Siegen. Stephan Klenzmann ist Experte für Populismus und Rassismus im Siegerland. „Die Aggressivität wird immer höher“, sagt er.
„Die Angst vor Populismus ist sehr berechtigt“, sagt Stephan Klenzmann. Er kennt sich gut mit den rassistischen und populistischen Strukturen im Siegerland aus, beschäftigt sich seit 2010 intensiv mit dem Thema und hat bereits Vorträge an Universität und Fachhochschule gehalten. Der von ihm entwickelte Jugendworkshop wird mittlerweile bundesweit angeboten.
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Entstehung von Populismus
„Die Ursachen für entstehenden Populismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sind eng miteinander verknüpft“, sagt Stephan Klenzmann. Zu diesen würden unter anderem Unsicherheiten und der rasante gesellschaftliche Wandel gehören. „Die Menschen, die dem Populismus hinterherlaufen, die haben auch Ängste“, erklärt er: „Die Menschen kommen nicht mehr mit.“ Dies dürfe nicht unterschätzt werden: „Diese Ängste müssen wir ernst nehmen und die Menschen mitnehmen“, betont er. Denn auch der Neoliberalismus und die sogenannte „Ellenbogengesellschaft“ seien Ursachen menschenfeindlichen Handelns.
Er erklärt weiter: „Nicht nur rechter, sondern jede Art des Populismus bietet absolut verkürzte Lösungen an.“ Und die Leute seien dankbar für einfache Lösungen. Allerdings sei dabei oft ein autoritärer Staat das Ergebnis: „Die machen eigentlich das, was sie selbst verurteilt haben“, findet Stephan Klenzmann.
Sprache und soziale Medien als Kanal
Eine besonders gefährliche Entwicklung sieht er in der Verbindung von der politischen Mitte und den radikal Rechten. Früher hätten sie sich sehr stark unterschieden: „Und heute gibt es keinen Graben mehr“, muss Stephan Klenzmann feststellen. Rechtsradikale Meinungen hätten einen Platz erhalten: „Es ist alltagstauglich geworden.“
Eine wichtige Rolle spiele dabei die Sprache: „Die Grenzen des Sagbaren haben sich verschoben“, berichtet Stephan Klenzmann. Rechtsradikale Botschaften würrden oft im Nachhinein verharmlost: „das war anders gemeint“, erklärt er. Die Grenzüberschreitungen würden damit nach und nach wieder legitimiert. „Das ist das Scharnier zu einem fließenden Übergang“, sagt er.
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Auch im Bereich der sozialen Medien sieht er mehrere Gefahren. Von den Logarithmen werde die eigene Ansicht immer wieder bestätigt. „Ob die Artikel wahr sind, wird dann gar nicht mehr gefiltert“, bedauert Stephan Klenzmann. Der eigenen Gruppe und den vorgeschlagenen Kanälen werde oftmals mehr vertraut als den herkömmlichen Nachrichtensendungen.
Geschichte von Populismus im Siegerland
Besonders in den 1990er Jahren habe es viele gewalttätige Übergriffe in Siegen gegeben. Diese seien damals allerdings nur unter dem Begriff der „Skinheads“ und nicht unter dem Thema von Rechtsradikalismus medial aufgegriffen worden. Anfang der 2010er Jahre hätten sich die freien Nationalisten Siegerland mit starker bundesweiter Vernetzung gegründet. Mittlerweile sei die Szene kaum an der Oberfläche sichtbar, wie Stephan Klenzmann erklärt: „Siegen ist nicht besser und nicht schlechter als andere Städte.“ Es gebe noch immer einen Knotenpunkt in Siegen. „Wir dürfen nicht sagen, wir haben kein Problem“, betont Klenzmann.
Mit dem Dritten Weg hätten die Neonazis wieder ein Gesicht bekommen. „Es gibt ganz viele, die sich mit dem Dritten Weg solidarisieren“, weiß Stephan Klenzmann. Tatsächlich würden sie sich oftmals für soziale Themen einsetzen – aber dann nur für Deutsche.
Ausblick auf den Rechtspopulismus im Siegerland
Regelmäßige Umfragen zum Thema würden mit der Mitte-Studie von der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt, berichtet Stephan Klenzmann. 13,5 Prozent der Menschen hätten in der Studie 2020/21 eindeutig dem Rechtspopulismus zugeordnet werden können. Dies sei eine maßgebliche Veränderung zu den Vorjahren. Was sich verändert habe ist jedoch die Aggressivität und die Übergriffigkeit: „Die Aggressivität wird immer höher“, sagt Stephan Klenzmann.
„Ich habe immer gedacht, jetzt haben es alle verstanden. Und es wird mehr“, bedauert er die aktuellen Entwicklungen. Trotz erhöhten Wohlstands würden auch rechte Parteien wieder mehr gewählt. „Ich glaube, wenn wir nichts tun, dann wird es schlimmer“, erkennt Stephan Klenzmann: „Wir müssen etwas tun und gerade in die Bildungsstrukturen investieren.“
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