Siegen. Siegenerin soll sich jahrelang an Elternbeiträgen bereichert haben: Es geht um eine enorme Summe Geld, eigentlich gedacht für die Kinderbetreuung
Die Frau soll im großen Stil in die Kasse gegriffen haben, auf Kosten der Ganztagsbetreuung der Schule und vor allem der Eltern: In einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren soll die ehemalige Vorsitzende des Elternvereins der Hammerhütter Grundschule mindestens 120.000 Euro unterschlagen haben. Das werfen ihr ihre Nachfolger vor. Der Verein war Träger des Ganztagsangebots, die Eltern zahlten Beiträge – davon habe sich die damalige Vorsitzende großzügig bedient. So großzügig, dass nach jahrelangen Ermittlungen demnächst auch juristischer Ärger vor Gericht droht: Der Frau wird gewerbsmäßige Untreue vorgeworfen, so eine Sprecherin des Siegener Landgerichts auf Anfrage.
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„Gewerbsmäßig“ ist dabei ein entscheidendes Stichwort. Denn dahinter steckt der Vorwurf, dass die Frau immer wieder mit den Bankkarten des Elternvereins gezahlt, auch Bargeld abgehoben oder gar nicht erst verbucht, sich auf diese Weise eine stetige Einnahmequelle für sich persönlich gesichert habe – „auf Dauer angelegt“, erläutert die Gerichtssprecherin; eine Art „Berufskriminelle“. Jedenfalls kein einmaliger Vorfall. Das kann den Strafrahmen im Vergleich zur „normalen“ Untreue durchaus erhöhen: Im Falle einer Verurteilung drohen der ehemaligen Vorsitzenden demnach mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe, maximal können sogar zehn Jahre verhängt werden.
Siegener Elternverein nimmt Ermittlungen selbst in die Hand
Anderen Vorstandsmitgliedern des Vereins waren spätestens im Sommer 2017 Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Schon seit einiger Zeit war ihnen die Geschäftsführung durch die Frau, die seit 1996 den Verein leitete, komisch vorgekommen, heißt es auf Anfrage. Es wurde demnach eine außerordentliche Mitgliederversammlung anberaumt, die Frau sollte die Kassenbücher vorlegen. Diese seien alle bei der Stadt, was nicht stimmt, wie sich auf Nachfrage dort herausstellte, schildern die heutigen Verantwortlichen. Die Vorsitzende wurde dann auch aufgefordert, ihren Dienst-Computer auszuhändigen – aber alle Daten seien gelöscht gewesen.
Die Festplatte war aber wohl nur halbherzig formatiert worden, es gelang den anderen Mitgliedern, den Rechner wieder herzustellen. Sie erhielten außerdem Wäschekörbe voller Papiere und Akten, wühlten sich monatelang durch die Unterlagen, bis sie zum Schluss kamen: Die Vorsitzende hatte über lange Zeit deutlich in die Kasse gegriffen. Auch wenn man schon länger den Verdacht hatte, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei: Mit so einer Summe habe man nicht gerechnet, erinnert sich ein Vorstandsmitglied. Man wandte sich an die Behörden.
Siegener Staatsanwaltschaft klagt nicht wegen gesamter Fehlsumme an
Angeklagt wird die Frau nun, fünf Jahre später, aber nicht wegen der gesamten vermuteten Fehlsumme. Laut Gericht beziehen sich die Vorwürfe auf den Zeitraum 30. Januar 2015 bis 18. April 2018, von insgesamt 13.650 Euro in 176 einzelnen Fällen ist die Rede. Bereits die „internen Ermittlungen“ des Elternverein hatten zum Ergebnis geführt, dass viele der Veruntreuungen nicht nachweisbar waren. Belege fehlten – demnach habe die Frau beispielsweise Verpflegungsgelder von den Eltern in bar kassiert, ohne Quittungen dafür auszustellen. Das zeigt sich nun auch an den Vorwürfen, die die Justiz für gerichtsfest hält.
Die Vorsitzende trat dann zu Beginn einer weiteren außerordentlichen Sitzung zurück, überhäufte den Schilderungen zufolge die anderen Mitglieder mit Schmähungen und Beschimpfungen, „tief unter der Gürtellinie“, sagt einer. „Das war schon übel.“ Bis heute hat der Elternverein, der nach wie vor die Ganztagsbetreuung an der Grundschule auf dem Fischbacherberg sicherstellt, mit den massiven Einschränkungen durch die finanziellen Ausfälle zu kämpfen. Als die neue Geschäftsführung antrat, habe es so gut wie keine Rücklagen mehr gegeben. Der Elternverein habe lange Jahre kurz vor dem Ruin gestanden, schrammte mehrfach haarscharf an der Insolvenz vorbei.
Streit zwischen Stadt Siegen und chronisch klammen Elternverein
Von der Stadt Siegen habe man sich dabei im Stich gelassen gefühlt, heißt es weiter. Man habe um Unterstützung gebeten, um das Betreuungsangebot weiter aufrecht erhalten zu können – das wurde demnach abgelehnt. Auch diese Zeitung hatte mehrfach über den Streit zwischen Elternverein und Schulverwaltung berichtet, der sich vor allem um Änderungen bei der Finanzierung drehte, die den Ganztags-Träger schlechter stellte. Seit 2017 zieht die Stadt die Elternbeiträge ein, die dann an den Elternverein zurückerstattet werden.
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Dass das Verfahren vor Gericht tatsächlich eröffnet wird, ist formal noch nicht final sicher: Die Anklage ist der Beschuldigten und ihrer Verteidigung zwar zugestellt, sie haben aber noch das Recht, sich in der Sache zu äußern. Danach entscheidet das Gericht, ob und wann der Prozess beginnen kann.