Siegen-Wittgenstein. Die neue Mehrheit setzt sich durch. So wird in diesem Jahr in Siegen-Wittgenstein gespart:
Um rund 3,3 Millionen Euro hat der Kreistag den Haushalt für dieses Jahr gekürzt. Die sechs Fraktionen von CDU, Grünen, SWM, UWG, FDP und Wir Bürger haben Einsparungen und den Verzicht auf 16 der 21 geplanten neuen Stellen in der Kreisverwaltung durchgesetzt. Die größten Kürzungen haben den Ausstieg des Kreises aus dem Touristikverband Siegen-Wittgenstein und die Reduzierung der Wirtschaftsförderung zur Folge.
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Namentliche Abstimmung über Stellenplan
Vergeblich hatte Sozialdezernent Thomas Wüst sich für vier zusätzliche Stellen in seinem Dezernat eingesetzt: den Verfahrenslotsen für Jugendliche mit Behinderung, eine Netzwerkstelle für Kinderschutz, je eine Stelle für Vormundschaften und die Betreuungsbehörde – allesamt Pflichtaufgaben, die zum Teil auch vom Land finanziert werden. Guido Müller (FDP) empfahl, auf fünf bereits eingerichtete, aber nicht besetzte Stellen zurückzugreifen.
Katrin Fey (Linke) wies auf Überlastungsanzeigen hin, die nach Darstellung des Personalrats mindestens von rund 100 Bediensteten vorgelegt wurden. „Das macht mich fassungslos“, sagte Anke Flender (SPD) mit Blick auf die Stelle im schulpsychologischen Dienst. Nach dem Mord an Luise „war jede Familie, jede Schule froh, betreut zu sein.“ Karl-Ludwig Völkel (SPD) nannte die Verweigerung der Stellen im sozialen Bereich eine „Unverschämtheit“: „Dadurch bereiten wir den Rechten den Nährboden. Gerade da müssen wir etwas machen, um den Leuten zu helfen.“
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Es gehe nicht um Stellenabbau, sondern um weniger Stellenmehrung, sagte Andreas Klein (Wir Bürger): Der Kreis müsse seine Aufgaben „mit dem Personal wahrnehmen, das zur Verfügung steht“. Auf Antrag der SPD-Fraktion stimmte der Kreistag namentlich über den Stellenplan ab. 28 Kreistagsmitglieder der sechs Fraktionen stimmten für den eigenen Antrag, 19 von SPD und Linken dagegen, die drei AfD-Kreistagsmitglieder enthielten sich der Stimme.
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Kein Geld mehr für Schülerlauf-T-Shirts und Studienpreis
Punkt für Punkt ging der Kreistag die 19 einzelnen Einsparanträge der sechs Fraktionen durch. Gestrichen wird beim Posten „Kommunikation“ (unter anderem 7000 T-Shirts für die Teilnehmer am Schülerlauf), beim Kulturhandbuch und beim Studienpreis für Hochschulabsolventen. Bei der Gebäudebewirtschaftung sollen insgesamt 600.000 Euro eingespart werden. Ohnehin auf der Kürzungsliste stand der von den Kommunen nicht mehr benötigte Fonds für Flächenrecycling und der Beitrag zur Erweiterung des Siegerlandmuseums, die in diesem Jahr ohnehin nicht erfolgt – der Kreis will dort die Dokumentationsstelle für Wirtschaftsgeschichte des Kreisarchivs einbringen.
Besonders umstritten war die Streichung des Zuschusses für die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtspflege. „Sie treten das Ehrenamt mit Füßen“, sagte Karl-Ludwig Völkel (SPD). Geschlossen werden soll mit dem Ablauf des Kindergartenjahres die Großtagespflegestelle für Kinder von Kreisbediensteten. „Das schließt die Mütter vom Arbeitsmarkt aus“, folgerte Heike zur Nieden (SPD). Katrin Fey (Linke) fragte, wie die betroffenen Eltern ihr Betreuungsproblem lösen sollten. „Genauso wie andere Familien auch“, antwortete Hermann-Josef Droege (CDU). „Ein Armutszeugnis“, fand Marco Schmidt (SPD).
„Ich habe das Gefühl, Sie wissen gar nicht, worüber Sie reden“, sagte irgendwann Annette Scholl (SPD), als weitere Fragen zu den Einsparanträgen im Raum stehen blieben. Julian Maletz (SPD) forderte, mit dem Touristik-Thema „etwas sorgfältiger umzugehen“. Schließlich habe der Touristikverband gerade erst ein millionenschweres EU-Projekt herangezogen. „Ich spreche mich dagegen aus, über so etwas überhaupt nachzudenken“, sagte Michael Sittler (SPD).
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Für seine Projekte im Bereich der „Frühen Hilfen“ für Familien mit kleinen Kindern bekommt der Bezirksverband der Siegerländer Frauenhilfen in diesem Jahr 16.000 Euro vom Kreis. Das hat der Kreistag gegen die Stimmen von AfD, SWM und FDP beschlossen. Ursprünglich beantragt war eine Zusage über drei Jahre. Mit dem Geld werden auch die „ZeitPaten“ und die „StartHilfe“ gefördert.
Bei einer Gegenstimme hat der Kreistag knapp 260.000 Euro zusätzlich für die Planung von Photovoltaikanlagen auf zwölf Gebäuden und der Abfalldeponie Fludersbach bereitgestellt. Die Kosten werden zu 90 Prozent vom Land übernommen. Geprüft werden soll die Wirtschaftlichkeit. Vorgabe des Kreistags ist, dass die Investition sich innerhalb von 20 Jahren rechnet.
Die rund 10.000 Autos von Siegen-Wittgensteinern, die nach dem Cyber-Angriff auf die SIT in Nachbarkreisen zugelassen worden, sind, können kostenlos umgemeldet werden. Das hat der Kreistag bei sieben Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen beschlossen. Der Kreis verzichtet damit im Schnitt auf 38,20 Euro je Auto. Die neuen SI- oder BLB-Kennzeichen müssen die Fahrzeughalter allerdings selbst bezahlen.
Horst Günter Linde (UWG) sprach sich dafür aus, Art und Umfang des Engagements für Tourismus den einzelnen Städten und Gemeinden zu überlassen. „Da muss jeder selbst für sich sorgen.“ Landrat Andreas Müller gab zu bedenken, dass sieben Arbeitsplätze betroffen sind, einschließlich des gerade neu eingestellten Geschäftsführers. „Ich müsste jetzt anfangen, Leute rauszuschmeißen.“
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Als „fatalen Fehler“ bezeichnete Marco Schmidt (SPD) einen Ausstieg aus der Wirtschaftsförderung. In Zeiten der Transformation brauche der Mittelstand in der Region diese Unterstützung. „Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht“, erwiderte Christian Zaum (AfD). Betroffen von der Kürzung wären das Gründerprojekt „Startpunkt 57“ und die gerade geschaffene Regiestelle Digitalisierung, sagte Landrat Andreas Müller.
Kämmerer Thomas Damm hatte zu Beginn der Debatte die sowohl vom Landrat als auch von SPD und den sechs Fraktionen eingeplante „globale Minderausgabe“ in Frage gestellt: „Das dürfte schwierig werden.“ Es geht um ein Prozent des eine halbe Milliarde Euro schweren Haushalts. Gehört wurde Damms Warnung, auch die letzten fünf Millionen Euro der Ausgleichsrücklage anzutasten. Die seien eine „wichtige Risikovorsorge“.
SPD, Linke und AfD lehnen Haushalt ab
Knapp vier Stunden, nachdem der Kämmerer dem Kreistag ein „glückliches Händchen“ gewünscht hatte, und nach einer Sitzungsunterbrechung wurde abgestimmt. Geheim auf Antrag der SPD über das Sechs-Fraktionen-Papier: wiederum stand es 28 gegen 19 bei drei Enthaltungen. Daraus ergab sich der Hebesatz von 36,45 Prozent für die Kreisumlage - die SPD hatte zuletzt 36,5 Prozent beantragt, der Landrat hatte 36,08 Prozent vorgeschlagen. Den Haushalt beschloss der Kreistag mit 28 gegen 22 Stimmen; die Gegenstimmen kamen von SPD, Linken und AfD.
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