Zeuge. Die Kommunikationsstrukturen, die in den Messengerdiensten sichtbar werden, ähneln einem Kartell, berichtet der Zeuge. Zwei der Angeklagten hätten die Oberhand und haben die Abrechnungen an die anderen Angeklagten verschickt, so der Zeuge.

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Der Zeuge gab an, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um mehr als 17 Schmuggeltransporte handeln werde. Die Aussagebereitschaft der Geschleusten sei sehr gering. Dies könne an dem Respekt vor den Schleusern oder auch daran liegen, dass die Geschleusten noch Familienmitglieder über die Schmugglerbande nach Deutschland bringen möchten. Der Bundespolizist führte weiter an, dass einige der Angeklagten keinen Führerschein besitzen würden und der Besitz von Rauschmitteln bereits in der Vergangenheit nachgewiesen wurde. Der Bundespolizist folgert daraus, dass die Angeklagten keinen Respekt gegenüber dem deutschen Rechtssystem haben. Zehn weitere Verhandlungstage bis Mitte Juni sind angesetzt. Der nächste Gerichtstermin ist für den 11. April im Landgericht Siegen vorgesehen.