Siegen. Krankhafte Fettsucht: Der Siegener Experte Dr. Sebastian Dango räumt mit Vorurteilen auf – und erklärt, wann eine OP der richtige Weg ist.

Oft fängt Adipositas (krankhaftes Übergewicht) schon im Kindesalter an. „Es ist das größte sozio-ökonomische Problem, was wir haben“, sagt Privatdozent Dr. Sebastian Dango, Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie. Es ist sein Herzensthema – er beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Behandlung von Adipositas, hat das Fachwissen zusammen mit seinem Team im Kompetenzzentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie im Klinikum Siegen gebündelt und bereits zahlreichen Betroffenen geholfen. Er spricht offen über die Erkrankung, die gesellschaftlich hoch tabuisiert ist, und betont: „Wir müssen weg von diesem Glauben, dass sich alle übergewichtigen Menschen falsch und schlimm ernähren.“

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Oft würde Übergewicht nicht als Erkrankung eingeordnet, sondern als „Lifestyle-Problem“, berichtet Dr. Sebastian Dango. Die Ursachen für Adipositas seien aber „multifaktoriell“. So können beispielsweise genetische oder medikamentöse Faktoren dafür sorgen, dass ein als gesund eingeordnetes Körpergewicht kaum möglich ist. Adipositas ist in der Regel mit einem langen Leidensweg verbunden. Man braucht viel Empathie für die Betroffenen, sagt der Siegener Arzt. Sie hätten oft zahlreiche Diäten gemacht, die keinen bleibenden Erfolg hatten. „Das ist total frustrierend“, so Dr. Sebastian Dango. Häufig ist seine Botschaft an sie: „Es liegt nicht nur an Dir.“

Privatdozent Dr. Sebastian Dango, Facharzt für Chirurgie/Viszeralchirurgie, hilft im Kompetenzzentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie im Klinikum Siegen Menschen mit krankhaftem Übergewicht.
Privatdozent Dr. Sebastian Dango, Facharzt für Chirurgie/Viszeralchirurgie, hilft im Kompetenzzentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie im Klinikum Siegen Menschen mit krankhaftem Übergewicht. © Siegen | Klinikum Siegen

Schon früh mangele es an Aufklärung: Bereits in Kitas müsste darüber informiert werden, was Ernährung und Bewegung für eine wichtige Rolle für ein gesundes Leben spielt, betont der Experte. „Das muss sein.“ Doch leider ist das nicht die Regel. „Viele übergewichtigen Patienten nehmen permanent zu wenig Kalorien zu sich oder haben falsche Mahlzeit-Strukturen. Wenn sie den ganzen Tag über nichts und dann abends essen, baut der Körper maximal Fett auf.“ Auch die Bedarfe sind unterschiedlich: Wer sich viel bewegt, kann mehr essen als derjenige, der nur vorm Schreibtisch sitzt.

Krankhaftes Übergewicht: Hilfe für Betroffene im Adipositas-Zentrum in Siegen

Im Adipositas-Zentrum im Klinikum Siegen lernt Dr. Sebastian Dango die Menschen, die seine Hilfe suchen, und ihre Symptomatik zuallererst kennen, hört zu, nimmt Messungen vor. „Meist machen sich die Leute größer und leichter, als sie sind.“ Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von über 35 könne man „ohne OP nicht Gewicht verlieren“, sagt Dango. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie dann der Magen verkleinert werden kann (z. B. Bypässe, Schlauchmagen, etc.). Doch es gibt auch Grenzen: „Wer einen BMI von 90 oder darüber hat, also um die 280 bis 300 Kilogramm wiegt, den kann man noch nicht operieren.“

Für jeden Patienten und jede Patientin suche er die beste Behandlungsmöglichkeit heraus, erklärt Dr. Sebastian Dango. Sie muss zu der Person und deren Lebensstil passen. Für jede Behandlungsoption müssen zudem zuvor gewisse festgesetzte Bedingungen erfüllt werden. Wer sich den Magen verkleinern lassen will, hat vor dem chirurgischen Eingriff eine Bewegungs- und Ernährungstherapie zu absolvieren. Dr. Sebastian Dangos Behandlungsgrundsatz: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“


So sei nicht immer eine Magenverkleinerung nötig: Die neue „Abnehmspritze“, die besonders in den USA in den vergangenen Monaten große Beachtung fand, sei zum Beispiel „in gewissen Bereichen sehr erfolgreich.“ Sie müsse aber lebenslang genommen werden und sei daher nicht für jeden geeignet. Für andere Patientinnen und Patienten sei eine Magenverkleinerung alternativlos: „Je länger sie warten, desto gefährlicher wird die OP“, so Dr. Sebastian Dango. Er rät, eine auf Adipositas spezialisierte Klinik aufzusuchen, wenn man betroffen ist. Oft würden Erkrankte zuallererst beim Hausarzt oder der Hausärztin Rat suchen, diese würden sich mit der Behandlung der Erkrankung aber häufig nicht richtig auskennen. Sie behandeln meist die Symptome, wie etwa hohen Blutdruck, aber bekämpfen nicht die Ursache – das zu hohe Gewicht.

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Auch gesellschaftlich würde immer häufiger ein Bild von „Body Positivity“ (einer positiven Einstellung gegenüber dem Körper) verbreitet. Diese Entwicklung sei „ganz süß – aber man darf die gesellschaftlichen Konsequenzen nicht vergessen“, sagt Dr. Sebastian Dango. Gerade wenn Übergewicht krank macht, kann dieses Körpergefühl für sich und andere trügerisch sein.

Im Klinikum Siegen werden 2024 insgesamt vier Patientenveranstaltungen zur Adipositasbehandlung angeboten, in denen Dr. Sebastian Dango und sein Team über das Grundkonzept im Adipositas-Zentrum sowie über mögliche OP-Verfahren informieren und erklären, wie der Weg in die Ambulanz aussehen kann. Die Termine: 14. März, 20. Juni, 26. September und 28. November jeweils um 18 Uhr im Kommunikationsraum des Klinikums Siegen. Die Teilnahme ist kostenlos und eine vorherige Anmeldung nicht erforderlich.

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