Siegen. Im Notfall müssen Mitarbeiter von Leitwarten schnell reagieren. Siegener Forscher wollen nun die Arbeitsbedingungen und Prozesse dort verbessern.
Siegen Leitwarten sorgen dafür, dass im Notfall Feuerwehr und Rettungswagen schnellstmöglich vor Ort sind, dass die Strom- und Gasversorgung reibungslos funktioniert und, dass die Sicherheit im Flug- und Schiffsverkehr sichergestellt ist. Die Menschen, die dort arbeiten, tragen nicht nur viel Verantwortung, sie müssen auch in der Lage sein, innerhalb kürzester Zeit vom Normal- in den Ausnahmebetrieb umzuschalten und schnell und korrekt zu agieren. Wie digitale Technologien die Operateure in Leitwarten dabei unterstützen können, erforschen Wissenschaftler der Universität Siegen gemeinsam mit Kollegen der Hochschule Trier im Projekt „PervaSafe Computing“.
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„Im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich in Leitwarten in den vergangenen 30 Jahren sehr viel getan“, sagt der Siegener Projektleiter und Experte für Sensorsysteme und Datenverarbeitung, Prof. Dr. Kristof Van Laerhoven. „Kaum verändert haben sich dagegen die Arbeitsbedingungen der Operateurinnen und Operateure. Sie sitzen in ihren Schichten nach wie vor viele Stunden vor Computerbildschirmen, die Interaktion zwischen Mensch und Computer geschieht klassisch über Maus und Tastatur. Den Bedürfnissen und dem Wohlbefinden der Operateurinnen und Operateure wird dabei viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.“
An der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik setzen die Wissenschaftler im Rahmen ihres Projektes an. Sie untersuchen, wie klassische Formen der Interaktion ergänzt werden können, um Leitwarten insgesamt „intelligenter“ zu machen. „Unser Ansatz basiert darauf, mit Hilfe von Sensoren zusätzliche Informationen zu gewinnen, die dabei helfen können, Prozesse besser zu steuern und einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten“, erklärt Jonas Pöhler vom Siegener Projektteam. So lässt sich über eine mit Sensoren ausgestattete Smartwatch beispielsweise der individuelle Stresslevel der Operateure messen. Gleichzeitig werden ihre Bewegungen erfasst, um konkrete Arbeitsschritte und Tätigkeiten nachzuvollziehen. So genannte Eye-Tracker erkennen, wohin genau eine Person auf einem Computerbildschirm blickt.
Projekt „PervaSafe Computing“
Das Projekt „PervaSafe Computing“ läuft bereits seit 2020 und geht jetzt in die zweite Phase. Bis 2026 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) das Projekt mit weiteren 650.000 Euro, von denen rund 325.000 nach Siegen gehen. Innerhalb der ersten Förderphase (Juni 2020 – Juni 2023) hatte die DFG das Projekt bereits mit insgesamt rund 607.000 Euro unterstützt.
Neben Wissenschaftlern vom Siegener Lehrstuhl „Ubiquitous Computing“ von Prof. Dr. Kristof Van Laerhoven sind Informatiker der Hochschule Trier an dem Projekt beteiligt. Projektleiter der Hochschule Trier ist Prof. Dr. Tilo Mentler.
Die so gewonnenen Daten könnten zukünftig unter anderem dabei helfen, die Arbeitslast innerhalb einer Leitwarte gleichmäßiger zu verteilen: So könnten neue Aufgaben gezielt an Mitarbeiter mit vergleichsweise geringer Stressbelastung gegeben werden. Gleichzeitig ließe sich über die Smartwatches feststellen, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter schläfrig wird. Bewegungsinterventionen könnten in solchen Fällen helfen, die Konzentration wieder herzustellen. Mit den smarten Uhren ausgestattet, wären Operateure auch räumlich flexibler und könnten sich kurzzeitig von ihrem Arbeitsplatz entfernen, ohne dabei etwas zu verpassen.
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„Wir möchten sogar noch weiter gehen und Konzepte entwickeln, die eine Mitarbeit von Operateurinnen und Operateuren aus dem Homeoffice ermöglichen“, erklärt Van Laerhoven. „Die Leitwarte wäre dann nicht mehr ein spezifischer Raum, sondern eine intelligente Computerumgebung, in der Menschen unabhängig von ihrem konkreten Standort miteinander interagieren.“
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In dem Projekt arbeiten die Forscher mit unterschiedlichen Leitwarten zusammen. Eine wesentliche Frage ist dabei, ob die Operateure die Smartwatches als Bevormundung wahrnehmen, oder als Möglichkeit der Unterstützung. „Befragungen haben gezeigt, dass die große Mehrheit gerne bereit ist, neuen Technologien auszuprobieren. Berufsbedingt sind Operateurinnen und Operateure grundsätzlich technikaffin und haben ein hohes Verantwortungsbewusstsein, deshalb sehen sie die Uhren eher als Unterstützung“, so Pöhler. In der zweiten Projektphase möchten die Forscher ihre Ansätze in verschiedenen Leitwarten und in realitätsnahen Simulationen testen. „Auf diese Weise möchten wir Modelle entwickeln, mit denen in der Praxis tatsächlich gearbeitet werden kann. Wir möchten aufzeigen, in welche Richtung sich Leitwarten in Zukunft entwickeln können – und die dafür benötigten technologischen Lösungen anbieten“, erklärt Van Laerhoven.
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