Siegen. Siegener AfD-Ratsfraktion verlässt geschlossen die Partei. Der personelle Abstieg und die Radikalisierung dort seien dramatisch, heißt es.

Die AfD-Fraktion im Siegener Rat tritt geschlossen aus der Partei aus – nach der entsprechenden persönlichen Erklärung des Vorsitzenden Michael M. Schwarzer in der Sitzung am Mittwoch, 6. September, brandete Applaus auf. Schwarzer, der lange Sprecher der AfD-Landtagsfraktion NRW und seit der vergangenen Kommunalwahl Fraktionsvorsitzender in Siegen war, reagiert damit ebenso wie seine Stellvertreterin Annette Six auf die zunehmende Radikalisierung der Partei. Gleichzeitig ziehen die beiden einen Schlussstrich unter die zuletzt immer weiter eskalierten parteiinternen Streitigkeiten im Kreisverband Siegen-Wittgenstein.

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„Als Reaktion auf die programmatischen und vor allem personellen Entwicklungen in der AfD zieht der langjährige Sprecher der AfD-Landtagsfraktion NRW und Fraktionsvorsitzende der Siegener Stadtratsfraktion, Michael M. Schwarzer, gemeinsam mit der Fraktionsgeschäftsführerin und ehemaligen Pressereferentin der AfD-Landtagsfraktion NRW, Annette Six, die Konsequenz und verlässt die Partei“, heißt es in der Mitteilung, die Schwarzer nahezu zeitgleich in der Sitzung verliest. Im Rat der Stadt Siegen bilden sie ab sofort die neue Fraktion „Liberal-Konservatives Bündnis“.

Michael M. Schwarzer: Zweite AfD-Fraktion im Siegener Rat sind „Höcke-Jünger“

„Seit unserem Eintritt (im Jahr 2016, Red.) waren wir stets an vorderster Front beim Kampf gegen die abseitigen Elemente in dieser Partei, gegen nationalbesoffene Schwärmer mit sozialistischen Tendenzen, gegen eine stetig zunehmende Duldung rechtspopulistischer, radikaler oder gar extremistischer Positionen“, sagt Michael M. Schwarzer, der dem liberal-konservativen Flügel der AfD angehörte, über den Grund für diesen Schritt. „Diesen Kampf haben wir verloren.“ In seiner digital verbreiteten Erklärung teilt Schwarzer kräftig aus gegen seine ehemalige Partei und ihr Personal: Geduldet würden Personen, die der Reichsbürger-Szene zugeordnet werden müssten, insgesamt gebe es einen „dramatischen personellen Abstieg“ in der AfD. Sie werde heute „maßgeblich geprägt von inkompetenten, charakterlich zweifelhaften, sozial abgehängten und oft randständigen Radikalen, die wenig mehr haben als ihre Wut und ihr oftmals rückwärts gerichtetes Weltbild“.

Die Tatsache, dass neben der von ihm geführten originären Fraktion seit einiger Zeit eine zweite AfD-Fraktion im Siegener Rat sitzt, ist für Schwarzer nach eigenem Bekunden „nur ein Symptom für den Zustand der Partei“: „Die Farce, die die Höcke-Jünger unter dem Namen AfD-Team Dylong seit Monaten darbieten und die von der Partei geduldet wird, hat uns nochmals deutlich gemacht, was aus der einstigen Professorenpartei geworden ist, die ihre eigenen Werte nur noch konterkariert. Die Hoffnung, dass sich das noch ändern wird, haben wir schweren Herzens begraben.“

Rat Siegen: AfD-Fraktion tritt aus der Partei aus – und rät von Wahl der AfD ab

Mit Roland Steffe, Wortführer der Dylong-Fraktion und Sprecher des AfD-Kreisverbands, liegt Schwarzer seit Langem im Streit: inhaltlich, über die politische Ausrichtung, und auch persönlich. Im Lauf der Wahlperiode wurde zunächst Steffe aus der Fraktion ausgeschlossen und hatte dann die „Alternative für Siegen“ (AfS) gegründet, zuletzt hatte sich Rats-Nachrückerin Ursula Simon den „Abweichlern“ zum „Team Dylong“ angeschlossen. Damit war die Schwarzer-AfD mit nunmehr noch zwei Mitgliedern die kleinere. Das „Team Dylong“ hat drei Mitglieder und dürfte nunmehr den Status als einzige AfD-Fraktion wieder für sich reklamieren.

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Mit Blick auf die Ratsarbeit in Siegen kündigt Schwarzer an, „auf Aufklärung“ setzen zu wollen. „Als Fraktion ,Liberal-Konservatives Bündnis’ werden wir unsere Kraft, unsere Expertise und unser politisches Engagement allen Kollegen zur Verfügung stellen, die sich mit uns gemeinsam dem Wohl unserer Stadt verpflichtet sehen.“ Denn die AfD habe aufgehört, Alternative zu sein, vielmehr sei sie gekapert worden von Glücksrittern, denen „nicht nur grundlegende politische Fähigkeiten abgehen, sondern vor allem die Tugenden, die uns einst zu ihr geführt hatten: Integrität, Aufrichtigkeit, Leistungswille und Anstand. Vor allem Anstand“.

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Es wird zudem unsere gemeinsame Aufgabe sein, die Bürger in Siegen darüber aufzuklären, warum es ganz sicher nicht die AfD sein kann, die die offenkundigen und allgegenwärtigen Probleme lösen wird, und ihnen stattdessen echte und vertrauenswürdige Alternativen zu bieten“, die aktuellen Probleme in Deutschland könnten seiner Überzeugung nach nur von den etablierten Volksparteien ausgehen, deren Vertreter im Siegener Rat „die Kompetenz, das Potenzial und auch den Willen“ hätten, den Menschen das Vertrauen in die etablierten Parteien zurückzugeben. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den anderen Ratsfraktionen, merkte Schwarzer zum Schluss an: Der Applaus darauf dürfte durchaus als Reaktion zu werten sein, dass – fast – alle anderen das ebenfalls tun.