Siegen. Mit einem wuchtigen Festkonzert steigt die Stadt Siegen in ihr Jubiläumsjahr ein. Für das Bravourstück gibt es einen Beifallsorkan.
Voll ist es auf der Bühne der Siegerlandhalle. 100 Musiker aus zwei Orchestern, Philharmonie Südwestfalen und Philharmonisches Orchester Gießen, brauchen Platz für ihr Festkonzert, mit dem die Stadt Siegen ihr Jubiläumsjahr eröffnet: 800 Jahre ist es her, dass die Stadt zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt wurde. Ähnlich viel wie im Oktober 2016, als an gleicher Stelle die heimische Philharmonie mit den „Bergischen Symphonikern“ gemeinsam auftrat. Damals stand die „Alpensinfonie“ auf dem Programm, nun „Ein Heldenleben“. Beides Werke von Richard Strauß und dieser verlangt für seine Kompositionen manchmal übergroße Orchester mit ungewöhnlichen Besetzungen: Diesmal je zwei Harfenistinnen und Tubisten und jede Menge anderer Blechbläser, darunter acht Waldhornisten.
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Große Hits mit Showeinlagen
Schon der Titel „Ein Heldenleben“ gibt Rätsel auf. Wen meinte er damit? Einen Helden der Geschichte, Don Quijote vielleicht? Doch dem hatte Strauß im Jahr zuvor schon eine Sinfonie gewidmet. Er meinte sehr wahrscheinlich sich selbst. Eine gewollte Anmaßung, denn 1899 bei der Uraufführung in Frankfurt, die er höchstpersönlich dirigierte, war Strauß gerade einmal 35 Jahre alt und hatte noch 50 Lebensjahre vor sich. Für das Biografische des Heldenlebens spricht auch, dass er seinen Sätzen, die ineinander übergehen, etwa die Überschrift „Die Kritiker“ oder „Des Helden Gefährtin“ gibt. Pikant insofern, als seine Gattin Paulina eine leicht zu erzürnende Sopranistin war, die er „Zornbrötlein“ nannte und ihr später sogar die „Sinfonia domestica“ widmete. Sei es drum: „Ein Heldenleben“ ist ein Meisterwerk und Michael Nassauer, Intendant der Philharmonie, verspricht eingangs nicht zu viel, wenn er sagt, er habe seit 25 Jahren davon geträumt, dieses auch einmal in Siegen präsentieren zu können.
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„Ein Heldenleben“ ist eine sinfonische Dichtung, in der Ereignisse vom Komponisten musikalisch beschrieben werden: mit Höhen und Tiefen, mal laut, mal leise. Eine Ansammlung großer Hits mit allen erdenklichen Showeinlagen, neu, manchmal konservativ, aber immer spannend. Wunderbar, wenn die zarten Klänge der beiden Harfen vom Orchester mit all seiner Wucht beantwortet werden. Wenn die Flötensoli von Ji-Ein Lee scheinbar mühelos „den Kampf“ mit den Mitmusikern aufnehmen können.
Konzert setzt musikalisches Denkmal
Besonders herausfordernd ist die Rolle der Konzertmeisterin Evgenia Gelen, die mit beeindruckender Souveränität und Ruhe auf ihrer Violine die irrwitzigsten Sololäufe hinlegt. Man meint, dabei herauszuhören, wie der Held mit seinen Kritikern, davon gibt es viele, oder seiner keifenden Gefährtin herumstreitet. Ein Geniestreich der Aufführung ist, von drei Trompetern Fanfaren auf dem Flur der Siegerlandhalle bei geöffneter Saaltür zu spielen und damit eine völlig neue Note ins gigantische Spiel der Klänge bringen. Pathos, das auch als Filmmusik zum „Terminator“ gepasst hätte.
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Strauß nimmt damit Visionen und Entwicklungen vorweg, die erst Jahrzehnte später aktuell werden. Überhaupt hat er in seinem langen Leben vom Märchenkönig Ludwig II. über das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die Nazizeit bis hin zur Bundesrepublik vieles erlebt, von den beiden Weltkriegen ganz zu schweigen. Nach gut 50 Minuten ist dieses sinfonische Bravourstück zu Ende. Die Zuhörer reiben sich die Augen wie nach einem spannenden Film oder einem turbulenten Traum. Erst dann brandet ein Beifallsorkan für beide Orchester auf, wie man ihn in der Siegerlandhalle selten erlebt. Und Dirigent Nabil Shehata hat sich mit diesem Abend wieder einmal ein musikalisches Denkmal gesetzt.
Zum Ausklang leichtere Kost von Beethoven
Da war Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie, nach den Festreden und vor der Pause präsentiert, deutlich leichtere Kost. 1814 uraufgeführt, vom Komponisten höchstpersönlich dirigiert zu einer Zeit, als er schon lange völlig taub war. Beethovens vorletzte Sinfonie ist dennoch heiter, beschwingt, lebensfroh und in einer Zeit entstanden, als er, der durch viele gesundheitliche Probleme und eine unerfüllte Liebe gebeutelt war, sich nach einer Kur etwas erholt hatte. Nichts Überraschendes, sondern das, was man von Beethoven erwartet, einschließlich vieler Fortissimi und einem überlangen Finale mit mancherlei Anläufen.
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Zum Trost all derer, die sich an diesem Abend die 9. Sinfonie Beethovens mit ihren großen Chorwerken gewünscht hätten, sei verraten: Große Chorwerke werden zum Abschluss des Jubiläumsjahres zu hören sein: Am 16. Dezember mit dem Bach-Chor, der Kantorei, dem Philharmonischen Chor, dem Kammerchor Weidenau, begleitet von der Philharmonie Südwestfalen, die in der Siegerlandhalle vokale Kostbarkeiten, darunter Ausschnitte aus dem Mozart Requiem, präsentieren
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