Netphen. Der Rat entscheidet noch nicht über die vorgeschlagenen Steuererhöhungen. Ein Absturz in die Haushaltssicherung schreckt nicht nur ab.
Das Ringen um die Höhe der Kreisumlage hat Netphen nichts gebracht. Denn bei der Erarbeitung seines Etatentwurfs ist Kämmerer Christian Walde vom günstigsten Fall ausgegangen: den Hebesätzen, die Landrat Andreas Müller mit einem 15-Millionen-Euro-Sparpaket verknüpft hat, dem die Mehrheit des Kreistags nicht gefolgt ist. Die nun beschlossenen Hebesätze liegen zwar deutlich unter denen des Entwurfs des Kreishaushalts weichen aber nur um Zehntelprozentpunkte vom Landrats-Vorschlag ab: 21.600 Euro beträgt die Verbesserung. Bleiben nach wie vor rund 22 Millionen Euro oder zwei Drittel aller Steuereinnahmen, die Netphen an den Kreis zu überweisen hat. „Ein erneuter Höchstwert“, stellt Christian Walde fest.
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6,9 Millionen Euro Defizit kann Netphen sich leisten, um nicht wieder für die nächsten zehn Jahre in die Haushaltssicherung zu geraten. 8,3 Millionen Euro Fehlbedarf stehen im Haushaltsentwurf, der durch eine „globale Minderausgabe“ auf 7,7 Millionen Euro abgesenkt werden könnte. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Kämmerer die Erhöhung der Grundsteuer von 535 auf 785 Prozent und der Gewerbesteuer von 475 auf 495 Prozent, was insgesamt zu 2,4 Millionen Euro Mehreinnahmen führen soll. „Andere Kommunen kriegen die Enden auch nicht zusammen“, tröstet Walde den Rat.
Alexandra Wunderlich (CDU) lässt sich nicht schrecken. Was hat der Bürger („Dem greifen wir monumental in die Tasche“) von einem ausgeglichenen Haushalt, fragt sie und erinnert an Netphens noch gar nicht lange zurückliegende Zeit der roten Zahlen: „So schlecht ist es uns da auch nicht gegangen.“ Bevor über eine Steuererhöhung beschlossen werde („mit Sicherheit nicht heute“), müsse für die Bevölkerung nachvollziehbar dargelegt werden, welche Investitionen vom Klärwerk bis zum Schulbau die Stadt gerade zu stemmen habe. Das Geld, was die Bürger zusätzlich am Steuern zu entrichten hätten, stünde für den Eintritt in Schwimmbad oder Trampolinhalle und für Mitgliedsbeiträge zu Vereinen nicht mehr zur Verfügung. „Wir nehmen den Leuten richtig viel Geld weg.“ Im Schnitt 160 Euro jährlich für einen Haushalt im Einfamilienhaus, hat die Verwaltung ausgerechnet.
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Kämmerer Christian Walde wirbt für eine Entscheidung: Würden die Steuern erst im April beschlossen, müssten alle Haushalte noch einmal mit neuen Bescheiden angeschrieben werden. Mehrkosten: rund 20.000 Euro.
SPD: Mehr Gewerbesteuer, weniger Grundsteuer
Lothar Kämpfer (SPD) bringt für seine Fraktion einen eigenen Vorschlag ein: 660 statt 795 Prozent Grundsteuer, 500 statt 495 Prozent Gewerbesteuer. Damit würde die Stadt unterm Strich nicht 2,4, sondern nur 1,5 Millionen Euro mehr einnehmen. Die fehlen 900.000 Euro wären zum einen durch weniger neue Stellen in der Verwaltung und Einsparungen bei der Gebäudebewirtschaftung zu erzielen, zum anderen durch einen höheren Gewerbesteuerertrag zu erwirtschafte.n. 12 Millionen Euro seien „durchaus realistisch“. Der Kämmerer, der seine Einnahmeerwartung gerade noch einmal auf 10,2 Millionen Euro heruntergeschraubt hat, sieht das anders. Auch bei den Bewirtschaftungskosten sei „keine Luft mehr“. Und weil der umstrittene Stellenplan zwar neue Stellen ausweise, tatsächlich aber der Personalstand sich bis auf zwei Stellen nicht verändere, sei auch dort nur geringes Einsparpotenzial.
„Damit können wir die zusätzliche Belastung für die Bürger geringer halten“, wirbt Lothar Kämpfer (SPD) für seinen Vorschlag. „Dann unterhalten wir uns nächstes Jahr über 1000 Prozent Grundsteuer“, warnt Bürgermeister Paul Wagener. „Ich stehe dazu“, weist Sven Hendrik Schütz (Grüne), der auch dem Kreistag angehört, die Kritik der SPD an den Sparbeschlüssen der Kreistagsmehrheit („jämmerlich und willkürlich“) zurück. Ohne Vorlage eines Haushaltsentwurfs sei eine Entscheidung über die Steuersätze nicht möglich. „Wir hätten das mitgetragen, wenn die anderen mitgezogen wären“, sagt Klaus-Peter Wilhelm (UWG), der die Grünen-Einschätzung des Kreistags allerdings teilt: „Der Kreis hat in den letzten Jahrzehnten gelebt wie die Made im Speck. Es wurde endlich mal gezeigt, wo der Hammer hängt.“
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Louis Roth (FDP) fordert den Kämmerer auf, Einsparvorschläge zu unterbreiten. „Ich werde keine Sparliste vorlegen“, antwortet Christian Walde. „Höchstens Peanuts“ kämen dabei herum, ahnt auch Ignatz Vitt (UWG). „Jeder muss draufzahlen, viele können es aber nicht“, stellt Manfred Heinz fest, „es wäre besser, ganz viele Gemeinden würden in die Haushaltssicherung gehen“ – so viele, dass die Landesregierung reagieren müsse. Kämmerer Christian Walde warnt: Die Haushaltssicherung werde nicht vor Steuererhöhungen schützen, die der Kreis dann als Aufsichtsbehörde durchsetze. Bürgermeister Paul Wagener. „Wir müssen dann beim Landrat betteln.“
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Mehrheit für mehr Personal
Der Rat vertagt die Entscheidung über die Steuern bei zwei Gegenstimmen auf die Haushaltssitzung nach den Osterferien. Mit 17 gegen neun Stimmen beschlossen wird vorher aber der Stellenplan für die Verwaltung mit fast zehn zusätzlichen Planstellen. Gegenstimmen kommen von SPD, FDP und Teilen der CDU.
Die „Rekord-Stellenvermehrung“ und die vorgeschlagenen Steuererhöhungen „kann man nicht voneinander entkoppeln“, sagt Lothar Kämpfer (SPD). Die Stadt habe „viele Projekte vor der Brust“, wirbt Bürgermeister Paul Wagener für Verstärkung im Rathaus, „Projekte, die Sie beschlossen habe.n.“ „Wir können nicht so weitermachen, ohne selbst zu sparen“, entgegnet Olaf Althaus (FDP). „Dann müssen wir uns Gedanken machen, welche Projekte wir auf Eis legen“, fordert Klaus-Peter Wilhelm (UWG).
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Beigeordneter Andreas Fresen („Eigentlich brauchten wir acht Architekten“) drängt auf die zusätzlichen Stellen in seinem Dezernat: „Der Fachbereich ist am Limit.“ Auch die Verstärkung von Fördermittelakquise und Wirtschaftsförderung mache Sinn: „Die beiden sind ihr Geld wert.“ Manfred Heinz (SPD) ist sauer: „Wieso führen Sie die Leute an der Nase herum?“ Die neuen Stellen seien bereits mit befristet eingestelltem Personal besetzt, im Stellenplan seien die Fachbereichsleitungen höher dotiert worden. „Wenn, dann aufgrund Ihres Beschlusses“, widerspricht Heike Büdenbender, Leiterin der Zentralen Verwaltung. Wenn höherwertige Arbeit nicht bezahlt werde, „suchen sich die Mitarbeitenden woanders eine Beschäftigung“. Die angemessene Vergütung diene dazu, Personal zu binden. „Das wollen Sie doch auch.“
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