Siegen. Kleinkinder, Jugendliche, Alte: In 150 Lagern im Siegerland mussten Gefangene der Nationalsozialisten schuften. „Dunkle und beschämende Zeiten“.
„Zwangsarbeiter kamen aus ganz Europa. Allen gemeinsam: Sie waren nicht freiwillig hier“, sagt Peer Ball. Er ist der Kurator der Sonderausstellung „Verschleppt. Ausgebeutet. Vergessen? Zwangsarbeit im Siegerland“ im Aktiven Museum Südwestfalen. Dort wird nun an die Schicksale der Zwangsarbeiter aus der Region erinnert .
Darstellung persönlicher Geschichten im Siegener Museum
Weidenau, Buschhütten, Dreis-Tiefenbach, Birlenbach, Netphen – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Im gesamten Siegerland gab es 150 Lager für Zivilarbeitskräfte und 51 Kriegsgefangenenlager. Ungefähr 15.000 nichtdeutsche Arbeitskräfte waren 1944 im Siegerland. Ein Jahr später fanden sich rund 1000 Gräber von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen. Doch die Ausstellung hat mehr als Zahlen zu bieten: Dort werden die einzelnen Schicksale der Menschen greifbar. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte eines Jungen, der nur vier Monate alt geworden ist. Von zwei Zwangsarbeitern geboren, starb er an Lungenentzündung und Brechdurchfall in Siegen. Und da gibt es Lidija Klimischena. Sie wurde mit 16 Jahren ins Siegerland verschleppt. Nach einem langen Transport und mehreren Zwischenstationen muss sie in einer Burbacher Familie Zwangsarbeit leisten. Sie hat Glück: Die Familie nimmt sie herzlich auf. Trotzdem verfolgen sie ihre Erinnerungen noch immer. Aber auch viele weitere Erinnerungen werden im Museum gezeigt: „Wir haben mit Menschen gesprochen, die hier Zwangsarbeit geleistet haben“, berichtet Peer Ball.
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Aufarbeitung der Siegener Zwangsarbeit in der Gegenwart
Bürgermeister Steffen Mues sagt: „Es ist ein Blick auf die dunkelste und mit Sicherheit auch beschämendsten Abschnitte der Siegener Geschichte.“ Für ihn ist die Geschichte eng mit der Gegenwart verknüpft: „Der Blick geht auch nach Israel, wo wieder Menschen sinnlos sterben“, erklärt er. Dabei vermisse er das Engagement und die Präsenz der jüngeren Menschen. Auch deswegen sei die Ausstellung so wichtig: Hier müssen man Bildungsarbeit leisten, auch für die jüngere Generation. „Das war kein Randphänomen“, sagt Steffen Mues über die Situation der früheren Zwangsarbeit. „Menschen wurden unter menschenunwürdigsten Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Den Zwangsarbeitern ein Gesicht zu geben, ist das Mindeste, was wir tun können.“
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Landrat Andreas Müller betont die Bedeutung der Zwangsarbeit im Siegerland: „Praktisch jedes größere Unternehmen war dabei.“ 26 Lager mit bis zu 12000 Gefangenen habe es zeitweise in Siegen gegeben: „Das war im Übrigen kein Geheimwissen, jeder wusste Bescheid“, sagt er. Und das Thema sei für die Region heute noch wichtig: „Der Prozess der Aufarbeitung von Zwangsarbeit im Siegerland ist noch nicht beendet.“
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Vergessen? Erinnerung an die Zwangsarbeit im Siegerland
Warum das Ausstellungsthema bedeutsam für das Verständnis des Nationalsozialismus ist, erklärt der Museumsleiter Dr. Jens Aspelmeier: „Zwangsarbeit war bei dem Zivilisationsbruch der zentrale Mechanismus.“ Besondere Bedeutung spricht er der Frage nach dem Vergessen zu. „Haben wir im Siegerland und darüber hinaus wirklich vergessen?“, fragt er. Es gebe bereits Erinnerungsorte, doch: „Da ist noch Luft nach oben.“ Erinnerung und Verantwortung sage mehr über die aktuelle Gesellschaft als über die Vergangenheit aus. Es gehe dabei darum „auszuhalten, anzunehmen und dabei nicht vorschnelle Urteile zu fällen“. Die Ausstellung soll nur den Anfang darstellen: „Wir hoffen, mit der Ausstellung eine regionale Spurensuche anzustoßen.“
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Bis zum 27. Januar ist die Ausstellung dienstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr im Aktiven Museum Südwestfalen zu sehen. Danach ist geplant, eine Wanderausstellung und langfristig Lehrerausbildungen zu organisieren.